Sportrecht | 05.01.2023

Vergleich deutscher und französischer Anti-Doping-Regularien

Aufgrund des Wachstums und der Internationalisierung des (Hochleistungs-)Sports bedarf es weltweiter Regeln, um die Maßnahmen gegen Doping im Sport zu harmonisieren. Dennoch können sich nationale Anti-Doping-Regeln unterscheiden. Im Folgenden zeigen wir Unterschiede und Gemeinsamkeiten der deutschen und französischen Anti-Doping-Regularien auf.

Seit Kanzleigründung zählt die Ausbildung juristischen Nachwuchses zu den Kernaufgaben und -pflichten der schneideranwälte. Unzählige Praktikantinnen und Praktikanten sowie Referendarinnen und Referendare konnten seither Einblick in die anwaltliche Tätigkeit in unserer Kanzlei nehmen. Zuletzt hatten wir für zwei Monate Besuch aus Nancy, der Partnerstadt Karlsruhes. Mathilde Helfenstein hat sich dem Sportrecht verschrieben und ist so im Rahmen ihres Studiums auf uns zugekommen. Wir haben ihr unter anderem Gelegenheit gegeben, einen rechtsvergleichenden Blog zum Thema Doping in Frankreich und Deutschland zu schreiben. Nachfolgend ihre nahezu ungefilterten Ausführungen:

Vergleich deutscher und französischer Anti-Doping-Regularien

Anti-Doping-Regularien

Zunächst lohnt sich eine Betrachtung der verschiedenen Rechtsquellen und Gesetze. In Frankreich sind die Anti-Doping-Regularien zunächst durch den "Code du Sport" (Sportgesetzbuch) in den Artikeln L230-1 bis Artikel L232-31 und in den Artikeln R232-1 bis R232-104 bestimmt. Die Regeln gelten in Frankreich seit einer Verordnung vom 23. Mai 2006, welche durch eine Verordnung vom 21. April 2021 modernisiert wurde. In Deutschland hingegen wird dieses System durch verschiedene Gesetzesquellen geregelt. Das Anti-Doping Gesetz (ADG) ist seit dem 10. Dezember 2015 in Kraft und wurde zuletzt am 12. August 2021 verändert.

Außerdem dürfen die Sportverbände in Deutschland in ihren Satzungen  den Nationalen Anti-Doping-Code (NADC) von 2021 und den Standard für Dopingkontrollen und Ermittlungen (SfDE) vom 1. Januar 2021 zugrunde legen. § 3 der Präambel der Satzung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sind die Bestimmungen des World Anti Doping Codes (WADC) und des NADC anerkannt und Teil der Satzung. Als Mitglieder des DOSB müssen in den Sportverbänden somit diese Bestimmungen gelten.

Zweck der Anti-Doping-Regularien

Sowohl die nationalen, als auch die internationalen Vorschriften haben ihren Zweck gemeinsam. So stehen der Schutz der Gesundheit der Sportler, die Integrität des Wettbewerbs, die Fairness und die Chancengleichheit der Sportwettkämpfe im Mittelpunkt. Dieses Ziel ist ausdrücklich in § 1 des WADC genannt, woran sich alle nationalen Reglements orientieren.

Internationaler Einfluss

Nun stellt sich die Frage, inwiefern der WADC die Gesetzgebung der nationalen Verbände beeinflussen kann. Durch das Auftreten von mehr und mehr internationalen Wettbewerben bedarf es einer Abstimmung zwischen den nationalen Sportverbänden und den Staaten. Deswegen haben mehrere Staaten, darunter Deutschland und Frankreich, das Übereinkommen von Straßburg gegen Doping vom 16. November 1989 unterzeichnet. Diese Konvention ist jedoch seit dem Übereinkommen gegen Doping im Sport vom 1. Februar überholt. Seit dem Übereinkommen müssen sich die Staaten und nationalen Sportverbände an die Verfügungen des WADC anpassen. Somit wird das WADC als internationales Reglement verstärkt. Denn die World Anti Doping Agency (WADA) veröffentlicht jährlich eine Liste der verbotenen Stoffe und Dopingmethoden. Diese Liste wird durch die staatlichen Gesetze übernommen und aktualisiert (z.B. im ADG und in dem NADC in Deutschland).

