Wohnungseigentumsrecht | 28.04.2015

Ein besonderes Gepräge der Wohnanlage rechtfertigt keine Erhöhung des Schallschutzniveaus

Ob ein besonderes Gepräge der Wohnanlage die einzelnen Wohnungseigentümer zur Einhaltung eines höheren als das in der DIN 4109 in der zur Zeit der Errichtung der Wohnanlage geltenden Fassung enthaltenen Niveaus verpflichtet, war lange Zeit umstritten und wurde noch Mitte 2012 vom Bundesgerichtshof für möglich gehalten. Mit Urteil vom 27. Februar 2015 – V ZR 73/14 hat er nun klar gestellt, dass dies nicht der Fall ist.

Streitpunkt einer ungezählten Zahl von Rechtsstreiten zwischen Wohnungseigentümern ist das Schallschutzniveau, das in den einzelnen Wohnungen eingehalten werden muss. Insbesondere der seit einigen Jahren bestehende Trend, vorhandene Teppichböden gegen Laminat- oder Fliesenböden zu tauschen, führt regelmäßig zu einer Erhöhung von Luft- und Trittschall, denen sich die benachbarten Wohnungen ausgesetzt sehen. Die Miteigentümer fühlen sich durch den plötzlich auftretenden Trittschall gestört und verlangen Beseitigung; häufig ohne Erfolg.

Nach § 14 Abs. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Bei Verstößen gegen diese Pflicht können die betroffenen Miteigentümer sowohl nach § 15 Abs. 3 WEG als auch nach § 1004 Abs. 1 BGB die Unterlassung oder Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann.

Mit Urteil vom 1. Juni 2012 – V ZR 195/11 hat der Bundesgerichtshof zunächst Grundsätze, die im Mietrecht seit langem anerkannt sind, auf das Verhältnis der Wohnungseigentümer übertragen und geurteilt, dass der sich vom Eigentümer zu gewährende Schallschutz grundsätzlich nach den im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Schutzwerten richtet. Dies gelte auch, wenn zu einem späteren Zeitpunkt der Bodenbelag ausgetauscht werde, wenn also beispielsweise ein Teppichboden durch einen Laminatboden ersetzt wird. Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof mitgeteilt, dass in diesem Fall nicht die zur Zeit der Durchführung der Maßnahme geltende Ausgabe der DIN 4109 heranzuziehen sei, so lange nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschoßdecke eingegriffen wird. In solchen Fällen blieben die Anforderungen an den Schallschutz unverändert.

Im Rahmen eines obiter dictums hatte der Bundesgerichtshof 2012 gleichfalls mitgeteilt, dass ein besonderes Gepräge der Wohnanlage eine Erhöhung des Schallschutzniveaus ergeben könne:

Allerdings kann sich im Einzelfall ein höheres Schutzniveau ergeben, als es durch die DIN 4109 festgelegt wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der Gemeinschaftsordnung Regelungen zum Schallschutz zu entnehmen sind, die über den Mindeststandard hinausgehen oder dass die Wohnanlage aufgrund tatsächlicher Umstände, wozu etwa die bei ihrer Errichtung vorhandene Ausstattung oder das Wohnumfeld zählen, ein besonderes Gepräge erhalten hat.

Hiervon ist der Bundesgerichtshof nun abgerückt:

In seinem Urteil vom 1. Juni 2012 hat der Senat ferner eine Erhöhung des Schallschutzniveaus gegenüber der maßgeblichen Ausgabe der DIN 4109 aufgrund eines besonderen Gepräges der Wohnanlage für möglich gehalten, das sich aus tatsächlichen Umständen wie etwa der bei der Errichtung vorhandenen Ausstattung oder dem Wohnumfeld ergeben könne. An diesen – nicht entscheidungserheblichen – Ausführungen hält der Senat nicht fest.

Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass der Bodenbelag von wesentlicher Bedeutung für den optischen Eindruck der Wohnung sei und seine Auswahl nach § 13 Abs. 1 WEG im Belieben des einzelnen Wohnungseigentümers stehe. Daher müsse der Schallschutz in erster Linie durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteile gewährleistet werden. Im Übrigen sei ein Rückgriff auf die bei der Gebäudeerrichtung erstellte Baubeschreibung in mehrfacher Hinsicht ungeeignet für die Bestimmung des Schallschutzniveaus. Sie entfalte keine Rechtswirkung zwischen den einzelnen Wohnungseigentümern, sondern nur im Verhältnis zum Bauträger und gelte erst recht nicht gegenüber späteren Erwerbern von Wohnungseigentum.

Die langjährige Diskussion um die Frage, ob ein besonderes Gepräge der Wohnanlage eine Erhöhung des Schallschutzniveaus rechtfertigt, ist damit beendet.

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