Mietrecht | 16.01.2015

Beschädigung der Mietsache: Vorherige Fristsetzung nötig?

Bei einer Beschädigung der Mietsache durch vertragswidrigen Gebrauch des Mieters ist für das Be- bzw. Entstehen diesbezüglicher Schadensersatzansprüche des Vermieters eine vorherige Fristsetzung nicht erforderlich.

 

Dies hat das LG Saarbrücken, Urteil vom 21.11.2014, Az. 10 S 60/14 entschieden.

Beschädigung der Mietsache - Der Fall:

In dem zu entscheidenden Fall stellte der klagende Vermieter im Zuge der Abwicklung des beendeten Mietverhältnisses fest, dass es aufgrund vertragswidrigen Gebrauchs des beklagten Mieters an zahlreichen Stellen zu einer Beschädigung der Mietsache gekommen war.

Ohne dem Mieter zuvor eine Frist zur Beseitigung der Schäden zu setzen begehrte der Vermieter sofort Schadensersatz wegen der Beschädigung der Mietsache und zwar in Form der zur Beseitigung der Schäden erforderlichen Kosten.

Der Mieter zahlte nicht. 

Er wendete vielmehr ein, er sei bereits mangels vorheriger Fristsetzung nicht zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.

Der Vermieter erhob deshalb Klage.

Zu Recht?

Ja – das LG Saarbrücken verurteilt den Mieter zur Zahlung von Schadensersatz wegen der Beschädigung der Mietsache infolge vertragswidrigen Gebrauchs.

Einer vorherigen Fristsetzung zur Beseitigung der Schäden habe es entgegen der Auffassung des Mieters nicht bedurft:

1.

Zwar habe die Kammer bislang in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass der Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen der Beschädigung der Mietsache durch den Mieter, also wegen Substanzverletzungen, als Schadensersatzanspruch statt der Leistung zu qualifizieren und seine Rechtsgrundlage in den §§ 281, 280 BGB zu finden sei.

Dem habe die Auffassung zugrunde gelegen, dass es die Vorschrift des § 546 BGB dem Mieter auferlege, dem Vermieter die Mietsache bei Beendigung des Mietverhältnisses in einem vertragsgemäßen Zustand zurückzugeben.

Ein vertragsgemäßer Zustand liege indessen dann nicht vor, wenn die Sachsubstanz Beschädigungen aufweise, die vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht mehr gedeckt seien.

Nach diesem Verständnis habe der Mieter mit der Substanzverletzung nicht nur die nach § 280 Abs. 1 BGB sanktionierte vertragliche Schutz- und Obhutspflichten verletzt, sondern zugleich seine vertragliche Leistungspflicht zur Rückgabe einer vertragsgemäßen Mietsache nicht erfüllt, weshalb es aus diesem Blickwinkel folgerichtig erschien, den aus der Nichterfüllung der Leistungspflicht resultierenden Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB herzuleiten.

In Konsequenz dieser Rechtsauffassung könne der Vermieter Schadensersatz wegen der Beschädigung der Mietsache nur dann verlangen, wenn er dem Mieter zuvor vergeblich eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt habe  oder eine Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich sei.

2.

An ihrer bisherigen Rechtsauffassung halte aber die Kammer aus folgenden Gründen nicht mehr fest, sondern erachte fortan im Falle der Beschädigung der Mietsache eine vorherige Fristsetzung des Vermieters für nicht nötig:

a.

Die Beschädigung der Mietsache verletze das Integritätsinteresse des Vermieters und unterfalle i.d.R. nur § 280 BGB.

Für diese Auffassung spreche zunächst, dass dem Vermieter zumindest bis zur Beendigung des Mietverhältnisses wegen der vertragswidrigen Beschädigung der Mietsache allein aus § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch zustehen könne, was einhelliger Rechtsauffassung entspreche.

Da der Rückgewähranspruch aus § 546 BGB während des Bestehens des Mietverhältnisses nicht fällig sei, scheide eine Herleitung des Schadensersatzanspruchs aus §§ 546, 281  BGB aus rechtskonstruktiven Gründen aus.

Es erschiene inkohärent, wenn dem Vermieter dieser Schadensersatzanspruch nach Beendigung des Mietverhältnisses zugunsten eines Beseitigungsanspruchs wieder genommen und der Anspruch erst nach fruchtlosem Fristablauf wieder aufleben würde.

b.

Darüber hinaus trete auf der Grundlage der bislang vertretenen Rechtsauffassung ein weiterer Wertungswiderspruch zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung hinzu:

Dem Vermieter stehe aufgrund der Beschädigung der Mietsache auch ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu, dessen Fälligkeit von einer Nachfristsetzung nicht abhänge.

c.

Schließlich habe der Bundesgerichtshof in jüngster Vergangenheit entschieden, dass  Anspruchsgrundlage für einen nach Beendigung des Mietverhältnisses geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen einer vom Vermieter beanstandeten farblichen Gestaltung der Mieträume durch den Mieter die Vorschrift des § 280 Abs. 1 BGB und die haftungsbegründende Pflichtverletzung darin zu sehen sei, dass der Mieter durch die farbliche Gestaltung der Mieträume im Einzelfall gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme nach §§ 241 Abs. 2, 242 BGB verstoßen könne, wenn er die in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem Zustand zurückgebe, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert werde.

Mit dieser Auffassung, die schon deshalb überzeuge, weil die Verletzung nicht leistungsbezogener Schutz- und Obhutspflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB nach einhelliger Rechtsauffassung eine anerkannte Fallgruppe der nach § 280 Abs. 1 BGB geschützten Vertragspflichten bilde, sei in den vorliegend zu beurteilenden Konstellationen eine Herleitung der Haftung aus §§ 281, 546 BGB nicht vereinbar.

Fazit:

Die Entscheidung des LG Saarbrücken überzeugt und ist dogmatisch gut begründet.

Es steht unseres Erachtens zu erwarten, dass sich die nunmehr durch das LG Saarbrücken vertretene Rechtsauffassung für den Fall der Beschädigung der Mietsache, also im Falle von Substanzverletzungen, auch anderenorts durchsetzen wird.

Bis das allerdings der Fall ist, sollte vermieterseits erwogen werden, fürsorglich auch im Falle der Beschädigung der Mietsache dem Mieter eine Frist zur Beseitigung der Schäden zu setzen.

Das ist der sicherste Weg – und Vorsicht:

Die Entscheidung darf nicht verallgemeinert und schon gar nicht ungeprüft auf sämtliche sonst denkbaren Varianten einer nicht vertragsgerechten Rückgabe der Mietsache durch den Mieter erstreckt werden.

Hat z. B. der Mieter vertraglich geschuldete Schönheitsreparaturen nicht ausgeführt oder gibt er  die Wohnung in einem nicht besenreinen Zustand zurück, so ist vor der Geltendmachung von Schadensersatz, etwa in Form der „Ersatzvornahmekosten“, eine vergebliche Fristsetzung durch den Vermieter grundsätzlich erforderlich.

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