Arbeitsrecht | 03.05.2014

Der Flashmob als Streikmittel ist legitim!

Ein arbeitsgerichtliches Verfahren um die Zulässigkeit von Flashmob-Aufrufen im Arbeitskampf erregt seit Jahren mediale Aufmerksamkeit und ist nun endgültig abgeschlossen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 26. März 2014 die Verfassungsbeschwerde eines Arbeitgeberverbands Flashmob-Aufrufen nicht zur Entscheidung angenommen. Damit steht nun fest: Der Flashmob als Streikmittel ist legitim.

Flashmob als Streikmittel - der Fall

Im Jahr 2007 hatte ver.di zur Unterstützung eines Arbeitskampfes im Einzelhandel öffentlich mit folgendem Wortlaut zu einem Flashmob aufgerufen.

Der Streikaufruf

Wunschliste der EinzelhändlerInnen an Gewerkschaftsmitglieder und alle, die uns unterstützen wollen

Hast Du Lust, Dich an Flashmob‑Aktionen zu beteiligen?
... dann lass uns zu dem per SMS gesendeten Zeitpunkt zusammen in einer bestreikten Filiale, in der Streikbrecher arbeiten, gezielt einkaufen gehen, z. B. so:
• Viele Menschen kaufen zur gleichen Zeit einen Pfennig‑Artikel und blockieren damit für längere Zeit den Kassenbereich.
• Viele Menschen packen zur gleichen Zeit ihre Einkaufswagen voll (bitte keine Frischware!!!) und lassen sie dann stehen. …

Chaotische Zustände im Supermarkt

Am Streiktag begaben sich etwa 40 Personen in einen Supermarkt in Berlin und legten dessen Betrieb eine knappe Stunde lahm. Zum einen kauften sie in großen Mengen sehr günstige Artikel, deren Einscannen längere Zeit dauerte, so dass sich Warteschlangen bildeten. Zum anderen befüllten die Teilnehmer des Flashmobs etwa 40 Einkaufswagen und ließen sie dann stehen. Eine Frau stellte sich sogar mit einem gefüllten Einkaufswagen an die Kasse und bejahte dort zunächst die Frage der Kassiererin, ob sie bezahlen könne. Die Artikel wurden sodann von der Kassiererin eingescannt und von der Frau wieder in den Einkaufswagen gelegt. Es ergab sich ein Gesamtbetrag von 371,78 Euro. Die vermeintliche Käuferin erklärte daraufhin, ihr Geld vergessen zu haben und stellte den Einkaufswagen an der Kasse ab. Dabei klatschten die anderen Aktionsteilnehmer Beifall. Die streikbrechenden Mitarbeiter fanden die Aktion sicher nicht schön. Aber der Flashmob als Streikmittel, das hatte sich bewährt.

Flashmob als Streikmittel? Bitte nicht nochmal.

Der an diesem Arbeitskampf beteiligte Unternehmensverband hatte gegen ver.di Klage erhoben. Er wollte der Gewerkschaft verbieten, nochmal den Flashmob als Streikmittel einzusetzen. Er hat die Auffassung vertreten, durch solche Aktionen werde rechtswidrig in den Gewerbebetrieb des betroffenen Unternehmens eingegriffen. Im Übrigen liege eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB, die mit Nötigung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch verbunden sei, vor. Derartige Aktionen unterfielen nicht dem Schutz von Artikel 9 Absatz 3 GG. Die Arbeitgeber zogen eine Parallele zu unzulässigen Mitteln des Arbeitskampfs wie Betriebsblockaden und Betriebsbesetzungen.

Arbeitgeber unterliegen in drei Instanzen

Der Arbeitgeberverband war jedoch in allen drei Instanzen unterlegen. Zuletzt hatte das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 entschieden, dass Gewerkschaften auch in Zukunft unter bestimmten Voraussetzungen zu ähnlichen Aktionen aufrufen dürften. Der Flashmob als Streikmittel unterstehe durchaus der grundgesetzlich geschützten Koalitionsfreiheit.

Gegen dieses Urteil legte der klagende Arbeitgeberverband Verfassungsbeschwerde ein. In der Hauptsache war diese damit begründet, dass die Ausdehnung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft die Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes unzulässig verkürze. In der Sache wurde nochmals ausführlich darauf hingewiesen, dass eine solche Aktion typologisch betrachtet nichts anderes als eine Betriebsblockade sei, es ging um das temporäre „Dichtmachen“ einer Filiale.

Auch das Bundesverfassungsgericht lässt den Flashmob als Streikmittel gelten

Das Bundesverfassungsgericht meint, Bei der Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts bestehe ein weiter Handlungsspielraum. Das Grundgesetz schreibe nicht vor, wie die gegensätzlichen Grundrechtspositionen im Einzelnen abzugrenzen sind. Es verlange keine Optimierung der Kampfbedingungen. Umstrittene Arbeitskampfmaßnahmen würden unter dem Gesichtspunkt der Proportionalität überprüft. Die Orientierung des Bundesarbeitsgerichts am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht zu beanstanden.

Trotzdem bleibt der Flashmob die Ausnahme

Trotz dieses weiteren Sieges von ver.di und die damit einher gehende Anerkennung des Flashmobs als Streikmittel im Arbeitskampf hat dieser in den letzten Jahren nicht an Bedeutung gewonnen. Grund hierfür sind sicher die Schwierigkeiten bei der Organisation hinreichender Beteiligung. Gehen drei Gewerkschafter umständlich einkaufen, ist das ja kein Flashmob, sondern peinlich. Außerdem ist der Arbeitgeber auch nur mäßig in beeinträchtigt. Denn eine Filiale mit einer Stunde Umsatzausfall ist für die großen Supermarktketten vollkommen belanglos; ein zählbarer wirtschaftlicher Schaden geht damit nicht einher.

Daher ist das mediale Echo der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen wohl eher dem Umstand geschuldet, dass der Flashmob als Streikmittel neu und geradezu exotisch ist. Außerdem ist die Stimmung bei solcherlei Aktionen, deutlich heiterer als wenn sich Arbeitnehmer an das Werkstor ketten. Ob der Flashmob als Streikmittel ebensogut geeignet ist, bessere Arbeitsverträge zu verhandeln, steht auf einem anderen Blatt.

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