Wohnungseigentumsrecht | 28.08.2015

Zweckwidrige Nutzung einer Eigentumswohnung grundsätzlich unzulässig!

Die zweckwidrige Nutzung einer Eigentumswohnung, z.B. zum Zwecke der Berufsausübung, ist grundsätzlich unzulässig.

Nur ganz ausnahmsweise gilt etwas anderes, namentlich dann, wenn die unzulässige Nutzung bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die Nutzung als Wohnung.

Dies hat das LG München I, Urteil vom 26.01.2015, 1 S 9962/14 WEG entschieden.

Der Fall:

In dem zu entscheidenden Fall ging die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gegen die zweckwidrige Nutzung der 2,5-Zimmer-Wohnung einer Miteigentümerin vor, die darin eine Heilpraktikerpraxis betrieb.

Letztere argumentierte u.a. dahingehend, dass die Nutzung ihrer Wohnung als Heilpraktikerpraxis nicht mehr störe, als jene zum eigentlichen (Wohn-) Zweck.

Denn sie empfange täglich nicht mehr als 5 oder 6 sechs Patienten.

Ein derartiger Publikumsverkehr entstehe auch bei einer Wohnnutzung, namentlich wenn sie Verwandte, Freunde oder Bekannte empfange.

Das Amtsgericht teilte die Auffassung der Beklagten und wies die Unterlassungsklage der WEG ab.

Zu Recht?

Nein – das LG München I ändert das erstinstanzliche Urteil ab und verurteilt die beklagte Miteigentümerin dazu, die zweckwidrige Nutzung ihrer Wohnung zu unterlassen.

Denn:

Die zweckwidrige Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung durch die Beklagte als Heilpraktiker- bzw. Naturheilpraxis rechtfertige bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise die Annahme, dass die Nutzung über eine solche zu Wohnzwecken hinausgehe.

Die begründe für die anderen Wohnungseigentümer Nachteile, die über die mit einer zulässigen Wohnnutzung einhergehenden Nachteile hinausgehen und die von ihnen auch nicht gemäß § 14 Nr. 1 WEG im Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens in der Wohnanlage hinzunehmen seien.

1.

Zwar sei richtig, dass bei der typisierenden Betrachtungsweise auch die konkreten Umstände des Einzelfalls für die Beurteilung, ob eine Mehrbelastung vorliege, nicht gänzlich außer Betracht zu bleiben hätten.

Vielmehr sei der konkrete Gebrauch nach seiner Art und der damit verbundenen Folgen, z.B. die zu erwartende Besucherfrequenz einer Arztpraxis, zu konkretisieren und auf die zeitlichen / Verhältnisse zu beziehen.

Denn es liege auf der Hand, dass die Frage der Mehrbeeinträchtigung nicht darauf reduziert werden könne, ob eine Praxis generell mehr störe als eine Wohnnutzung, sondern durchaus davon abhängig sei, welche Art von Praxis in den Räumlichkeiten betrieben werde und welchen Zuschnitt diese aufweise.

Abzustellen sei hierbei auf den konkreten Zuschnitt der Praxis – insbesondere, ob diese als Einzel- oder Gemeinschaftspraxis und als Bestellpraxis betrieben werde -, den Umfang des Patientenverkehrs, auf die Sprechstundenzeiten und die jeweiligen örtlichen Verhältnisse.

2.

Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze sei die Kammer der Auffassung, dass die zweckwidrige Nutzung einer 2,5-Zimmer-Wohnung zum Betrieb einer Heilpraktiker- bzw. Naturheilpraxis typischerweise mehr störe als eine reine Wohnnutzung der Einheit.

a.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts komme es nicht darauf an, ob ein Wohnungseigentümer das Recht hätte in seinem Wohnungseigentum täglich bis zu fünf Besucher zu empfangen, sondern ob ein derart ausgeprägter Besucherverkehr mit wechselnden und ggfs. erkrankten Personen als typisch für eine Wohnnutzung einer 2,5-Zimmer-Wohnung angesehen werden könne.

Dies sei nach Auffassung der Kammer gerade nicht der Fall.

Die hierdurch verursachten Störungen würden im vorliegenden Fall das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete Maß übersteigen.

Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Wohnungseigentumsgemeinschaft um keine große Anlage handle und insbesondere das Gebäude, in welchem die der Beklagten liege, lediglich 16 Einheiten beinhalte.

So könne etwa die Frage der Besucherfrequenz nicht abstrakt, sondern nur unter Bezugnahme auf den konkreten Zuschnitt der jeweiligen Wohnanlage beantwortet werden.

In einer kleinen Wohnanlage mit vielleicht 10 Wohneinheiten falle ein Patientenaufkommen von fünf Personen am Tag mehr ins Gewicht als in einem Wohnhaus mit 100 Wohnungen, welches ohnehin eine größere Besucherfrequenz mit entsprechender Beanspruchung des Treppenhauses etc. aufweise.

b.