Betroffene Sportler

Die deutschen und französischen Anti-Doping-Regularien gelten nicht für jede Person, sondern nur für Sportler. Wer Sportler ist, definiert das Gesetz. Zum Beispiel werden Sportler im Artikel L230-3 I. des französisches Code du Sport als:

"jede Person, die teilnimmt oder sich vorbereitet : 1° Entweder an einer Sportveranstaltung, die von einem zugelassenen Verband organisiert oder von einem delegierten Verband genehmigt wurde; 2° oder an einer Sportveranstaltung, bei der Geld- oder Sachpreise vergeben werden, auch wenn diese Veranstaltung nicht von einem zugelassenen oder von einem delegierten Verband organisiert wird ; 3° entweder an einer internationalen Sportveranstaltung oder an einer Sportveranstaltung, die in den Zuständigkeitsbereich einer Anti-Doping-Organisation fällt, die den Welt-Anti-Doping-Code unterzeichnet hat"

definiert. Im Gegensatz dazu gilt das deutsche ADG nur für Spitzensportler oder Spitzensportlerinnen, die im Art. 2.3.1 der SfDE definiert werden. Danach sind Internationale Spitzensportler oder Spitzensportlerinnen solche Sportler, die

„von dem jeweiligen Internationalen Sportverband als „International Athlete“ gemäß ISTI Art. 4.3 definiert werden; und/oder […] die in den Registered Testing Pool (RTP) eines internationalen Sportverbands aufgenommen sind.“. Somit sind die nationalen Spitzensportler oder Spitzensportlerinnen diejenige, die einem Bundeskader angehören, namentlich: Olympia- Perspektiv- oder Nachwuchskader; und/oder […] die in einen Testpool der NADA eingestuft sind.“

Prüfinstitutionen und ihre Rolle

Die betroffenen Sportler müssen sich an die Regeln der Prüfungsinstitutionen halten: bspw. die Agence Française de Lutte contre le Dopage (AFLD) in Frankreich und die Nationale Anti Doping Agentur Deutschland (NADA). Diese Institutionen bilden einen jährlichen Dopingkontrollplan (Art. L232-5 1° des französisches Code du Sport und Art. 2 des SfDE) und erlassen die grundlegenden Anti-Doping-Gesetze im Sport.

Die NADA hat die Möglichkeit zu ermitteln, wenn sie verdächtige Ergebnisse feststellt (Art. 10 des SfDE). Die AFLD und die NADA haben auch die Gelegenheit, „Zielgruppen“ zu bilden und diese somit einem „Testpool“ zuzuordnen. Dieser Begriff ist sehr wichtig im Rahmen des Kampfes gegen Doping und ist umstritten. Die Sportler, die einem Testpool angehören, sind zusätzlichen Einschränkungen unterworfen. Wenn sich ein Sportler in einem Testpool befindet, kann er "jederzeit und an jedem Ort zur Dopingkontrolle" aufgefordert werden, Art. 2.5.1 des SfDE. Die Kontrollen finden grundsätzlich zwischen 6 Uhr und 23 Uhr statt.

Ein Sportler wird einem Testpool zugeordnet, wenn er an eines der Kriterien des Art. 2.5.2 des SfDE erfüllt. Zum Beispiel, wenn der Sportler "ein Teil von Nationalmannschaften bei sportlichen Großveranstaltungen“ ist. Dieses Konzept findet sich auch im französischen Recht: Sportler können der Zielgruppe gehören, wenn sie auf einer Liste von Hochleistungssportlern registriert werden (Art. L232-15 des Code du Sport). Eine Zielgruppe ist in Frankreich eine Gruppe, die aus 250 oder 300 Sportlern bestehen.

Pflichten der Sportler im Testpool

In Frankreich und Deutschland haben die Sportler des Testpools ähnliche Pflichten. So haben sie eine Meldepflicht, die durch Art. L232-15 des Code du Sport und Art. 2.5.3 des SfDE in Verbindung mit Art. 5.3.2 des NADC konkretisiert wird, damit sie unangekündigten Kontrollen unterzogen werden können. Diese Pflicht bringt mit sich, dass die Sportler einen 60-minütigen Testzeitraum zwischen 6 Uhr und 23 Uhr an die zuständige Institution melden. Obwohl die Probeentnahmen regelmäßig einen Eingriff in die Intimsphäre darstellen, hat der europäische Gerichtshof für Menschenrechte geurteilt, dass der Eingriff in die Intimsphäre im Hinblick auf das Interesse für die Gesundheit der Sportler und die Integrität des Wettbewerbs gerechtfertigt ist. (EMRG, am 18.01.2018, n°48151/11 und n°77769/13).

Modalitäten der Prüfung

Im Rahmen ihre Dopingkontrollplans oder auf Antrag nationalen oder internationalen Organisation oder sogar der WADA können die AFLD oder die NADA eine Dopingkontrolle fordern. Diese Kontrolle kann am Trainingsort, am Veranstaltungsort oder in der Wohnung des Sportlers nach Art. L232-13-1 des Code du Sport stattfinden. In Deutschland sieht Art. 2 des SfDE vor, dass die Kontrollen jederzeit an jedem Ort stattfinden können. Meistens finden die Kontrollen allerdings zwischen 6 Uhr und 23 Uhr statt.

