Wohnungseigentumsrecht | 26.09.2014

Entlastung des Verwalters: Entlastungsbeschluss anfechtbar?

Die Entlastung des Verwalters widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn Schadensersatzansprüche gegen ihn aufgrund der Verletzung von Verwalterpflichten denkbar sind.

 

Dies hat das LG Berlin, Urteil vom 21.02.2014 – Az. 55 S 365/12 WEGentschieden.

Entlastung des Verwalters - In dem zu entscheidenden Fall wurden am Gemeinschaftseigentum verschiedene Bauarbeiten durchgeführt, deren Mangelhaftigkeit durch ein Seitens eines Wohnungseigentümers eingeholtes Privatgutachten bestätigt wurde.

Auf den diesbezüglichen Hinweis des Wohnungseigentümers und dessen Antrag, eine außerordentliche Wohnungseigentümerversammlung wegen der festgestellten Mängel einzuberufen, reagierte der Verwalter nicht.

In der ordentlichen Wohnungseigentümerversammlung wird die Entlastung des Verwalters beschlossen.

Hiergegen wendete sich die Anfechtungsklage desjenigen Wohnungseigentümers, der die Mangelhaftigkeit der Bauarbeiten feststellen ließ.

Zu Recht?

Ja – die Entlastung des Verwalters widerspricht nach Auffassung des LG Berlin den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.

1.

Die Entlastung des Verwalters stelle eine Möglichkeit für die Wohnungseigentümer dar, dem Verwalter ihr Vertrauen auszusprechen und die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen.

Aus diesem Grunde widerspriche ein Beschluss über die Entlastung des Verwalters erst dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn Ansprüche gegen ihn erkennbar in Betracht kommen.

Sei dies der Fall, sei eine Entlastung nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn aus besonderen Gründen Anlass bestehe, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten.

2.

In Anwendung dieser Grundsätze stehe einer Entlastung des Verwalters vorliegend entgegen, dass Ansprüche gegen ihn in Betracht kämen, die sein Handeln bzw. Unterlassen bezüglich der Baurabeiten am Gemeinschaftseigentum beträfen.

a.

Die Kläger hätten sich an  die Verwaltung gewandt und beanstandet, dass die Bauarbeiten mangelhaft erfolgt seien.

Hierauf sowie auf den Antrag, wegen der Baumängel eine außerordentliche Wohnungseigentümerversammlung einzuberufen, habe die Verwaltung nicht reagiert, sondern sei untätig geblieben.

Aus dieser Untätigkeit könnten sich Ersatzansprüche gegen die Verwaltung ergeben.

b.

Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG sei der Verwalter verpflichtet, die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergäben sich offensichtlich schwerwiegende Mängel der durchgeführten Bauarbeiten, bei deren (weiteren) Vorhandensein mit Schäden am Sonder- und Gemeinschaftseigentum zu rechnen sei.

Angesichts dieses Bauzustands hätte Veranlassung für die Verwaltung bestanden, in Erfüllung ihrer Pflichten nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG auf die Schreiben der Kläger einzugehen, den sachverständigen Rat eines Bauexperten und ggf. Kostenvoranschläge für eine Instandsetzung zur Vorbereitung einer Abstimmung in der Eigentümerversammlung einzuholen.

Bereits dieses Unterlassen der Untersuchung des von den Klägern gerügten Problems sei geeignet, den Vorwurf einer Pflichtverletzung zu begründen, ohne abschließend darüber befinden zu müssen, ob Schadensersatzansprüche tatsächlich bestehen.

Die beschlossene Entlastung des Verwalters sei daher für ungültig zu erklären.

Fazit:

Die Entlastung des Verwalters ist in der Regel Gegenstand jeder ordentlichen Wohnungseigentümerversammlung. Erfahrungsmäß wird sie meist ohne kritisches Hinterfragen routinemäßig erteilt.

Das ist brandgefährlich, denn:

Die (bestandskräftige) Entlastung des Verwalters hat für die Wohnungseigentümer weitrechende, negative Rechtsfolgen.

Die Entlastung des Verwalters stellt nämlich ein sog. negatives Schuldanerkenntnis dar, das einen Verzicht der Wohnungseigentümer auf Ansprüche aufgrund bekannter oder bei ordentlicher Prüfung erkennbarer Pflichtverletzungen des Verwalters beinhaltet.

D.h.:

Die Entlastung des Verwalters steht einer späteren Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen ihn entgegen, ebenso kann eine Abberufung des Verwalters nicht mehr auf die Pflichtverletzungen gestützt werden, die von dem Entlastungsbeschluss umfasst waren.

Es sollte deshalb genau geprüft werden, ob Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter in Betracht kommen.

Wenn ja, sollte die Entlastung des Verwalters nicht beschlossen werden.

Übrigens:

Auch wenn dies, insbesondere durch Verwalter,  mitunter anders kommuniziert wird:

Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Entlastung des Verwalters.

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