Arbeitsrecht | 13.05.2022
Kündigung ohne Abmahnung bei falscher Impfunfähigkeitsbescheinigung wirksam
Eine Krankenschwester aus Lübeck hat mit einer falschen Impfunfähigkeitsbescheinigung ihrem Arbeitgeber einen Grund für eine Kündigung ohne Abmahnung gegeben. Nur weil sie schon viele Jahre in dem fraglichen Krankenhaus beschäftigt gewesen ist, entging sie einer fristlosen Kündigung.
Außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist
Die Krankenschwester hatte eigentlich einen sicheren Job. Weil Sie schon sehr lange in dem Krankenhaus beschäftigt gewesen ist, war Sie auf Grund eines Tarifvertrags eigentlich unkündbar. Diese tarifvertragliche Unkündbarkeit gilt aber immer nur für ordentliche Kündigungen. Außerordentliche Kündigungen sind hingegen auch bei tariflicher Unkündbarkeit möglich und im Regelfall ist eine außerordentliche Kündigung auch eine fristlose Kündigung. Ausnahmsweise billigt die Rechtsprechung Arbeitnehmern aber zu, dass sie noch bis zum Ende einer (fiktiven) Kündigungsfrist beschäftigt werden. Man spricht dann von einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Dieser Kündigung kann eine Abmahnung vorausgehen, manchmal ist aber auch eine Kündigung ohne Abmahnung wirksam.
§ 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG begründet arbeitsvertragliche Nebenpflicht
Der Bundestag hatte 10. Dezember 2021 den gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie (20/250) beschlossen. Von dieser einrichtungsbezogenen Impfpflicht war die Arbeitgeberin, die ein Krankenhaus betreibt, betroffen. Entsprechend den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes forderte das Krankenhaus die Arbeitnehmerin auf, bis 15. Januar 2022 einen Nachweis im Sinne von § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG vorzulegen. Im Kündigungsschutzprozess blieb unstreitig, dass die Arbeitnehmerin dann eine falsche Bescheinigung vorlegte. Diese Bescheinigung sollte nachweisen, dass die Krankenschwester
auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden könne.
§ 20a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 IfSG
Das Krankenhaus legte diese Bescheinigung dem zuständigen Gesundheitsamt vor und das fand schnell dessen Unechtheit heraus. Es stammte aus dem Internet und beruhte offensichtlich nicht auf einer ärztlichen Untersuchung.
Die Arbeitnehmerin verteidigte sich im Kündigungsschutzprozess, Sie habe sich zuvor von der Arbeitgeberin durch ein Rundschreiben bedroht gefühlt. Außerdem seien arbeitsrechtliche Folgen in jedem Fall von der Entscheidung des Gesundheitsamts abhängig.
Dem folgte das Arbeitsgericht Lübeck mit seinem Urteil vom 13. April 2022 nicht.
Kündigung ohne Abmahnung wirksam
Das Gericht ist der Auffassung, dass § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers ist. Diese vertragliche Pflicht hat die Arbeitnehmerin nicht nur nicht erfüllt, wie das Gericht ausdrücklich betont. Diese Möglicheit hätte immerhin bestanden und die Arbeitgeberin hätte als milderes Mittel mit einer Abmahnung reagieren können. Aber die Krankenschwester hat stattdessen versucht, die Arbeitgeberin über ihre Impfunfähigkeit zu täuschen.
Damit hat sie in schwerwiegender Weise gegen ihre auf § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG beruhenden arbeitsvertraglichen Nebenpflicht verstoßen.
ArbG Lübeck, Urteil vom 13. April 2022 - 5 C 189/22, Randziffer 18
Dieser schwerwiegende Verstoß rechtfertigte aus Sicht des Gerichts ausnahmsweise eine Kündigung ohne Abmahnung. Nur die außerordentlich lange Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmerin verhinderte am Ende, dass auch die außerordentliche fristlose Kündigung wirksam gewesen ist:
Einzig unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin von ca. 20 Jahren kommt das Gericht bei der abschließend vorzunehmenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass hier allein aus sozialen Erwägungen die hilfsweise außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.07.2022 angemessen und verhältnismäßig ist und das Arbeitsverhältnis damit mit Ablauf des 31.07.2022 enden wird.