Sportrecht | 11.06.2016

Sportrechte. Wende in Sachen Pechstein? Was sagt der BGH?

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Sportrechte. Wende in Sachen Pechstein? Was sagt der BGH?

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) von vergangenem Dienstag in der Causa Pechstein hat nicht nur die Sportwelt überrascht. Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte noch zugunsten der Eisschnellläuferin entschieden. Selbst erfahrene Sportrechtler sind auf die Urteilsgründe gespannt. Die Athletin war verständlicherweise sehr enttäuscht. Ihr spontanes Statement, „Jeder Flüchtling, der in Deutschland einreist und registriert wird, genießt Rechtsschutz. Aber wir Sportler nicht.“ war schlichtweg schlecht. Man hätte ihr gewünscht, besser vor sich selbst geschützt zu werden. Claudia Pechstein hat ihr gespaltenes Bild in der Öffentlichkeit sicher nicht verbessert. Geäußert hat sich dies in einem reflexartig im Internet verbreiteten sogenannten „shit storm“ (Beitrag der Berliner Morgenpost). Das ist sehr schade.

Gleichwohl ist ihr zu wünschen, Geld und Energie zu finden, die Sache nicht abzuschließen. Der nächste Schritt wäre eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Der Aufwand ist immens. Die weiteren Kosten sind nicht absehbar, der bisherige Aufwand existentiell (Claudia Pechstein droht Schuldenberg – FAZ online).  Für die Entwicklung der Sportrechte wäre das natürlich mehr als spannend, befasste sich das höchste deutsche Gericht mit dieser Thematik.

Dennoch scheint jedenfalls, auf den ersten, nur unvollständig informierten Blick, die Ansicht des Bundesgerichtshofes, wonach die sog. Athletenvereinbarungen von Sportlern nicht unfreiwillig abgeschlossen werden, angreifbar. Was wissen wir bis dato? In der offiziellen Pressemitteilung des BGH heißt es auszugsweise wie folgt (hier der vollständige Text):

Die Klägerin, Claudia Pechstein, eine international erfolgreiche Eisschnellläuferin, verlangt von der beklagten International Skating Union (ISU), dem internationalen Fachverband für Eisschnelllauf, Schadensersatz, weil sie – nach ihrer Auffassung zu Unrecht – zwei Jahre lang wegen Dopings gesperrt war. Im Revisionsverfahren geht es im Wesentlichen um die Frage, ob eine von der Klägerin unterzeichnete Schiedsvereinbarung wirksam ist, die unter anderem die ausschließliche Zuständigkeit des Court of Arbitration for Sport (CAS) in Lausanne vorsieht.

… Vor der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaft in Hamar (Norwegen) im Februar 2009 unterzeichnete die Klägerin eine von der Beklagten vorformulierte Wettkampfmeldung. Ohne Unterzeichnung dieser Meldung wäre sie zum Wettkampf nicht zugelassen worden. In der Wettkampfmeldung verpflichtete sie sich unter anderem zur Einhaltung der Anti-Doping-Regeln der Beklagten. Außerdem enthielt die Wettkampfmeldung die Vereinbarung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens vor dem CAS unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs. Bei der Weltmeisterschaft in Hamar wurden der Klägerin Blutproben entnommen, die erhöhte Retikulozytenwerte aufwiesen. Die Beklagte sah dies als Beleg für Doping an. Ihre Disziplinarkommission verhängte gegen die Klägerin unter anderem eine zweijährige Sperre. Die hiergegen eingelegte Berufung zum CAS war erfolglos. Auch eine Beschwerde und eine Revision zum schweizerischen Bundesgericht blieben in der Sache ohne Erfolg.

Die Klägerin hat daraufhin Klage zum Landgericht München I erhoben. Sie verlangt Ersatz ihres materiellen Schadens und ein Schmerzensgeld. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht München hat dagegen durch Teilurteil festgestellt, dass die Schiedsvereinbarung unwirksam und die Klage zulässig sei.

Die Revision der ISU bekämpft diese Bewertung. …

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs ist … der Klägerin nicht gefolgt. Er hat entschieden, dass die Klage unzulässig ist, weil ihr die Einrede der Schiedsvereinbarung entgegensteht.

Die Beklagte ist zwar bei der Veranstaltung von internationalen Eisschnelllaufwettbewerben marktbeherrschend. Ob das Verlangen nach Abschluss einer Schiedsabrede, die die ausschließliche Zuständigkeit des CAS vorsieht, einen Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung darstellt, ergibt sich aber erst aus einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen. Bei dieser Abwägung hat der Kartellsenat kein missbräuchliches Verhalten der Beklagten feststellen können.

Der CAS ist ein „echtes“ Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO.

Die mit einer einheitlichen internationalen Sportsgerichtsbarkeit verbundenen Vorteile, wie etwa einheitliche Maßstäbe und die Schnelligkeit der Entscheidung, gelten nicht nur für die Verbände, sondern auch für die Sportler. Ein dennoch verbleibendes Übergewicht der Verbände wird ausgeglichen durch die Verfahrensordnung des CAS, die eine hinreichende individuelle Unabhängigkeit und Neutralität der Schiedsrichter gewährleistet.

Das schweizerische Bundesgericht kann den Schiedsspruch des CAS in bestimmtem Umfang überprüfen und gegebenenfalls aufheben.

Die Klägerin hat die Schiedsvereinbarung freiwillig unterzeichnet. Dass sie dabei fremdbestimmt gehandelt hat, da sie andernfalls nicht hätte antreten können, führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung. Denn auch insoweit ergibt die Abwägung der beiderseitigen Interessen am Maßstab des § 19 GWB eine sachliche Rechtfertigung der Verwendung der Schiedsklausel, die nicht gegen gesetzliche Wertentscheidungen verstößt. Dem Justizgewährungsanspruch der Klägerin sowie ihrem Recht auf freie Berufsausübung steht die Verbandsautonomie der Beklagten gegenüber. Schließlich ist der Klägerin im Anschluss an das Schiedsgerichtsverfahren Zugang zu den nach internationalem Recht zuständigen schweizerischen Gerichten möglich. Ein Anspruch gerade auf Zugang zu den deutschen Gerichten besteht danach nicht.

Das will gründlich geprüft werden. Aussichten können nicht von der Hand gewiesen werden. Schon in meinem Beitrag für die legal tribune online (lto) habe ich für das Recht der Sportlerin gestritten, ihre Rechte durchzusetzen (hier).

Auch in verschiedenen Blogs auf unserer Homepage habe ich zum Ausdruck gebracht, dass erhebliche Zweifel an der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport in der aktuellen Fassung bestehen (hier). Das Deutsche Institut für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) hat mit einer neuen Sport Schiedsgerichtsordnung (das DIS ist insoweit das deutsche Pendant zum CAS) nun zwar nach gelegt und seine Prozess- beziehungsweise Verfahrensregeln angepasst. Insbesondere ist ein System der Verfahrenskostenhilfe eingeführt worden. Das reicht indes noch nicht.

Im Übrigen müssen Sportler, bevor sie eine so genannte Athletenvereinbarung unterzeichnen, hinreichend über die Konsequenzen aufgeklärt werden. Solange das nicht der Fall ist, kann von „Freiwilligkeit“ nicht die Rede sein. Bleiben die Urteilsgründe des BGH, bleibt der weitere Weg von Frau Pechstein abzuwarten.

Ihr größter Gegner werden ihre Finanzen sein. Das ist bedauerlich.

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