Die Berücksichtigung des Zuschnitts der konkret vorgenommenen Nutzung bedeute zudem nicht, dass die Betrachtung alleine an Hand der zum gegenwärtigen Zeitpunkt festzustellenden Gegebenheiten hinsichtlich der Öffnungszeiten und der Besucherfrequenz zu erfolgen habe.

Es gehe allein um eine Berücksichtigung des generellen Zuschnitts des Betriebs im Rahmen der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise. Allein der Umstand, dass gegenwärtig nur an vier Werktagen eine bestimmte Anzahl von Patienten empfangen würden, bedeute nicht, dass die Praxis ihrer Art nach hierauf zugeschnitten sei. Die Anwendung der typisierenden Betrachtungsweise sei ja nach der Rechtsprechung gerade deshalb gerechtfertigt, weil die Regelungen einer Teilungserklärung abstrakt seien und nicht auf einen konkreten Betrieb abstellen – und hierauf meist auch nicht abstellen können.

Hierdurch werde auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es den übrigen Wohnungseigentümern nicht zumutbar sei, im Einzelfall das Feststellungsrisiko dafür zu tragen, dass von dem konkreten Geschäftsbetrieb Einwirkungen ausgehen, die lästiger sind als diejenigen, die bei einer vereinbarungsgemäßen Nutzung entstehen würden.

In die Betrachtung einzubeziehen sei daher, welche Beeinträchtigungen typischerweise mit einer Nutzung als Heilpraktiker- bzw. Naturheilpraxis verbunden seien.

Dabei sei – etwa hinsichtlich der Besucherfrequenz – nicht von starren Werten auszugehen, sondern es werde sich jeweils eine gewisse Bandbreite der Störungsintensität ergeben, welche als typisch anzusehen sei. Es könne daher nicht allein der gegenwärtige Umfang der ausgeübten Tätigkeit betrachtet werden. So sei insbesondere nicht ersichtlich, warum die Tätigkeit der Beklagten nicht auf mehr Tage als bisher oder mehr Patienten am Tag ausgeweitet werden könne, ohne dass hierdurch der übliche Rahmen einer Heilpraktiker- oder Naturheilpraxis überschritten werden würde.

Fazit:

Zu der Frage, ob die zweckwidrige Nutzung einer Wohnung, etwa als Arzt- oder Rechtsanwaltspraxis, zulässig ist oder nicht, existiert eine Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen.

Das LG München I kommt im vorliegenden Fall mit ausführlicher Begründung zu einem sehr gut vertretbaren Ergebnis.

Man kann sich folgende Grundsätze merken:

1.

Die zweckwidrige Nutzung einer Wohnung zu anderen, insbesondere zu beruflichen Zwecken, ist grundsätzlich unzulässig. 

Nur dann, wenn die zweckwidrige Nutzung nicht mehr stört, als die zweckmäßige Nutzung, kann sich ausnahmsweise anderes ergeben.

Das ist eine im jeweiligen Einzelfall zu treffende Entscheidung.

2.

Bei der Frage nach der Zulässigkeit einer bestimmten (zweckwidrigen) Nutzung ist in erster Linie auf eine typisierende, d. h. verallgemeinernde Betrachtungsweise und nicht auf die konkrete Ausübung der jeweiligen Nutzungsart abzustellen.

Die Anwendung der typisierenden Betrachtungsweise ist deshalb gerechtfertigt, weil die Regelungen einer Teilungserklärung, in der der Zweck der jeweiligen Einheit im Wege einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter festgelegt wird, abstrakt sind und nicht auf einen konkreten Betrieb abstellen und hierauf meist auch nicht abstellen können.

3.

Erst in zweiter Linie ist der konkrete Gebrauch nach seiner Art und der damit verbundenen Folgen, z. B. die zu erwartende Besucherfrequenz einer Arztpraxis, zu konkretisieren und auf die zeitlichen/örtlichen Verhältnisse zu beziehen. Dabei ist insbesondere auch die Eigenart der Wohnungseigentumsanlage zu berücksichtigen, z.B. deren Größe, Lage und das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von gewerblich/beruflich genutzten Teileigentumseinheiten.

Noch Fragen?

Antworten gibt Ihnen unser u.a. auf das Wohnungseigentumsrecht spezialisierter Partner

Ralf Schulze Steinen, Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht.

Ihre Nachricht

Ihre Nachricht wurde gesendet. Vielen Dank!

Sie erreichen und auch telefonisch unter +49 721 / 943114-0.

Bitte beachten Sie folgendes: Durch die Zusendung einer E-Mail kommt noch kein Mandatsverhältnis zustande. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir ohne vorherige Vereinbarung keine Rechtsberatung per E-Mail erteilen können und keine fristgebundenen und Frist wahrenden Erklärungen entgegennehmen. Die Datenübertragung per Internet ist risikobehaftet. Dies sollten Sie insbesondere bei der Übersendung vertraulicher Informationen bedenken. Sollten wir eine E-Mail erhalten, gehen wir davon aus, dass wir zu deren Beantwortung per E-Mail berechtigt sind.