Arbeitsrecht | 19.12.2021

Quarantäne im Urlaub: Ist das überhaupt Urlaub?

Wer Kontakt zu einer an COVID-19 erkrankten Person hat, muss sich in der Regel in häusliche Quarantäne begeben. So will es § 30 IfSG und die zuständigen Gesundheitsämter setzen es derzeit tausendfach um. Doch was ist eigentlich, wenn es einen Arbeitnehmer trifft, der sich gerade in seinem wohl verdienten Urlaub befindet? Kann man sich während der Quarantäne im Urlaub denn überhaupt von der Arbeit erholen? Ist Quarantäne im Urlaub überhaupt noch Urlaub? Oder erlischt der Urlaubsanspruch während der Quarantäne nicht?

Die Parallele: Arbeitsunfähigkeit im Urlaub

Allgemein bekannt ist, dass sich der erkrankte Arbeitnehmer gerade nicht von seiner Arbeit erholen kann. Der Anspruch auf Urlaub, den der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber hat, kann nicht erfüllt werden. Schließlich kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, der wegen seiner Erkrankung ohnehin nicht arbeiten muss, nicht noch einmal von seiner Pflicht entbinden. Deshalb muss der Arbeitgeber den bereits festgelegten Urlaub dann eben zu einem anderen Zeitpunkt gewähren. Praktischerweise gibt es dafür auch eine eindeutige gesetzliche Regelung, nämlich § 9 BUrlG:

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.

Für die Anordnung der Quarantäne im Urlaub fehlt es allerdings an einer solchen Regelung im Gesetz. Aber kann sich derjenige, der sich absondern muss, wie es der Gesetzgeber etwas technisch formuliert, von den Strapazen des Arbeitslebens erholen? Die Antwort fällt leicht: Quarantäne im Urlaub ist trotz Video-Streaming alles andere als ein Spaß. Und auch wenn es Arbeitgeber ungern hören: Sogar der erkrankte Arbeitnehmer kann während seiner Arbeitsunfähigkeit durchaus an der Nordsee Ferien machen. Einzige Voraussetzung dafür ist, dass das den Heilungsprozess nicht verzögert. Ist es dann nicht nur gerecht, den Arbeitnehmer, der sich während seines Urlaubs in Quarantäne begeben muss, genauso zu behandeln? Oder hat er Pech und sein Urlaubsanspruch ist dann eben erfüllt?

Keine Anwendung von § 9 BUrlG bei Quarantäne im Urlaub durch die Arbeitsgerichte

Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sieht das im Allgemeinen in den vergangenen Monaten nicht so. Dabei ist zunächst eindeutig, dass eine unmittelbare Anwendung der Regelung nicht möglich ist. Es fehlt einfach an der Arbeitsunfähigkeit infolge einer Krankheit nach § 3 EntgFG. Für die Juristen stellt sich in solchen Fällen dann immer die Frage nach einer analogen Anwendung eines eigentlich nicht passenden Gesetzes. Das jedoch lehnen die Arbeitsgerichte derzeit mehrheitlich ab. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass der Gesetzgeber auf eine mit § 9 BUrlG vergleichbaren Regelung bewusst verzichtet hat. So formulierte beispielsweise das ArbG Neumünster:

Es fehlt insoweit schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Bei der Schaffung von § 9 BUrlG waren Unterscheidungen zwischen Krankheit und bloßer seuchenbezogener Risiken, die zu einer Quarantäneanordnung führen konnten, bereits bekannt, seinerzeit galt das Bundesseuchengesetz. Auch wenn seinerzeit kein derartig großer Seuchenzug, wie im Moment durch die Corona-Pandemie mit weitreichenden gesellschaftlichen Auswirkungen vorlag, konnte ein Problem wie das vorliegende jederzeit auftreten und trat auch sicherlich in vielfältigen Einzelfällen tatsächlich auf.

ArbG Neumünster, Urteil vom 3. August 2021 - 3 Ca 362/21

Quarantäne im Urlaub: Entscheidung des BAG steht aus

Die Gefahr, dass sich ein Arbeitnehmers gerade während seines Urlaubs in Quarantäne begeben muss, ist für die Arbeitsgerichte ein allgemeines Lebensrisiko. Man könnte auch etwas flapsig sagen: Quarantäne im Urlaub ist einfach Pech. Letztlich wird über diese Frage eines Tages das Bundesarbeitsgericht entscheiden. Ob man dort arbeitnehmerfreundlicher entscheidet, muss allerdings bezweifelt werden: Auch das oberste Arbeitsgericht hat sich mit einer analogen Anwendung von § 9 BUrlG in der Vergangenheit schwer getan. Wenn also der Gesetzgeber nichts ändert - und entsprechende Bestrebungen gibt es derzeit nicht - verbleibt es vermutlich bei der aktuellen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte.

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