Arbeitsrecht | 17.12.2020

Annahmeverzugslohn, die Ausnahme vom Grundsatz “Ohne Arbeit kein Lohn”.

Der Grundsatz “Ohne Arbeit kein Lohn” geht auf eine Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zurück. Er gilt noch immer, wird aber an vielen Stellen durchbrochen. Eine dieser Stellen ist der so genannte Annahmeverzugslohn.

"Ohne Arbeit kein Lohn", der Grundsatz

Der Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn" hat es sogar zu einem Eintrag bei Wikipedia geschafft. Weil er so bekannt ist, machen wir zunächst einen kleinen rechtshistorischen Ausflug in das Jahr 1959, bevor wir uns dem Annahmeverzugslohn widmen. In einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das auf den Tag genau 71 Jahre alt ist, ist dieser Grundsatz näher erläutert.

[Der Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn"] ist für die wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Strukturelemente des Arbeitsverhält­nisses kennzeichnend. Trotz der personenrechtlichen Elemente des Arbeitsverhältnisses ist es doch ein dieses Verhältnis ebenfalls beherrschender Grundge­danke, dass es eingegangen wird um der Arbeitslei­stung des Arbeitnehmers willen. Die Lohn- und Gehaltszahlung des Arbeitgebers muss sich dann aber sinnvoller Weise gerade auf die Dienst­leistungen des Arbeitnehmers beziehen. Das Arbeits­verhältnis ist auf dem wirtschaftlichen Austausch der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gegen die Vergütung des Arbeitgebers aufgebaut.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17. Dezember 1959 - GS 2/59

Zusammengefasst meint das Bundesarbeitsgericht: Im Mittelpunkt des Arbeitsvertrag steht die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Entfällt diese Arbeitsleistung, macht der Arbeitsvertrag eigentlich keinen Sinn. Das ist nachvollziehbar.

Kein Grundsatz ohne Ausnahme

Die Ausnahmen zu dem Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn" sind zahlreich. Am bekanntesten und bedeutsamsten sind die Regelungen zum Urlaub des Arbeitnehmers und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Auch in diesen Fällen arbeitet der Arbeitnehmer nicht und bekommt trotzdem seinen Lohn. Eine weitere Ausnahme stellt der in § 615 BGB geregelte Annahmeverzugslohn dar. Er ist ein gewichtiges Argument im Kündigungsschutzprozess, insbesondere wenn um eine fristlose Kündigung gestritten wird. Doch dazu später mehr.

Voraussetzungen für den Annahmeverzugslohn

Die Voraussetzungen für den Annahmeverzugslohn sind überschaubar: Natürlich muss ein Arbeitsverhältnis bestehen. Desweiteren muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung anbieten. Regelmäßig ist hierfür ein tatsächliches Angebot nötig. Das Bundesarbeitsgericht formuliert es so:

Dabei ist die Arbeitsleistung so anzubieten, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen beziehungsweise deren Konkretisierung kraft Weisung nach § 106 Satz 1 GewO.

BAG, Urteil vom 28. Juni 2017 – 5 AZR 263/16, Randziffer 21

Oder anders gesagt: Der Bäcker beispielsweise muss morgens in Arbeitskleidung in der Backstube erscheinen und bereit sein, das Brot zu backen. Wenn er dann von seinem Arbeitgeber nach Hause geschickt wird, liegt auch die letzte wesentliche Voraussetzung für den Annahmeverzugslohn vor. Der Arbeitgeber hat die ihm angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen. Diese Nichtannahme liegt in jedem Verhalten des Arbeitgebers, dass die Leistung des Arbeitnehmers verhindert. Sie liegt beispielsweise auch dann vor, wenn dem Arbeitnehmer der Zugang zum Arbeitsplatz verweigert wird.

Annahmeverzug bei fristloser Kündigung kann teuer enden!

Heikel wird es für den Arbeitgeber im Falle der fristlosen Kündigung. Voraussetzung einer fristlosen Kündigung ist nämlich, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Wer fristlos kündigt, muss seinen Arbeitnehmer dann auch alsbald im Wortsinne rausschmeißen. Tut der Arbeitgeber das nicht, lässt das darauf schließen, dass er selbst nicht von dieser Unzumutbarkeit ausgeht. Unumstritten ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass der Arbeitnehmer nach dem Zugang einer fristlosen Kündigung, seine Arbeitsleistung nicht mehr anbieten muss. Die Arbeitsgerichte sind der Auffassung, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber kein Angebot machen muss, von dem von vornherein feststeht, dass es infolge der ausgesprochenen Kündigung abgelehnt werden wird.

Annahmeverzugslohn als Argument im Kündigungsschutzprozess

Wenn nun der Arbeitnehmer die fristlose Kündigung für unberechtigt hält, erhebt er eine Kündigungsschutzklage bei dem zuständigen Arbeitsgericht. Damit kann er sich erst einmal drei Wochen Zeit lassen. Wenn es gut läuft, kommt es weitere drei Wochen später zur Güteverhandlung. Zu dieser Zeit befindet sich der Arbeitnehmer schon rund sechs Wochen nicht mehr im Betrieb. Ergibt sich dann in der Güteverhandlung nicht ein klarer Grund für eine fristlose Kündigung, beispielsweise Arbeitszeitbetrug, oder sind Beweisschwierigkeiten für den Arbeitgeber erkennbar, gerät dieser in die Zwickmühle.

Annahmeverzug birgt ein wirtschaftliches Risiko für den Arbeitgeber

Es besteht nämlich die Gefahr, dass er am Ende des gerichtlichen Verfahrens verliert. Das passiert allerdings erst drei, vier oder auch sechs Monate später nach einem Kammertermin und eventuell nach einer Beweisaufnahme. Werden Berufung und Revision gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt, vergehen Jahre. Und die ganze Zeit hat der Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verweigert. Dann ist denkbar, dass der Arbeitnehmer Annahmeverzugslohn für mehrere Jahre bekommt. Das wirtschaftliche Risiko des Arbeitgebers ist also beträchtlich. Es bewegt so manchen Arbeitgeber zu einem Vergleich mit dem Arbeitnehmer im Gütetermin, denn dann hat der Schrecken wenigstens ein kalkulierbares Ende.

Kann der Arbeitnehmer sich zurücklehnen?

Der Arbeitnehmer kann so einen Prozess aber auch nicht einfach laufen lassen. Er muss sich durchaus auf die Suche nach einer anderen Arbeitsstelle begeben. Andernfalls wird ihm auf den Annahmeverzugslohn angerechnet, was er zu erwerben böswillig unterlässt. Aber sind wir ehrlich: Die Anforderungen an den Arbeitnehmer sind nicht schrecklich hoch und die Böswilligkeit muss der Arbeitgeber beweisen. Mitunter wird angenommen, dass sie schon dann nicht vorliegt, wenn sich der Arbeitnehmer bei der Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet hat. Die Böswilligkeit scheidet in diesen Fällen aus, weil es dann Sache der Agentur ist, dem Arbeitnehmer zumutbare Stellenangebote zu vermitteln. Das jedenfalls meint beispielsweise das Landesarbeitsgericht Köln mit einem Urteil aus dem Jahr 2002.

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