Sportrecht | 09.04.2015

Hooligans: Kriminelle Vereinigung oder organisierte Extremsportler?

Der Bundesgerichtshof vertritt die Auffassung, manche Hooligan-Gruppierungen seien kriminelle Vereinigungen im Sinne von § 129 StGB.

Die Fan-Gewalt im Kontext von Fußballspielen und –vereinen hat sich auch in Deutschland radikal verändert: Während sie sich zuvor zeitlich, räumlich und eher zufällig in der Nähe von Spielen der Nationalmannschaften oder Profi-Fußballbegegnungen zeigte, findet sie inzwischen auch ganz losgelöst von sportlichen Ereignissen statt. Die Fußballvereine und ihr Sport bleiben zwar notwendige Symbole der Identifikation, daneben ist jedoch eine Art Paralleluniversum des Hooliganismus entstanden, das sich vom Fußballspiel in gewisser Weise gelöst hat.

Gegenstand zahlreicher soziologischer Untersuchungen sind die Verabredungen von Hooligan-Gruppen zu Drittortauseinandersetzungen. So nennen Juristen organsierte Schlägereien unter Ausschluss der Öffentlichkeit ähnlich den Regularien des Fight Clubs aus dem gleichnamigen Roman von Chuck Palahniuk. Von „verfeindeten“ Gruppen kann dabei nicht mehr uneingeschränkt gesprochen werden, denn sie begeben sich in einen martialischen, aber nach ihrer Auffassung dennoch fairen Wettkampf, der angeblich klaren Regeln unterliegt. So soll geregelt sein, dass von beiden Gruppen die gleiche Zahl an Kämpfer antritt, keine Unbeteiligten zu Schaden kommen sollen, schweres Schuhwerk verboten ist und am Boden liegende Kämpfer geschont werden. Jede Mannschaft bringt gar einen Nicht-Kämpfer mit, der über die Einhaltung der Regeln wacht, das Geschehen wird gefilmt und im Anschluss analysiert. Kämpfer, die sich nicht an die Regeln halten, können für die Zukunft ausgeschlossen werden.

Man muss solches Geschehen nicht goutieren, aber ist es strafbar? Immerhin kennen die Teilnehmer eines solchen Kampfes die von ihm ausgehenden Risiken. Dennoch beteiligen sie sich und willigen damit in die an ihnen vorgenommenen Verletzungshandlungen ein. Damit liegt es nahe, eine die Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung und damit auch ihre Strafbarkeit aufhebende rechtfertigende Einwilligung der Teilnehmer anzunehmen.

Allerdings bestimmt § 228 StGB, dass die Einwilligung der verletzten Person die Rechtswidrigkeit der Tat nicht entfallen lässt, wenn diese „trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt“. Zu klären ist daher zunächst, ob die Teilnahme an einer solchen Drittortauseinandersetzung gegen die guten Sitten verstößt. Das Gesetz knüpft die Rechtsfolgen einer Einwilligung in die Körperverletzungshandlung an außerrechtliche, ethisch-moralische Kategorien. Die Rechtsanwendung ist damit weniger ein normativ-wertender Akt der Gesetzesauslegung, denn vielmehr eine empirische Feststellung bestehender Moralüberzeugungen. Diese durchaus problematische Konturenlosigkeit des § 228 StGB hat vereinzelt dazu geführt, dass man die Vorschrift wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG für verfassungswidrig erachtet[1]. Der Bundesgerichtshof teilt diese Auffassung nicht.

Bereits mit Urteil vom 11. Dezember 2003 – 3 StR 120/03 hatte er § 228 StGB dahin ausgelegt, dass ein Verstoß gegen die guten Sitten regelmäßig jedenfalls dann vorliegt, wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Betroffene in konkrete Todesgefahr gebracht wird.

Auf dieser Basis dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 20. Februar 2013 – 1 StR 585/12 in einer früheren „Hooligan-Entscheidung“ die Sittenwidrigkeit einer solchen Einwilligung bejaht. Beim Kampf unter Hooligans sei eine mit solchen Tätlichkeiten vorhandene Eskalationsgefahr zu berücksichtigen, die letztlich eine konkrete Todesgefahr darstelle.

Mit Urteil vom 22. Januar 2015 – 3 StR 233/14 hat der Bundesgerichtshof seine „Hooligan-Rechtsprechung“ konsequent fortgeführt:

Zwei Angehörige der früheren Dresdener Gruppierung „Hooligans Elbflorenz“, die sich im zeitlichen und räumlichen Umfeld von Fußballspielen des Vereins Dynamo Dresden bewegten, waren mit Urteil des Landgerichts Dresden vom 29. April 2013 – 14 KLs 204 Js 41068/08 als Angehörige einer kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB verurteilt worden.

Gegen dieses Urteil hatten sie die Revision geführt, die der Bundesgerichtshof mit dem oben bezeichneten Urteil verworfen hat. Das Dresdner Urteil gegen diese beiden Hooligans ist somit rechtskräftig. Die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs ist in diesem Punkt knapp:

„Weil die Gruppierung der Angeklagten gerade auch auf die Ausübung von Tätlichkeiten im Rahmen von Schlägereien ausgerichtet war, bestand ihr Zweck und ihre Tätigkeit daher in der Begehung strafbarer (gefährlicher) Körperverletzungen. Da sie auch die übrigen von § 129 Abs. 1 StGB vorausgesetzten Merkmale erfüllte, hat sie das Landgericht im Ergebnis somit rechtsfehlerfrei als kriminelle Vereinigung erachtet.“

Hooligans bewegen sich daher auf sehr dünnem Eis, wollen sie ihre spezielle Freude an der kompetitiven Ausübung von Gewalt in der freien Natur ausüben. § 129 StGB droht immerhin mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren und schon der Versuch ist strafbar.

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