Wohnungseigentumsrecht | 23.09.2015

Zweckwidrige Nutzung: Gaststättenbetrieb in einem „Laden“?

Die Zweckbestimmung „Ladengeschäft“ in der Teilungserklärung deckt nicht den Betrieb einer Gaststätte, sondern stellt eine zweckwidrige Nutzung dar, die zu unterlassen ist.

 

Dies hat der Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2015, Az. V ZR 169/14 entschieden.

Der Fall:

In dem zu entscheidenden Fall nutzte der beklagte Teileigentümer seine in der Teilungserklärung als „Ladengeschäft“ bezeichnete Teileigentumseinheit zum Betrieb einer Gaststätte, die bis in die frühen Morgenstunden geöffnet war.

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft war hiermit nicht einverstanden und sah hierin eine zweckwidrige Nutzung, weshalb sie klagweise (teilweise) Einstellung des Gaststättenbetriebs verlangte.

Zu Recht?

Ja – der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat bejaht eine zweckwidrige Nutzung und verurteilt den beklagten Teileigentümer antragsgemäß.

1.

Die Regelung in der Teilungserklärung, wonach die Teileigentumseinheit als „Ladenraum“ diene, sei als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter anzusehen.

Deren Nutzung als Gaststätte sei hiervon nicht gedeckt, sondern stelle vielmehr eine zweckwidrige Nutzung dar,  weshalb Unterlassungsansprüche der übrigen Wohnungseigentümer sowohl aus § 1004 Abs. 1 BGB, als auch aus § 15 Abs. 3 WEG bestünden.

a.

Die Auslegung der Teilungserklärung könne der Senat als Revisionsgericht selbst vornehmen.

Aufgrund der Eintragung in das Grundbuch sei – wie bei der Auslegung von Grundbucheintragungen allgemein – auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergebe.

Umstände außerhalb der Eintragung könnten nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar seien.

b.

Daran gemessen würden unter einem „Ladenraum“ Geschäftsräume verstanden, in denen ständig Waren zum Verkauf dargeboten würden, bei denen aber der Charakter einer (bloßen) Verkaufsstätte im Vordergrund steht.

Den Betrieb einer Gaststätte umfasse dies daher regelmäßig nicht.

2.

Allerdings könne sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene – und damit unzulässige – Nutzung ausnahmsweise dann als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr störe als die vorgesehene Nutzung.

Entscheidend sei dabei, dass eine solche anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtige, das bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck typischerweise zu erwarten sei.

Hiervon könne für den Nutzungszeitraum ab ein Uhr nachts schon deshalb keine Rede sein, weil die Wohnanlage der Parteien im Saarland belegen ist und Läden dort – anders als Gaststätten – zur Nachtzeit geschlossen sein müssen.

Fazit:

Die zweckwidrige Nutzung von Wohn- bzw. Teileigentum beschäftigt die Gerichte in der Praxis regelmäßig – und zwar seit Jahrzehnten.

Folge ist, dass es eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Einzelfallentscheidungen zu dieser Frage gibt.

Dabei kann man sich grundsätzlich folgendes merken:

1.

Sowohl die Bezeichnung einer Einheit als „Wohnung“ oder „Wohnungseigentum“, als auch die Bezeichnung als „Teileigentum“ in der Teilungserklärung stellt eine sog. Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter dar.

Häufig liest man in diesem Zusammenhang auch den Begriff der „Zweckbestimmung im weiteren Sinne“.

Eine Wohnung darf grundsätzlich nur zu Wohnzwecken, eine Teileigentumseinheit zu allen anderen erlaubte Zwecken, die nicht „Wohnen“ sind, genutzt werden.

2.

Neben der Zweckbestimmung im weiteren Sinne trifft man bei Teileigentumseinheiten in der Praxis regelmäßig zusätzlich auf „Zweckbestimmungen im engeren Sinne“.

Eine solche liegt z.B. vor, wenn eine Teileigentumseinheit in der Teilungserklärung zusätzlich als „Laden“, „Hobbyraum“, „Speicher“ oder „Gaststätte“ bezeichnet ist.

Derartige (engere) Zweckbestimmungen schränken den zulässigen Gebrauch der Teileigentumseinheit weiter ein.

3.

Eine zweckwidrige Nutzung ist unzulässig. Sie ist vereinbarungswidrig und deshalb zu unterlassen.

Allerdings gibt es eine Ausnahme:

Eine zweckwidrige Nutzung ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn sie nicht mehr stört, als die zweckbestimmungsgemäße Nutzung.

Ob dies der Fall ist, ist durch eine objektive, generalisierende bzw. typisierende Betrachtungsweise zu ermitteln, ohne dass es dabei auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen konkreter Störungen in dem zu entscheidenden Fall ankäme – jedenfalls grundsätzlich.

D.h.:

Zweckwidrige und zweckbestimmungsgemäße Nutzung sowie die sich hieraus allgemein ergebenden Störungspotentiale sind gegenüberzustellen.

Sind diese identisch, kann eine zweckwidrige Nutzung ausnahmsweise zulässig sein.

So hat die Rechtsprechung bspw. den Betrieb einer kleinen Rechtsanwaltskanzlei (Einzelkanzlei) in einer Wohnung als zulässig anerkannt. Eine schematische Lösung gibt es aber nicht.

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