Wohnungseigentumsrecht | 18.07.2012

BGH: Keine Erwerberhaftung für Altschulden durch Beschluss!

Der Fall:

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft fasst im Mai 2008 bestandskräftigen Beschluss über die Jahresabrechnung für das Jahr 2007.  In die Einzelabrechnung der Beklagten, die erst Mitte Mai 2006 Eigentümer ihrer Wohnung geworden sind, hatte der Verwalter auch Vorjahresrückstande bezogen auf das Jahr 2006 eingestellt, die bereits durch Beschluss in der Vergangenheit fällig gestellt worden waren. Gestützt auf den unangefochtenen Abrechnungsbeschluss für 2007 erhebt die Wohnungseigentümergemeinschaft nunmehr Klage auch auf Zahlung der Rückstände aus 2006.

Zu Recht?

Das Problem:

Der Anspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die einzelnen Wohnungseigentümer auf Zahlung von Wohngeld wird durch Beschluss über den Wirtschaftsplan, jener auf Zahlung des die Wohngeldzahlungen überschießenden Betrags, sog. Abrechnungsspitze,  durch Beschluss über die Jahresabrechung gemäß § 28 Abs. 5 WEG begründet.  Es enstpricht gängiger Praxis, dass Verwalter Altrückstände in eine aktuelle Jahresabrechnung mitaufnehmen. Dies kann zweierlei Gründe haben: Einerseits kann dies rein informatorischen Zwecken dienen, was unproblematisch ist, denn dann soll die Altforderung nicht zum Beschlussgegenstand gemacht werden. Andererseits kann darin der Versuch liegen, eine bereits bestehende Schuld erneut zu begründen, bspw. gegen den Erwerber einer Eigentumswohnung. Dieser haftet nach der sog. Fälligkeitstheorie grundsätzlich nicht für Verbindlichkeiten , die vor seiner Eintragung als Eigentümer im Grundbuch fällig geworden sind. Streitig war bisher, ob in diesen Fällen ein bloßer Abrechnungsfehler vorliegt mit der Folge, dass die Altforderung bei Bestandskraft des Beschlusses neu begründet wird, oder ob der Beschluss bezüglich der bereits bestehenden Schuld mangels Beschlusskompetenz teilnichtig ist.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof (BGH) folgt der zuletzt genannten Auffassung und weist die Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Urteil vom 09.03.2012, Az. V ZR 147/11 und stellt damit fest:

Keine Erwerberhaftung für Altschulden!

Beitragsrückstände seien kein zulässiger Bestandteil einer Jahresabrechnung nach  § 28 Abs. 3 WEG. Diese sei auf die Abrechnung der Kosten des abgelaufenen Wirtschaftsjahrs unter Berücksichtigung der von den Eigentümern geleisteten Vorschüsse beschränkt. Insbesondere sei in der Aufnahme von Beitragsrückständen kein bloßer Abrechnungsfehler zu sehen, denn von einem solchen könne nur dann die Rede sein, wenn Kosten des abgelaufenen Wirtschaftsjahrs unzutreffend erfasst oder in unrichtiger Weise auf die Wohnungseigentümer verteilt worden seien. Davon zu unterscheiden sie die Aufnahme von Positionen, die ihrer Art nach generell nicht zu den Bestandteilen einer Abrechnung im Sinne des § 28 Abs. 3 WEG gehören, bspw. Beitragsrückstände aus Vorjahren. Hinsichtlich solcher abrechnungsfremder Positionen fehle den Wohnungseigentümern die Kompetenz, Zahlungsverpflichtungen durch Mehrheitsbeschluss gemäß § 28 Abs. 5 WEG zu begründen. Geschehe dies dennoch, habe die Aufnahme abrechnungsfremder Positionen die Nichtigkeit des darauf bezogenen Teils des Beschlusses zur Folge (BGH a.a.O.). Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als dass den Beklagten durch den Beschluss möglicherweise eine Erwerberhaftung für Altschulden auferlegt werde, die nach der Fälligkeitstheorie nicht existiere, allenfalls durch Vereinbarung, keinesfalls aber durch Mehrheitsbeschluss geschaffen werden könne.

Die Empfehlung:

Zum Thema „Jahresabrechnung“ sind in jüngster Vergangenheit zahlreiche praxisrelevante Entscheidungen ergangen, die – was die Praxis zeigt – vielen Verwaltern und Wohnungseigentümern nicht bekannt sind. Für beide lohnt es sich daher, sich auf den neuesten Stand bringen oder Jahresabrechnungen überprüfen zu lassen.

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