Mietrecht | 11.12.2014

Widerrufsjoker und Rechtsschutzversicherung

Mehrfach haben wir an dieser Stelle über den so genannten Widerrufsjoker berichtet; viele Mandanten stellen sich die Frage, ob ihre Rechtsschutzversicherung die Kosten der anwaltlichen Beauftragung und das Prozessrisiko decken.

Wenn ein Bankkunde den Widerrufsjoker ausspielt, ist damit gemeint, dass er erst Jahre nach Abschluss einer Verbraucherdarlehens, beispielsweise zur Finanzierung einer Immobilie, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung widerruft und damit die Rückabwicklung des Darlehens einleitet. Unsere Kanzlei betreut zwischenzeitlich deutschlandweit mehr als 50 Mandate in Auseinandersetzungen mit Banken rund um den Widerrufsjoker und immer wieder ist auch zu prüfen, ob eine Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig ist. Dabei ergibt sich häufig, dass Rechtsschutzversicherungen zu Unrecht Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit dem Widerrufsjoker ablehnen. Trotzdem ergibt auch manch eingehende Prüfung durch uns, dass der Versicherer nicht eintrittspflichtig ist. Dieses Problem stellt sich vor allem im Zusammenhang mit Darlehen, die der Finanzierung eines Neubaus dienten.

Viele Rechtsschutzversicherer berufen sich auf die so genannte „Vorvertraglichkeit“, wenn die Rechtsschutzversicherung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehens noch nicht bestand. Das lässt auf den ersten Blick gut vertreten, denn „Anspruch auf Versicherungsschutz besteht … von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll“ (ARB 2005), und dieser Verstoß nach Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten ist. Das ist aber unzutreffend wie der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr entschieden hat:

Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, greift der Vorvertragseinwand der Beklagten nicht durch. Wie der Senat … dargelegt hat, ist für die Festlegung der dem Vertragspartner des Versicherungsnehmers vorgeworfenen Pflichtverletzung der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem der Versicherungsnehmer den Verstoß begründet. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet.

Das ist hier die Weigerung … das Widerspruchsrecht des Klägers anzuerkennen und ihm die verlangte Differenz … zurückzuzahlen. (BGH, Urteil vom 24. April 2013 · Az. IV ZR 23/12)

Entscheidend ist also, das im Zeitpunkt des Ausspielens des Widerrufsjokers beziehungsweise im Zeitpunkt der Ablehnung der Bank, das Widerrufsrecht des Kunden anzuerkennen, Versicherungsschutz besteht.

Geholfen hat der Bundesgerichtshof auch Rechtsschutzversicherungsnehmern, in deren Versicherungsverträgen noch die ARB 75 Geltung beanspruchen. In dieser vertraglichen Situation haben sich Versicherer in der Vergangenheit auf den so genannten Baurisikoausschluss berufen:

Allgemeine Risikoausschlüsse

Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, … die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles stehen.

Auch hier schien die Annahme, dass es sich beim Ausspielen des Widerrufjokers um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen handelt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung und Errichtung der Immobilie stehen. Der Bundesgerichtshof entschied mit Urteil vom 19. Februar 2003 – IV ZR 318/02 anders:

Die Ausschlussklausel des § 4 (1) k ARB 75 verfolgt den – auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren – Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Streitigkeiten um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann. … Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dieser besondere Zusammenhang im Falle der Kläger zu verneinen. Die von ihnen verfolgten Ansprüche betreffen nicht das dem Leistungsausschluss allein unterfallende Baurisiko.

Leider hat die Versicherungswirtschaft diese Rechtsprechung antezipiert und bereits die ARB 95 angepasst, den „unmittelbaren“ durch den „ursächlichen“ Zusammenhang ersetzt und die Finanzierung ausdrücklich aufgenommen:

Soweit nichts anderes vereinbart ist, gilt: Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen… in ursächlichem Zusammenhang mit … dem Erwerb oder der Veräußerung eines zu Bauzwecken bestimmten Grundstückes, … Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles, das sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindet oder das dieser zu erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt, … der Finanzierung eines der … genannten Vorhaben.

Daraus ergibt sich, dass es bei einem Neubau recht unwahrscheinlich ist, dass die Rechtsschutzversicherung das Prozessrisiko beim Widerrufsjoker versichern muss, es sei denn man hat noch einen Versicherungsvertrag noch vor 1994 abgeschlossen. Ganz ausgeschlossen ist es auch für später abgeschlossene Rechtsschutzversicherungsverträge nicht, denn seit dem 3. Gesetz zur Durchführung der versicherungsrechtlichen Richtlinien des Rates der EG vom 21. Juli 1994, können die Versicherer (theoretisch) eigene Vertragsbedingungen entwerfen und verwenden.

Anders sieht es für die Finanzierung einer gebrauchten Immobilie: Hier ist entscheidend, dass Versicherungsschutz besteht, wenn der Widerrufsjoker ausgespielt wird.

Wir beraten Sie gerne auch im Hinblick auf die Frage, ob im Zusammenhang mit einem Widerrufsjoker Versicherungsschutz durch Ihre Rechtsschutzversicherung besteht. In vielen Fällen kann es bei der dargestellten Rechtslage von entscheidender Bedeutung für Ihren Versicherungsschutz sein, diesen Rat in Anspruch zu nehmen, ehe Sie sich an Ihre Bank oder an Ihre Rechtsschutz wenden.

Ihre Nachricht

Ihre Nachricht wurde gesendet. Vielen Dank!

Sie erreichen und auch telefonisch unter +49 721 / 943114-0.

Bitte beachten Sie folgendes: Durch die Zusendung einer E-Mail kommt noch kein Mandatsverhältnis zustande. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir ohne vorherige Vereinbarung keine Rechtsberatung per E-Mail erteilen können und keine fristgebundenen und Frist wahrenden Erklärungen entgegennehmen. Die Datenübertragung per Internet ist risikobehaftet. Dies sollten Sie insbesondere bei der Übersendung vertraulicher Informationen bedenken. Sollten wir eine E-Mail erhalten, gehen wir davon aus, dass wir zu deren Beantwortung per E-Mail berechtigt sind.