Arbeitsrecht | 18.07.2025
Schaden am Zaun, Kosten für den Chef? Was Arbeitgeber über Arbeitnehmerhaftung und Ausschlussfristen wissen müssen
Als Arbeitgeber tragen Sie eine große Verantwortung für Ihr Unternehmen und Ihre Mitarbeiter. Manchmal kommt es jedoch zu Situationen, in denen Mitarbeiter Schäden verursachen – sei es durch Unachtsamkeit, grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz. Die Frage, wer in solchen Fällen für den Schaden aufkommt, ist komplex und gehört zu den Kernfragen der Arbeitnehmerhaftung. Hinzu kommen Fallstricke bei Ausschlussfristen, die dazu führen können, dass berechtigte Schadensersatzansprüche nicht mehr durchsetzbar sind.
Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (Az. 10 Sa 694/24) beleuchtet genau diese Themen und bietet wichtige Erkenntnisse für Sie als Arbeitgeber. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht in Karlsruhe erläutere ich die Details.
Der Fall: Beschädigter Zaun und unzulässiger Lohnabzug
Im Kern des Rechtsstreits stand ein Arbeitnehmer, dem sein Arbeitgeber vorgeworfen hatte, mit einer Schubkarre einen Zaun beschädigt zu haben. Der Arbeitgeber war der Meinung, der Schaden sei vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden, und zog den entstandenen Betrag kurzerhand vom Lohn des Arbeitnehmers ab. Der Arbeitnehmer klagte auf die Auszahlung des vollen Lohns.
Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht, und das Landesarbeitsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Begründung des Gerichts ist dabei für Arbeitgeber von immenser Bedeutung.
Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsrecht: Wann zahlt der Mitarbeiter?
Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht, dass ein Arbeitnehmer nicht für jeden im Betrieb verursachten Schaden haftet. Hier greifen die sogenannten Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung, die das Gericht in seinen Leitsätzen zusammenfasst:
- Leichte Fahrlässigkeit: Verursacht ein Arbeitnehmer einen Schaden bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit (also im Rahmen seiner Arbeit) durch leichte Fahrlässigkeit, haftet er nicht. Die Kosten trägt der Arbeitgeber. Das ist Ihr typisches Betriebsrisiko.
- Mittlere Fahrlässigkeit: Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden in der Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt. Hier kommt es auf eine Abwägung der Umstände im Einzelfall an (z.B. Schadenshöhe, Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, Stellung des Arbeitnehmers, Gehalt, Dauer der Betriebszugehörigkeit).
- Grobe Fahrlässigkeit: Bei grober Fahrlässigkeit muss der Arbeitnehmer den gesamten Schaden tragen. Doch Achtung: Auch hier können im Einzelfall Haftungserleichterungen möglich sein, wenn die Umstände dies rechtfertigen.
- Vorsatz: Hat der Arbeitnehmer den Schaden vorsätzlich herbeigeführt, muss er den gesamten Schaden ersetzen.
Was bedeutet das für Sie als Arbeitgeber in Karlsruhe? Der Knackpunkt im vorliegenden Fall war die Darlegungs- und Beweislast. Das Gericht machte deutlich: Es ist der Arbeitgeber, der beweisen muss, dass der Arbeitnehmer seine Pflichten verletzt und den Schaden in einem bestimmten Verschuldensgrad verursacht hat. Im Fall des beschädigten Zauns konnte der Arbeitgeber nicht ausreichend darlegen, wie der Schaden entstanden ist, um eine grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz zu beweisen. Eine pauschale Behauptung reichte dem Gericht nicht aus.
Ausschlussfristen und Lohnabrechnungen: Eine heikle Kombination
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils betrifft die Ausschlussfristen, die oft in Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen vorgesehen sind. Solche Fristen sollen Rechtssicherheit schaffen, indem sie festlegen, bis wann Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Verstreicht die Frist ungenutzt, erlischt der Anspruch.
Im vorliegenden Fall berief sich der Arbeitgeber darauf, dass der Arbeitnehmer seine Lohnansprüche nicht innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht habe. Das Gericht wies dies jedoch zurück – und das aus einem für Arbeitgeber kritischen Grund:
Das Landesarbeitsgericht stellte klar, dass eine vorbehaltlos ausgewiesene Lohnforderung in einer schriftlichen Lohnabrechnung zunächst als "streitlos gestellt" gilt. Der Arbeitnehmer muss diese Forderung dann nicht noch einmal gesondert zur Wahrung einer Ausschlussfrist schriftlich geltend machen. Der Zweck der Ausschlussfrist – den Schuldner auf bestehende Ansprüche hinzuweisen und Klarheit zu schaffen – ist durch die Lohnabrechnung bereits erfüllt.
Die Kernaussage für Sie als Arbeitgeber: Wenn Sie eine Lohnabrechnung erstellen, die einen bestimmten Betrag ausweist, können Sie sich später nicht einfach auf eine Ausschlussfrist berufen, wenn Sie diesen Betrag – aus welchen Gründen auch immer – nicht oder nicht vollständig auszahlen. Selbst wenn Sie die Forderung später bestreiten, lebt die Obliegenheit des Arbeitnehmers zur Geltendmachung nicht wieder auf, wenn die Abrechnung zuvor vorbehaltlos war. Das Gericht betonte, dass der "tatsächliche Einbehalt" der Beträge keinen konkludenten Vorbehalt darstellt. Auch vage mündliche Hinweise reichen nicht aus.
Handlungsempfehlungen vom Fachanwalt für Arbeitsrecht zum Thema Arbeitnahmerhaftung
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen ist eine wichtige Mahnung für alle Arbeitgeber in Karlsruhe und darüber hinaus:
- Dokumentation ist bei möglicher Arbeitnehmerhaftung alles: Wenn Sie einem Arbeitnehmer einen Schaden vorwerfen, dokumentieren Sie den Hergang so präzise wie möglich. Sammeln Sie Beweise, schildern Sie detailliert die Umstände, die zu einem bestimmten Verschuldensgrad führen sollen. Nur so können Sie Ihrer Beweislast nachkommen.
- Vorsicht bei Lohnabzügen: Seien Sie extrem zurückhaltend mit eigenmächtigen Lohnabzügen. Ohne eine klare rechtliche Grundlage (z. B. anerkannter Schadensersatzanspruch, wirksame Aufrechnung) oder eine einvernehmliche Regelung mit dem Arbeitnehmer, laufen Sie Gefahr, sich schadensersatzpflichtig zu machen und Lohnklagen zu riskieren.
- Lohnabrechnungen sind bindend: Jede von Ihnen erstellte Lohnabrechnung sollte die Realität widerspiegeln. Wenn Sie beabsichtigen, Abzüge vorzunehmen oder Forderungen nicht zu erfüllen, muss dies klar und deutlich vorbehalten werden, am besten schriftlich und nachweisbar. Eine nachträgliche Bestreitung von vorbehaltlos ausgewiesenen Forderungen ist arbeitsrechtlich riskant.
Die Komplexität von Arbeitnehmerhaftung und Ausschlussfristen erfordert eine genaue Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen. Als Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht in Karlsruhe stehe ich Ihnen gerne zur Seite, um Sie präventiv zu beraten oder im Streitfall Ihre Interessen zu vertreten. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, um Fallstricke zu vermeiden und rechtliche Sicherheit für Ihr Unternehmen zu schaffen.