Prüfungsverfahren der Anti-Doping-Regularien

Es gibt verschiedene Arten von Dopingkontrollen: Urinprobe oder Blutprobe. Seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.07.2022 - Az. 2 BvR 1630/21 kann man die Zulässigkeit von Urinproben in der derzeitigen Form jedoch anzweifeln. Eine Kontrolle besteht aus drei Schritten: die Vorbereitung der Entnahme, die Entnahme selbst und Sicherung der Probe (Blutprobe oder Urinprobe). Dies ist gemäß Art. 5 des SfDE und Art. R232-49 des Code du Sport zu dokumentieren. ADG und Code du Sport übernehmen die Stoffe und die Dopingmethoden, die im WADAC und in der Übereinkommen gegen Doping im Sport vom 1. Februar 2007 zitiert werden, als Anlage zu §2 Abs. 3 des ADG und in einem Dekret vom 23. Dezember 2021 in Frankreich.

Strafen

Wichtig sind weiterhin die Strafen der Anti-Doping-Regularien. Einerseits drohen den Sportlern strafrechtliche Sanktionen. Anderseits können die nationalen oder internationalen Institutionen eine Verwaltungs- oder Disziplinarstrafe verhängen. Außerdem gibt es Strafvorschriften im Code du Sport selbst. Zum Beispiel drohen ein Jahr Freiheitstrafe und 3.750,00 € Geldstrafe für einen Sportler, der einen verbotenen Stoff besitzt (L232-26). Fünf Jahren Freiheitsstrafe und 75.000,00 € Geldstrafe drohen, wenn jemand einen verbotenen Stoff verschreibt oder produziert (L232-27). Ein Sportler, welcher des Dopings schuldig ist, riskiert eine Verwarnung, vorübergehendes oder endgültiges Verbot der Teilnahme an Sportveranstaltungen, bei denen Preise vergeben werden oder die auf hohem nationalen oder internationalen Niveau stattfinden und die von einer öffentlichen Person finanziert werden und Verbot der Ausübung von Tätigkeiten im Bereich der Sportbetreuung nach Art L232-23.

Diese Strafe können vorläufig nach Art. L232-23-4 des Code du Sport ausgesprochen werden. Die Sportverbände können als Disziplinarstrafen auch die Annullierung der individuellen Ergebnisse des Sportlers und möglicherweise die Ergebnisse der Mannschaft nach Art. L232-23-5 des Code du Sport verfügen. Das ADG droht sogar mit Freiheitsstrafe bis zu zwei, drei oder zehn Jahren – je nach Schweregrad der Taten. Zudem riskieren die Sportler eine Geldstrafe gemäß § 4 des ADG. Wenn die NADA zuständig ist, kann sie selbst Strafe verhängen. Dann riskieren die Sportler Sperren von drei Monaten bis lebenslange (Art. 10.3 des NADC), vorläufige oder optionale Suspendierung (Art. 7.4 des NADC) und sogar Annullierung des Einzelergebnisse und des Mannschaftergebnisse (Art. 11 des NADC).

Ausnahmen und Strafmilderung der Anti-Doping-Gesetze

Schließlich ist es interessant, welche Ausnahmen und Strafmilderungen die Anti-Doping-Regularien vorsehen. So heißt es in Art. L232-10 des Code du Sport, dass das Vorhandensein von verbotenen Stoffen in den Proben von Sportlern entschuldigt werden kann, wenn die Substanz für therapeutisches Zweck benutzt wurde und der behandelnde Arzt gutgläubig war. Der deutsche Gesetzgeber hingegen gewährt Strafmilderung und das Absehen von Strafe im Rahmen des § 49 StGB. Von den Sanktionen der NADA kann auch abgesehen werden, zum Beispiel wenn der Sportler unwissentlich ein kontaminiertes Produkt konsumiert hat (Art. 7.4.1 des NADC). Beispielweise hat die chinesische Athletin Zhang Wenxiu erfolgreich eingewendet, dass ihre positive Probe durch den Konsum von kontaminiertem Fleisch zustande kam.  Letztlich können sich NADA und Sportler einigen, um die Sperre zu reduzieren (Art 10.8.2 des NADC).

Schlussfolgerung

Der Vergleich der beiden „Nachbarsysteme“ zeigt, dass die Internationalisierung der Anti-Doping-Regularien bereits zu einer weitläufigen Harmonisierung geführt hat. Zwar sind die Quellen des Rechts und die Strafen in den verschiedenen Ländern unterschiedlich, die Zwecke und die Verfahren hingegen sind fast identisch. Die Harmonisierung trägt in hohem Umfang dazu bei, die Gleichheit im Sport zu fördern, da Sportler länderunabhängig in Bezug auf Doping gleich behandelt werden.

Mathilde Helfenstein, Nancy, Karlsruhe, Madrid

Mathilde Helfenstein – französische Rechtsstudentin – Karlsruhe im September 2022

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