Verkehrsrecht | 21.06.2019

Fahrradunfall bei falscher Radwegnutzung: Wer haftet wie?

Fahrradunfall bei falscher Radwegnutzung: Wer haftet wie?

Bei einem Fahrradunfall haftet der Fahrradfahrer zu 1/3 mit, wenn er den grundsätzlich vorfahrtsberechtigten Radweg in nicht freigegebener Richtung befährt und es zu einer Kollision mit einem Pkw kommt, der in die bevorrechtigte Straße einbiegt. 

Dies hat das OLG Hamm, Urteil vom 04.08.2017 – Az. I-9 U 173/16 – entschieden.

DER FALL:

Die Klägerin hatte einen Fahrradunfall erlitten.

Mit ihrem Fahrrad befuhr sie den grundsätzlich vorfahrtsberechtigten Radweg,allerdings in falscher bzw. nicht freigegebener Richtung.

Der Beklagte wollte in die übergeordnete Straße einbiegen, wobei er die Klägerin übersah.

Durch den Fahrradunfall erlitt die Klägerin materielle und immaterielle Schäden, die sie von dem Beklagten ersetzt verlangte.

Zu Recht?

DIE ENTSCHEIDUNG:

Zum Teil – das OLG sieht eine Mithaftung i. H. v. 1/3 der Klägerin für den Fahrradunfall.

1.

Der Beklagte habe gegen § 8 StVO verstoßen.

Die Klägerin habe eine vorfahrtsberechtigte Straße befahren, als es zum Fahrradunfall kam.

Sie habe das ihr grundsätzlich zustehende Vorfahrtsrecht gegenüber dem Beklagten nicht dadurch verloren, dass sie den kombinierten Geh- und Radweg entgegen der Fahrtrichtung befahren habe, obwohl dieser für eine solche Nutzung in beiden Richtungen nicht freigegeben war.

Ein Radfahrer behalte auch dann sein Vorfahrtsrecht gegenüber kreuzenden und einbiegenden Fahrzeugen, wenn er verbotswidrig den linken von zwei vorhandenen Radwegen benutze, der nicht gem. § 2 Abs. 4 S. 2 StVO für die Gegenrichtung freigegeben sei.

2.

Die Klägerin sei aber für den Fahrradunfall mitverantwortlich, denn sie habe gegen § 2 Abs. 4 S. 2 StVO verstoßen, was sie sich als anspruchsminderndes Mit- bzw. Eigenverschulden entgegenhalten lassen müsse.

Die Klägerin habe sich verbotswidrig auf dem Radweg befunden. Sie hätte den für ihre Fahrtrichtung nicht freigegebenen Geh- und Radweg richtigerweise nur noch ihr Rad schiebend als Fußgängerin benutzen dürfen.

Damit habe sie den sich aus § 25 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten unterlegen.

PRAXISHINWEIS:

Ein Verkehrsunfall, wie er in der Praxis – leider – häufig vorkommt. Die Unfallfolgen sind für den Fahrradfahrer meist schwerwiegend.

Zur Begründung seiner Entscheidung beruft sich der Senat auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Beschluss vom 15.07.1986 – 4 StR 192/86, deren Leitsatz wie folgt lautet:

Ein Radfahrer auf der Vorfahrtstraße hat auch dann die Vorfahrt gegenüber den aus einer untergeordneten Straße kreuzenden oder einbiegenden Fahrzeugen, wenn er entgegen § 2 Abs. 4 S. 2 StVO den in seiner Fahrtrichtung nicht freigegebenen linken von zwei vorhandenen Radwegen benutzt.

Dem steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 06.10.1981 – VI ZR 296/79 entgegen, deren Leitsatz wie folgt lautet:

Wer Einbahnstraßen und diesen zugeordnete Radwege in der gesperrten Richtung befährt, hat auch gegenüber aus untergeordneten Straßen einmündenden oder kreuzenden Verkehrsteilnehmern keine Vorfahrt.

In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mithin das Vorfahrtsrecht bei verkehrswidrigem Verhalten relativiert.

In der Tat stellt sich die Frage, ob ein Recht zur Vorfahrt nicht schon begrifflich ausgeschlossen ist, wenn es schon an einem Recht zum Fahren mangelt… – OLG Bremen, Urteil vom 11.02.1997 – 3 U 69/96.

Entscheidend sind stets die Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

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Ralf Schulze Steinen, Fachanwalt für Verkehrsrecht.

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