Mietrecht | 15.05.2014

Eigenbedarf für Zweitwohnung? – BVerfG weist Verfassungsbeschwerde zurück

Ob die Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch dann begründet ist, wenn der Vermieter seinen Eigenbedarf mit dem Wunsch nach einer Zweitwohnung begründet, hat das Bundesverfassungsgericht wegen der nach seiner Ansicht fehlenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht entschieden und dennoch seine Auffasung deutlich zum Ausdruck gebracht.

Ausgangspunkt war das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof / Kreuzberg vom 6. Februar 2012 (Az. 13 C 61/11), in dem die Räumungsklage eines in Hannover lebenden Vermieters abgewiesen worden war, der die Eigenbedarfskündigung seiner langjährigen Mieterin in Berlin damit begründet hatte, dass er die Wohnung als Zweitwohnung für sich selbst benötige, um das Umgangs- und Sorgerecht für seine uneheliche in Berlin lebende Tochter „regelmäßig über mehrere Tage“ hinweg ausüben zu können. Das Landgericht Berlin hatte hiernach mit Urteil vom 22. August 2013 (Az. 67 S 121/12) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Mieterin zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Dieses Urteil war Gegenstand umfangreicher medialer Betrachtung. So titelte beispielsweise die Süddeutsche Zeitung am 1. Oktober 2013 „Chefarzt darf Mieterin kündigen“ und der Bundesdirektor beim Deutschem Mieterbund Lukas Siebenkotten, ließ sich mit der Meinung, das Urteil sei „höchst problematisch“ zitieren.

Auch in Fachkreisen stieß vor allem die Entscheidung des Landgerichts, die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zuzulassen, teils auf deutliche Kritik. Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof Dr. Dietrich Beyer vertrat in einer Fachzeitschrift die Auffassung, diese Entscheidung sei „völlig unakzeptabel“, weil die Frage, ob die gelegentliche Nutzung einer Wohnung als Zweitwohnung Eigenbedarf begründen könne, grundsätzliche Bedeutung habe, eine Vielzahl von Fällen betreffe und seither höchstrichterlich nicht entschieden sei. In der Sache teilte er die Bedenken des Mieterbund-Chefs und war sich auch mit Prof. Dr. Markus Artz von der Universität Bielefeld einig: Der Umstand die vermietete Wohnung für sich „als Wohnung zu benötigen“, so der Wortlaut des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, setze eben mehr als das Erfordernis einer gelegentlichen Übernachtungsmöglichkeit voraus.

In der Rechtsprechungspraxis hatte sich bisher keine einheitliche Meinung zu der Frage, ob die Nutzung als Zweitwohnung eine Kündigung wegen Eigenbedarf rechtfertigt, gebildet. Die Gerichte beurteilten jeden Einzelfall vor dem Hintergrund des grundlegenden Rechtsentscheids des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 1988 (Az. VIII ARZ 4/87), nach dem war allein der Wille des Vermieters, in den eigenen Räumen zu wohnen für die Annahme von Eigenbedarf noch nicht ausreiche, jedoch vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraumes ausreichten. Nicht erforderlich ist nach diesem Rechtsentscheid, dass der Vermieter einen Mangel an Wohnraum habe oder sich in einer wohnbedarfstypischen Lage befinde. Die Beurteilung, ob ein Gericht vernünftige und nachvollziehbare Gründe des Vermieters erkennen konnte, war nicht vorhersehbar: So hat beispielsweise das Landgericht Hamburg 1994 geurteilt, ein Eigenbedarf im Sinne des § 573 BGB sei gegeben, wenn der in München ansässige Vermieter eine in Hamburg gelegene Wohnung berufsbedingt an etwa acht bis zehn Arbeitstagen im Monat nutzen wolle, wohingegen das Landgericht Berlin 1990 entschieden hatte, dass es nicht ausreiche, wenn ein in Westdeutschland lebender Vermieter seine in Berlin gelegene Wohnung ca. 10 Tage im Monat als Zweitwohnung nutzen wolle. In diese Reihe letztlich höchst subjektiver Beurteilungen stellten sich auch in diesem Verfahren Amts- und Landgericht mit widersprechenden Ergebnissen.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht eine Stellungnahme des Bundesgerichtshofs zur Verfassungsbeschwerde eingeholt hatte, kam es zu dem Ergebnis, die in Rede stehende Rechtsfrage, ob der Wunsch nach einer Zweitwohnung Eigenbedarf begründet, nicht klärungsbedürftig ist. Es verweist dabei auf das Urteil des BGH vom 20. Oktober 2004 (Az. VIII ZR 246/03), in dem dieser bereits einmal angedeutet hatte, dass eine solche Eigenbedarfssituation vorstellbar ist. Da es seinerzeit nicht darauf ankam, formulierte der BGH keinen Rechtssatz und die Entscheidung blieb unbeachtet. Dennoch sei die Rechtsfrage geklärt und die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshof stünde auch nicht im Widerspruch mit den Grundrechten der Mieter.

Im Ergebnis hat das Bundesverfassungsgericht in erster Linie auf diese bestehende und nicht zu beanstandende Rechtsprechung, die selbst den meisten Fachleuten bisher unbekannt geblieben war, hingewiesen. Grundsätzlich kann der Wunsch nach einer Zweitwohnung eine Kündigung wegen Eigenbedarf rechtfertigen, die Umstände des Einzelfalls bleiben zu beachten.

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