Arbeitsrecht | 21.09.2018

Ausschlussfrist und Mindestlohn

Das Bundesarbeitsgericht hat vor wenigen Tagen eine lang erwartete Entscheidung getroffen. Wie verhalten sich eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist und Mindestlohn zueinander? Wer die höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Thema in den letzten Jahren verfolgt hat, den überrascht das Urteil nicht. Wir erläutern, worum es geht:

Ausschlussfrist und Mindestlohn, das ist ein heißes Thema in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte der letzten Jahre gewesen. In vielen Fällen haben die Richter arbeitnehmerfreundlich entschieden.

Was heißt Mindestlohn?

Die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns ist wohl der Erfolg der SPD aus der vergangenen Legislaturperiode. Seit 1. Januar 2015 gibt es eine Lohnuntergrenze, deren Einhaltung das Mindestlohngesetz (MiLoG) sichert. Sie liegt derzeit bei € 9,35 und wird ab 1. Januar 2021 voraussichtlich € 9,50 betragen. Das jedenfalls hat die Mindestlohnkommission am 30. Juni 2020 beschlossen. Arbeitsverträge, die diese Untergrenze nicht einhalten, sind gemäß § 3 Satz 1 MiLoG (nur) im Hinblick auf den vereinbarten Lohn unwirksam:

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.

Was sind Ausschlussfristen?

Ausschlussfristen sind Fristen, nach deren Ablauf einmal entstandene Ansprüche erlöschen. Sie sind im Arbeitsrecht sehr verbreitet und finden sich in fast allen Tarifverträgen. Aber auch die meisten vorformulierten Arbeitsverträge, die Arbeitgeber verwenden, haben solche Fristen zum Inhalt. Dann kann es zu Widersprüchen zwischen Ausschlussfrist und Mindestlohn kommen, denn da der Arbeitnehmer gemäß § 614 BGB zur Vorleistung verpflichtet ist, treffen die Wirkungen solcher vertraglichen Vereinbarungen in der Regel nur den Arbeitnehmer. Sie können nach Ablauf der Fristen Ihre Ansprüche auf Zahlung von Lohn, Urlaubsabgeltung etc. nicht mehr geltend machen. In der Regel sind Ausschlussfristen zweistufig angelegt: In einer ersten Stufe obliegt es dem Arbeitnehmer binnen einer bestimmten Frist seinen Anspruch schriftlich geltend zu machen. Wenn das keinen Erfolg hat, ist er gehalten, binnen einer weiteren Frist seinen Anspruch einzuklagen. Eine der bekanntesten arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen enthält § 14 Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe:

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden; … . Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Vorgeschichte: Arbeitsvertragliche Ausschlussfrist und Mindestlohn in der Pflege

Eine mit § 3 MiLoG vergleichbare Regelung gab es im Bereich der Pflege bereits vor der Geltung des Mindestlohngesetzes. Auf Grundlage von § 11 ArbEntG wurde die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) erlassen. Darin waren ein Mindestentgelt sowie eine dafür geltende Ausschlussfrist von zwölf Monaten vorgeschrieben. Am 24. August 2016 hatte das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden, ob folgende vertragliche Regelung wirksam ist:

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Dies gilt auch für Ansprüche, die während des bestehenden Arbeitsverhältnisses entstehen. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Im Ergebnis wurde die Klausel für unwirksam befunden, weil sie nicht dem Transparenzgebot des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB entspricht. Die Formulierung suggeriere dem Arbeitnehmer nämlich, dass sämtliche Ansprüche verfielen, wenn er die vertraglichen Ausschlussfristen nicht beachtet. Dies sei in Wahrheit nicht der Fall, weil von der zwölfmonatigen Ausschlussfrist nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden durfte. Die durch das MiLoG verfielen trotz dieser Klausel auf keinen Fall. Durch diese intransparente Formulierung werde der Arbeitnehmer unter Umständen davon abgehalten, seine berechtigten Ansprüche geltend zu machen.

Die aktuelle Entscheidung: Arbeitsvertragliche Ausschlussfrist und Mindestlohn im Allgemeinen

Die Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2016 war ein Fingerzeig. Sicher war damit die Antwort auf die Fragestellung „arbeitsvertragliche Ausschlussfrist und Mindestlohn“ jedoch keineswegs. Mit der Entscheidung vom 18. September 2018 – 9 AZR 162/18 sind diese Unsicherheiten für Verträge, die nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurden, nun beseitigt. Eine Ausschlussfrist, die die Ansprüche, die das Mindestlohngesetz sichert, nicht ausdrücklich ausnimmt, ist unverständlich und damit unwirksam. Arbeitgeber sollten prüfen, ob die von ihnen verwendeten Vertragsformulare diesen Ansprüchen genügen. Arbeitnehmer sollten sich fachkundig beraten lassen, bevor sie wegen eines Hinweises des Arbeitgebers auf eine vertragliche Ausschlussfrist auf die Geltendmachung von Ansprüchen verzichten.

Ausblick: Arbeitsvertragliche Ausschlussfrist und Mindestlohn in Altverträgen

Keine Prognose kann derzeit gewagt werden, wie das BAG das Problem Ausschlussfrist und Mindestlohn in Verträgen bewertet, die vor der Einführung des Mindestlohns geschlossen wurden. Früher oder später wird es darüber sicher zu entscheiden haben; wir werden Sie informieren.

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