Arbeitsrecht | 30.11.2020

Die Beschwerde nach § 85 BetrVG

Die Beschwerde gemäß § 85 BetrVG ist eine weithin unbekannte Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich gegen eine ungerechte Behandlung durch den Arbeitgeber zur Wehr zu setzen. Das ist ein Glück für Arbeitgeber, denn ein solches Beschwerdeverfahren bindet nicht selten erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen. Hier bekommen Sie einen Überblick zu diesem Verfahren.

Der Voraussetzungen einer Beschwerde nach § 85 BetrVG

Grundlage einer Beschwerde nach § 85 BetrVG ist, so steht es tatsächlich im Gesetz, ein Gefühl. Es geht um das Gefühl, vom Arbeitgeber oder von anderen Arbeitnehmern benachteiligt oder ungerecht behandelt worden zu sein. Die Voraussetzungen einer solchen Beschwerde liegen also schnell vor: Der Arbeitnehmer muss sich lediglich persönlich beeinträchtigt fühlen oder meinen, der Arbeitgeber erfüllt einen seiner Ansprüche nicht. Hat der Arbeitnehmer dieses Gefühl, kann er es sich aussuchen, wie er weiter vorgeht. Einerseits kann er nach § 84 BetrVG selbst eine Beschwerde bei dem Arbeitgeber vorbringen. Andererseits kann er auch gleich den Betriebsrat mit ins Boot nehmen. § 85 BetrVG regelt dann die Behandlung solcher Beschwerden durch den Betriebsrat.

Wie prüft der Betriebsrat die Beschwerde nach § 85 BetrVG?

Der Betriebsrat muss sich mit einer Beschwerde nach § 85 BetrVG eingehend beschäftigen. Er ist verpflichtet, eine von einem Arbeitnehmer eingereichte Beschwerde entgegenzunehmen, sich mit ihr zu befassen und über sie förmlich zu beschließen. Weicht der Betriebsrat von diesem Verfahren ab, kann sogar eine Auflösung des Betriebsrats nach § 23 Absatz 1 BetrVG in Betracht kommen.

Erachtet der Betriebsrat eine ihm vorgelegte Beschwerde als nicht berechtigt, hat er eine Weiterverfolgung der Beschwerde abzulehnen. Hiervon unterrichtet er den Arbeitnehmer unter Angabe der Gründe. Gesetzliche Bewertungskriterien existieren nicht. Der Betriebsrat ist inhaltlich also recht frei bei der Behandlung der Beschwerde nach § 85 BetrVG. Ist die Beschwerde nach Auffassung des Betriebsrats berechtigt, ist er gehalten, mit dem Arbeitgeber in Verhandlungen über eine Erledigung der Beschwerde zu treten. Die Verhandlungen sind weder an eine bestimmte Form noch an eine Frist gebunden. Ziel des Betriebsrats muss nach § 85 Absatz 1 BetrVG sein, dass der Arbeitgeber eine Entscheidung über die Berechtigung der Beschwerde trifft.

3. Muss der Arbeitgeber das Beschwerdeschreiben des Betriebsrates beantworten?

Zunächst sollte klar sein, dass es gerade keine Beschwerde des Betriebsrates ist, sondern eine des Arbeitnehmers. Der Betriebsrat erachtet diese Beschwerde nach § 85 BetrVG lediglich als begründet. Mit ihr muss sich der Arbeitgeber jedoch auseinandersetzen. Das bestimmt schon das Gesetz. Erachtet der Arbeitgeber die Beschwerde nach Abschluss der Gespräche mit dem Betriebsrat für begründet, hilft er ihr ab. Ist er der Ansicht, die vom Beschwerde sei unbegründet, muss er den Betriebsrat und den Arbeitnehmer entsprechend unterrichten.

4. Konsequenzen der Ablehnung des Arbeitgebers

Regelmäßig erkennen die Arbeitgeber die Beschwerde nach § 85 BetrVG nicht an. Kommt es zu keiner Einigung mit dem Betriebsrat über die Beschwerde, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anzurufen. Die Anrufung der Einigungsstelle kann nur durch den Betriebsrat, nicht durch den Arbeitnehmer, der sich ungerecht behandelt fühlt, erfolgen. Kommt es zu einem Verfahren vor der Einigungsstelle, ist der Arbeitnehmer zu hören. Eine weitergehende Beteiligung des Arbeitnehmers am Verfahren der Einigungsstelle findet nach dem Gesetz nicht statt. Der Arbeitnehmer ist also nicht Partei des Verfahrens. Allerdings lehrt die Erfahrung, dass die Schlichtungsstellen den Arbeitnehmer häufig viel stärker in die Verhandlung einbinden.

Eingungsstelle? Das kann teuer werden!

Das Einigungsstellenverfahren bei einer Beschwerde nach § 85 BetrVG ist für den Arbeitgeber zeitlich und finanziell belastend: Zunächst muss er sich mit der Größe und dem Zusammensetzung der zu bildenden Einigungsstelle befassen. Gerne schlagen Betriebsräte vor, neben dem Vorsitzenden sollte jede Partei noch drei Beisitzer stellen. Das muss der Arbeitgeber in der Regel nicht akzeptieren. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat erst vor wenigen Tagen erneut entschieden, dass im Regelfall ist eine Einigungsstelle mit je zwei Beisitzern auf jeder Seite zu besetzen ist.

Die Anzahl der Beisitzer ist durchaus von Bedeutung für den Arbeitgeber: Abgesehen davon, dass die Entscheidungsfindung bei weniger Beteiligten zügiger von statten geht, ist es auch eine Kostenfrage. Denn die Kosten der Einigungsstelle hat der Arbeitgeber zu tragen und zwar ganz gleich, wie das Verfahren ausgeht. Die Vorsitzenden der Einigungsstellen haben meist einen Tagessatz zwischen € 2.000 und € 3.000. Der Betriebsrat ist berechtigt, einen Rechtsanwalt als Beisitzer zu benennen und es wäre töricht, würde der Arbeitgeber dann nicht auch einen solchen beauftragen. Es hat sich eingebürgert, dass diese Rechtsanwälte 70 % der Vergütung des Vorsitzenden erhalten.

Einigungsstelle? Das kann lange dauern!

Vor eingen Wochen waren wir im Rahmen einer Beschwerde nach § 85 BetrVG als Beisitzer einer solchen Einigungsstelle berufen. Es ging um ungefähr zehn Ereignisse seit Anfang des Jahres 2017. Die Summe dieser Ereignisse verursachte bei dem Arbeitnehmer das Gefühl, Mobbing durch seinen Vorgesetzten ausgesetzt zu sein. Hätte man die Geschehnisse vollständig aufarbeiten müssen, wären sicher nicht weniger als fünf Sitzungstage erforderlich gewesen. Das hätte für den Arbeitgeber einen kaum erträglichen personellen und finanziellen Aufwand bedeutet, so dass er am Ende der ersten Sitzung zähneknirschend einen Vergleich mit dem Betriebsrat geschlossen hat.

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