Verkehrsrecht | 06.08.2014

Keine Helmpflicht für Radfahrer – jedenfalls bis 2011!

Ein Radfahrer, der im Straßenverkehr bei einem Verkehrsunfall Kopfverletzungen erleidet, die durch das Tragen eines Schutzhelms zwar nicht verhindert, aber hätten gemildert werden können, muss sich jedenfalls bei Unfallereignissen bis zum Jahr 2011 grundsätzlich kein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn er zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles keinen Fahrradhelm trug.

Helmpflicht für Radfahrer - nicht bis 2011.

Dies hat der Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.06.2014 - VI ZR 281/13 entschieden.

Helmpflicht für Radfahrer - Der Fall

In dem zu entscheidenden Fall begehrte die klagende Radfahrerin Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 7. April 2011 ereignete.

Sie befuhr eine Straße, an deren rechten Fahrbahnrand die beklagte Autofahrerin ihren Pkw abgeparkt hatte. Letzere öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Klägerin die Fahrertür, die nicht mehr ausweichen konnte.

Die Klägerin, die keinen Fahrradhelm trug, prallte gegen die Tür, stürzte zu Boden und fiel auf den Hinterkopf.

Dabei erlitt sie schwere Schädel-Hirnverletzungen.

Wiewohl das alleinige Verschulden der beklagten Autofahrerin unstreitig war, lastete das OLG Schlweswig der Klägerin wegen des Nichttragens eines Fahrradhelms ein 20 % -tiges Mitverschulden an den erlittenen Schäden an.

Argument:

Die Klägerin habe die Helmpflicht für Radfahrer missachtet.

Zu Recht?

Nein – der BGH erkennt ein Mitverschulden der Klägerin wegen des Nichttragens eines Fahrradhelms nicht an.

1.

Zwar sei – nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen –  das Nichttragen eines Fahrradhelms ursächlich für das Ausmaß der von der Klägerin erlittenen Kopfverletzungen gewesen.

Denn ein Fahrradhelm hätte das bei dem Sturz erlittene Schädel – Hirn – Trauma zwar nicht verhindern können.

Ein  Fahrradhelm habe aber die Funktion einer Knautschzone, welche die stumpf einwirkenden Energien absorbiere. Die Kraft des Aufpralls werde auf eine größere Fläche verteilt und dadurch abgemildert.

Im vorliegenden Fall hätte ein Fahrradhelm die Verletzungsfolgen deshalb zumindest in einem gewissen Umfang verringern können.

2.

Die durch das Nichttragen eines Fahrradhelms begründete objektive Mitverursachung hinsichtlich des Ausmaßes der von der Klägerin erlittenen Verletzungen führe aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht zu einer Anspruchskürzung gemäß § 254 BGB.

a.

Ein Mitverschulden des Verletzten sei zwar bereits dann anzunehmen, wenn dieser diejenige Sorgfalt außer acht lasse, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflege.

Er müsse sich „verkehrsrichtig“ verhalten, was sich nicht nur durch die geschriebenen Regeln der Straßenverkehrsordnung bestimme, sondern durch die konkreten Umstände und Gefahren im Verkehr sowie nach dem, was den Verkehrsteilnehmern zumutbar sei, um diese Gefahr möglichst gering zu halten.

Danach würde es für eine Mithaftung der Klägerin ausreichen, wenn für Radfahrer das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit im Jahr 2011 nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich war.

b.

Der Verordnungsgesetzgeber habe aus verkehrspolitischen Erwägungen bislang bewusst davon abgesehen, eine Helmpflicht für Radfahrer einzuführen.

Auch ein allgemeines Verkehrsbewusstsein dahingehend, einen Fahrradhelm zu tragen, bestehe nicht.

Die Bundesregierung habe im Jahr 2012 auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Verkehrssicherheit im Radverkehr erklärt, dass die Freiwilligkeit des Tragens eines Fahrradhelms der Ansatz des gerade verabschiedeten Verkehrssicherheitsprogramms 2011 sei.

Die Einführung einer Helmpflicht für Radfahrer werde auch von der derzeitigen Bundesregierung bislang nicht verfolgt.

So heiße es im Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode zum Thema „Fahrradverkehr“ vielmehr, man wolle darauf hinwirken, dass deutlich mehr Fahrradfahrer einen Helm tragen.

Solche Aussagen und Empfehlungen mögen langfristig dazu beitragen, die Akzeptanz des Tragens von Fahrradhelmen zu erhöhen.

Einen Beleg für ein entsprechendes allgemeines Verkehrsbewusstsein im Jahr 2011 vermögen sie nicht zu liefern.

3.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei deshalb mit der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur daran festzuhalten, dass Schadensersatzansprüche eines Radfahrers, der im Straßenverkehr bei einem Verkehrsunfall Kopfverletzungen erlitten hat, die durch das Tragen eines Schutzhelms zwar nicht verhindert, wohl aber hätten gemildert werden können, jedenfalls bei Unfallereignissen bis zum Jahr 2011 grundsätzlich nicht wegen Mitverschuldens gemindert sind.

Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichtragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen könne, bedürfe vorliegend keiner Entscheidung.

Fazit:

Der BGH sieht  für Verkehrsunfälle bis 2011 von der Statuierung einer „Helmpflicht für Radfahrer durch die Rechtsprechung“ ab, eine gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer besteht (derzeit) ebenfalls nicht.

Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung ist dabei der Begriff des sog. verkehrsgerechten Verhaltens und damit einhergehend die Beantwortung der Frage, ob eine allgemeine Überzeugung bzw. ein allgemeines Verkehrsbewusstsein festgestellt werden kann, wonach es es für einen ordentlichen und gewissenhaften Fahrradfahrer in jedem Falle erforderlich ist, zum eigenen Schutz auf seinen Fahrten einen Schutzhelm zu tragen.

Zur Beantwortung dieser Frage können Umfrageergebnisse, Statistiken und amtliche oder nichtamtliche Erhebungen herangezogen werden.

Aufgrund der Tatsache, dass nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen  im Jahr 2011 über alle Altersgruppen hinweg innerorts (nur) 11 % der Fahrradfahrer einen Schutzhelm tragen, verneint der BGH ein allgemeines Verkehrsbewusstsein dahingehend, einen Fahrradhelm zu tragen.

Klar ist nach dieser Entscheidung aber auch, dass sich die Rechtsprechnung ändern wird, sobald sich eine allgemeine Überzeugung gebildet hat!

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