Arbeitsrecht | 27.12.2020

Bundesarbeitsgericht: Sind Crowdworker Arbeitnehmer?

Haben Sie schon einmal jemanden beobachtet, der in einer Tankstelle ein Regal mit Schokoladenriegeln fotografiert hat? Dann haben Sie vielleicht einen Crowdworker bei der Arbeit gesehen. Denn es gibt Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, im Auftrag von Schokoladenriegelherstellern deren Warenpräsentation zu kontrollieren. Das ist ein typischer Micro-Job des Crowdworkings. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun zu entscheiden: Sind sie die Tagelöhner unserer digitalen Welt, wie die Süddeutsche Zeitung einen Artikel überschrieben hat oder sind Crowdworker Arbeitnehmer?

Vorinstanzen verneinen Arbeitnehmereigenschaft

Ein Micro-Jobber aus München hatte sich durch die Instanzen geklagt: Nachdem sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht in München die Frage, ob Crowdworker Arbeitnehmer sind, verneint und seine Kündigungsschutzklage abgewiesen hatten, zog er vor das Bundesarbeitsgericht. Weil ihm sein Auftraggeber sicherheitshalber auch wirksam gekündigt hatte, verlor er den Kündigungsschutzprozess. Für den Zeitraum bis zum Ende der Kündigungsfrist hat er allerdings noch Vergütung zu erhalten. Wie hoch sie ist, muss nun das Landesarbeitsgericht München feststellen. Dorthin wurde der Rechtsstreit zurückverwiesen.

Bundesarbeitsgericht: Crowdworking kann abhängige Beschäftigung sein

Um es gleich vorweg zu sagen: Die Frage, ob Crowdworker Arbeitnehmer sind, ist vermutlich auch in der Zukunft häufig zu verneinen. Aber Auftraggeber sollten sich die Entscheidungsgründe des BAG genau ansehen. Wenn sie nämlich die Auftragsvergabe ungeschickt organisieren, rutschen sie unversehens in die unerwünschte Rolle des Arbeitgebers. Und das bedeutet dann: Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlter Urlaub, Kündigungsschutz etc.

Wann wird aus dem Crowdworker ein Arbeitnehmer?

Dabei haben die Arbeitsrichter in Erfurt das Rad nicht neu erfunden: Die Urteilsgründe liegen zwar noch nicht vor. Die Pressemitteilung lässt aber erkennen, dass sie einfach die bekannten Kriterien des § 611a BGB als erfüllt ansahen. Und deshalb war in dem entschiedenen Fall der klagende Crowdworker ein Arbeitnehmer. Er leistete nämlich weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit. Dafür sprach aus Sicht des BAG die berühmte Gesamtwürdigung aller Umstände. Sie ergab, dass der Auftragnehmer auf Grund der Organisation der Auftragsvergabe seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht mehr frei gestalten konnte:

Die Organisationsstruktur der von der Beklagten betriebenen Online-Plattform war aber darauf ausgerichtet, dass über einen Account angemeldete und eingearbeitete Nutzer kontinuierlich Bündel einfacher, Schritt für Schritt vertraglich vorgegebener Kleinstaufträge annehmen, um diese persönlich zu erledigen. Erst ein mit der Anzahl durchgeführter Aufträge erhöhtes Level im Bewertungssystem ermöglicht es den Nutzern der Online-Plattform, gleichzeitig mehrere Aufträge anzunehmen, um diese auf einer Route zu erledigen und damit faktisch einen höheren Stundenlohn zu erzielen. Durch dieses Anreizsystem wurde der Kläger dazu veranlasst, in dem Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen.

Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung 43/20

Sind jetzt alle Crowdworker Arbeitnehmer?

Gewiss macht das Erfurter Urteil jetzt nicht alle Crowdworker zu Arbeitnehmern. Das würde vermutlich auch das Ende des Crowdworkings in Deutschland bedeuten. Aber dort, wo Unternehmen Ihre Auftragnehmer zu sehr von ihren Aufträgen abhängig machen, wird man in Zukunft genauer hinsehen müssen. Fälle wie jenen in München gibt es zu Hauf. Die Unternehmen dürften hier auf die fehlende Informiertheit des überwiegenden Teils ihrer Crowdworker hoffen. Aber still und leise werden sie ihre Auftragsvergabe anpassen, wenn sie es nicht bereits getan haben. Denn in sehr vielen Fällen steht die Vermeidung eines Arbeitsvertrags mit allen Rechten des Arbeitnehmers an erster Stelle.

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