Verkehrsrecht | 02.04.2014

Sachverständigenkosten nach Unfall: BGH stärkt Rechte der Geschädigten

1. Die im Zuge der  Schätzung der Schadenshöhe entstandenen Sachverständigenkosten kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand i. S. v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB vom Schädiger ersetzt verlangt werden.

2. Auch bezüglich der Sachverständigenkosten gilt die sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung. Der Geschädigte darf sich damit begnügen, einen ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen;  er muss insbesondere keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben.

3. Nur dann, wenn der Sachverständige – für den Geschädigten erkennbar – eine Vergütung verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich überschreiten, muss ein günstigerer Sachverständiger beauftragt werden, anderenfalls ein Verst0ß gegen die Schadenminderungspflicht in Betracht kommt.

 

Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13 entschieden.

In dem zu entscheidenen Fall begehrte der klagende Unfallgeschädigte von der zu 100 % haftenden, beklagten Unfallgegnerin die Erstattung der ihm im Zuge der Schätzung der Schadenshöhe entstandenen Sachverständigenkosten.

Auf enstprechenden Einwand der Beklagten hin kürzte das Landgericht Darmstadt die dem Kläger tatsächlich entstandenen Kosten und wies dessen Klage im Übrigen ab.

Zu Recht?

Nein – der BGH hebt das Urteil des LG Darmstadt auf.

1.

Der Kläger habe einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen dürfen und könne von der Beklagten die ihm hierdurch entstandenen, objektiv erforderlichenSachverständigenkosten gemäß §§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand ersetzt verlangen.

a.

Als erforderlich seien diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde.

b.

Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen könne, so sei er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, was aber nicht bedeute, dass  vom Geschädigten zu verlangen sei, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte.

2.

Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs dürfe im Rahmen von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB  nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll.

a.

Deshalb sei bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten habe, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen.

b.

Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen dürfe sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er müsse zuvor keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben.

3.

Der Geschädigte genüge seiner Darlegungslast zur Höhe der Sachverständigenkosten regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen.

a.

Die tatsächliche Rechnungshöhe bilde bei der Schadensschätzung ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags, denn in ihr würden sich  die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig niederschlagen.

b.

Nur dann, wenn der Geschädigte hätte von vornherein erkennen können, dass der Sachverständige überhöhte Sachverständigenkosten ansetzt, wäre er zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit günstigeren Sachverständigenkosten verpflichtet gewesen. Derartiges ergebe sich im vorliegenden Fall aber nicht, weshalb  die geltend gemachte Sachverständigenvergütung nicht von vornherein aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens erforderlichen Geldbetrags falle.

4.

Dem Schädiger verbleibe jedoch die Möglichkeit darzulegen und  zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung verstoßen habe, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen habe, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte.

Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter abgerechneten Sachverständigenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreite, rechtfertigte die Annahme eines solchen Verstoßes entgegen der Auffassung des Landgerichts allerdings noch nicht.

Fazit:

Richtige und lesenswerte Entscheidung des Bundesgerichtshofs, aus der sich folgendes ergibt:

1.

Grundsätzlich darf der Geschädigte einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Schäden beauftragen.

Ausnahmen sind hiervon u. a.  dann zu machen, wenn es sich offensichtlich und erkennbar um einen sog. Bagatellschaden oder einen mangels hinreichender Qualifikation ungeeigneten Sachverständigen handelt.

2.

Die dem Geschädigten durch die Beauftragung des Sachverständigen entstehenden Sachverständigenkosten sind grundsätzlich vom Schädiger zu ersetzen.

3.

Auch in Zusammenhang mit der Beauftragung eines Sachverständigen gilt der Grundsatz der subjektiven Schadensbetrachtung, d. h. der Geschädigte darf einen für ihn ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen beauftragen, er muss keine Marktforschung betreiben oder mehrere Angebote einholen.

Mehr zum Thema „Verkehrsrecht“ finden Sie hier. Im Übrigen sprechen Sie bitte unseren Partner Rechtsanwalt Ralf Schulze Steinen
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