Arbeitsrecht | 07.02.2021

Eigenmächtiger Urlaubsantritt berechtigt zur fristlosen Kündigung ohne Abmahnung!

Genügt die einmalige Selbstbeurlaubung des Arbeitnehmers für eine fristlose Kündigung? Normalerweise ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 626 Absatz 1 BGB nicht ausreichend, um einen Arbeitnehmer fristlos zu kündigen. Erforderlich ist in den meisten Fällen der verhaltensbedingten Kündigung, dass der Arbeitnehmer zuvor eine Abmahnung erhalten hat (§ 314 Absatz 2 BGB). Die Abmahnung hat eine Rügefunktion und vor allem eine Warnfunktion, mit den Worten des Bundesarbeitsgerichts:

Abmahnung bedeutet, dass der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringt und damit deutlich ... den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.

Urteil vom 18. Mai 1994 - 2 AZR 626/93

Nur im Ausnahmefall kann auf die Abmahnung verzichtet werden. Eine solche gesetzliche Ausnahme liegt insbesondere vor,

wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte nun zu entscheiden, ob ein eigenmächtiger Urlaubsantritt des Arbeitnehmers, die so genannte Selbstbeurlaubung, eine solche Ausnahme bildet.

Einfach in den Urlaub gegangen - der Fall

Die Umstände, die zur fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers wegen seiner Selbstbeurlaubung, führten, sind schnell berichtet: Arbeitgeber und Arbeitnehmer stritten bereits vor dem Arbeitsgericht um eine frühere ordentliche betriebsbedingte Kündigung. Da sich das Verfahren über viele Monate hinzog, bot der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegen Ende der Kündigungsfrist, eine Prozessbeschäftigung an. Der Arbeitnehmer willigte ein, das Arbeitsverhältnis ab 5. September 2018 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits fortzusetzen.

Am 22. März 2019 schrieb der Arbeitnehmer seinem Chef dann eine E-Mail. Darin beantragte er, nachdem er bis dahin im Prozessarbeitsverhältnis noch keinen hatte, ab 25. März bis 25. April 2019 Urlaub. Darauf reagierte der Arbeitgeber nicht und der unvorsichtige Arbeitnehmer, der allerdings wohl schon ein Anschlussarbeitsverhältnis gefunden hatte, nahm eine Selbstbeurlaubung vor. Der Arbeitgeber hörte noch den Betriebsrat zu der von ihm beabsichtigten Kündigung an. Der Betriebsrat stimmte zu und der Arbeitgeber sprach diese Kündigung am 4. April 2019 aus.

Selbstbeurlaubung, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht in Stuttgart musste sich auf Grund einer entsprechenden Klageerweiterung des Arbeitnehmers nun auch mit dieser Kündigung auseinandersetzen. Es bejahte ohne weiteres das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB und prüfte dann das Problem der fehlenden Abmahnung. Dabei meinte es zunächst grundsätzlich:

Einer Abmahnung bedarf es nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Oktober 2020 - 17 Sa 1/20

Und dann begründete es seine arbeitgeberfreundliche Entscheidung wie folgt:

Einer Abmahnung bedurfte es - wie regelmäßig in den Fällen einer Selbstbeurlaubung - nicht, denn der Kläger konnte - nach objektiven Maßstäben - nicht davon ausgehen, die Beklagte werde den eigenmächtigen Urlaubsantritt billigen beziehungsweise nicht als ein den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten ansehen.

Nunja. Das ist am Ende eine Wertungsfrage. Unser Eindruck ist, dass der Arbeitgeber hier großes Glück hatte. Klar ist eigenmächtiger Urlaubsantritt des Arbeitnehmers ein schwerer Pflichtverstoß, aber man hätte dem Arbeitgeber wohl raten müssen, zunächst abzumahnen. Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil rechtskräftig wird oder ob das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung kassiert.

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Ziemlich hart traf den betroffenen Arbeitnehmer eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg. Das hat nämlich die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitgebers bestätigt. Kündigungsgrund war ein eigenmächtiger Urlaubsantritt des Arbeitnehmers.

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