Mietrecht | 25.04.2014

Mangelbeseitigung durch den Vermieter: Wann kann sie verweigert werden?

Ist die Mangelbeseitigung nur mit einem Aufwand zu erreichen, der die „Opfergrenze“ überschreitet, dann kann der Vermieter diese verweigern. Wann dies der Fall ist, ist eine Entscheidung des jeweiligen Einzelfalles unter Berücksichtigung der Interessen des Mieters und des Vermieters.

Dies hat der Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.01.2014, VIII ZR 135/13 entschieden.

In dem zu entscheidenden Fall hatte die beklagte Vermieterin auf dem Nachbargrundstück ein Haus errichtet, dass – unter Außerachtlassung von Grenzabständen – derart nah an das Mietobjekt gebaut war, dass es zu einer Verdunkelung von Küche und Bad der klagenden Mieterin kam.

Letztere verlangte Beseitigung dieses Mietmangels, namentlich Einhaltung des Mindest – Grenzabstands von 3 Metern. Die Vermieterin verweigerte dies mit der Begründung, die Mangelbeseitigung sei nur durch Abriss des neu errichteten Gebäudes möglich, wozu sie aber nicht verpflichtet werden könne.

Die Mieterin erhob Klage auf Mangelbeseitigung, die das Landgericht Berlin in 2. Instanz abwies.

Zu Recht?

Ja – der BGH bestätigt die Entscheidung des Landgerichts.

1.

Zwar stelle die nachträgliche Verdunkelung von Küche und Bad einen Mietmangel dar.

Die Beklagte sei jedoch nicht gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Mangelbeseitigung verpflichtet, da eine solche die sog. „Opfergrenze“ im vorliegenden Fall überschreiten würde.

Wann diese Zumutbarkeitsgrenze überschritten sei, müsse von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen wertend ermittelt werden. Es dürfe kein krasses Missverhältnis entstehen zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits. Danach lasse sich eine Überschreitung der „Opfergrenze“ nicht aus einer bloßen Gegenüberstellung zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert herleiten; erforderlich sei eine Würdigung aller Umstände.

Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen sei auch ein etwaiges Verschulden des Schuldners zu berücksichtigen.

Bestehe ein krasses Missverhältnis zwischen dem zur Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwand und dem Nutzen der Mangelbeseitigung für den Mieter, so sei das Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze indiziert. Im Extremfall könne dieses Indiz so stark sein, dass es schwer vorstellbar erscheine, welche weiteren Umstände zu einer anderen Abwägung sollten führen können.

2.

Im vorliegenden Fall könne dem Anspruch der Mieterin auf Mangelbeseitigung, namentlich auf Herstellung eines Mindestabstands von 3 Metern zwischen den beiden Gebäuden, durch die Vermieterin der Einwand aus § 275 Abs. 2 BGB mit Erfolg entgegengesetzt werden. Zwar sei zugunsten der Mieterin eine vorsätzlich mietvertragswidrige Errichtung des Neubaus durch die Vermietering zu unterstellen.

Der Erfolg der erstrebten Mangelbeseitigung stehe jedoch in keinem Verhältnis zum Aufwand der Mangelbeseitigung, der sich wegen des dafür erforderlich werdenden Teilabrisses des neu errichteten Gebäudes zumindest auf einen namhaften sechsstelligen Betrag belaufe. Zwischen dem Mangelbeseitigungsaufwand und dem Mangelbeseitigungserfolg bestehe daher ein krasses Missverhältnis, zumal von den Beeinträchtigungen nicht etwa zentrale Wohnräume, sondern allein Funktionsräume betroffen seien.

In die wertende Gesamtbetrachtung sei auch einzubeziehen, dass die Beklagte den Baufortschritt hingenommen habe, ohne die Klägerin auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.

Fazit:

1.

Der BGH „hilft“ der Vermieterin, deren Erleichterung mit Sicherheit immens gewesen ist.

Denn:

Wäre anders herum entschieden worden, hätte sie ihr neu errichtetes Gebäude (teilweise) wieder abreißen müssen.

2.

Dass die Gefahr des Teilabrisses bestand, zeigt das Urteil des Amtsgerichts Berlin – Tiergarten, das die Vermieterin in 1. Instanz zur Mangelbeseitigung verurteilt hatte.

Nach dessen Auffassung war die Mangelbeseitigung, also der Teilabriss des Gebäudes, insbesondere deshalb nicht unzumtbar, weil die Vermieterin die Mangellage ja selbst geschaffen hatte und § 275 Abs. 2 S. 3 BGB ausdrücklich bestimme, dass dies bei der vorzunehmenden Abwägung gegen den auf Unzumutbarkeit/Unmöglichkeit sich Berufenden zu berücksichtigen sei.

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Ralf Schulze Steinen, Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht.

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