Arbeitsrecht | 25.03.2022

Urlaub von langzeitkranken Arbeitnehmern verfällt auch ohne Hinweis des Arbeitgebers

Seit Jahren beschäftigen sich die deutschen Arbeitsgerichte regelmäßig mit dem Urlaubsrecht. Das ist nämlich maßgeblich von dem Recht der Europäischen Union beeinflusst. Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 („EU-Urlaubsrichtlinie“) und ihre Umsetzung in nationales Recht ist Gegenstand ungezählter Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. Und der Europäische Gerichtshof "hilft" den deutschen Gerichten immer wieder gerne bei der Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes. Und so kommt es regelmäßig zu Entscheidungen, die einer teils jahrzehntelangen Rechtsprechung widersprechen. Die genannte Richtlinie trat am 2. August 2004 in Kraft und man kann sagen: Die die Rechtsprechung der deutschen Arbeitsgerichte zum Urlaubsrecht verstieß zu dieser Zeit in weiten Teilen gegen das EU-Recht. Dies betraf beispielsweise den Urlaub von langzeitkranken Arbeitnehmern.

Beim Urlaub von langzeitkranken Arbeitnehmern ist das Problem § 7 Absatz 3 BUrlG ...

Es ist eigentlich allgemein bekannt. Der Urlaub eines Jahres muss im laufenden Kalenderjahr genommen werden, sonst verfällt er grundsätzlich. Im begründeten Ausnahmefall kann der Arbeitnehmer den Urlaub noch bis 31. März des Folgejahres "mitnehmen", das war es dann aber auch. Wer bis dahin keinen Urlaub genommen hat, hat ihn wohl nicht nötig, dachte sich der Gesetzgeber. Das fand der EuGH schon 2009 nicht in Ordnung, wenn es um Urlaub von langzeitkranken Arbeitnehmern geht. Nach einer weiteren Entscheidung des EuGH ist inzwischen klar, dass der Übertragungszeitraum für Urlaubsansprüche solcher Arbeitnehmer bis zum 31. März des Folgejahres reicht. Das hat das Bundesarbeitsgericht dann mit Urteil vom 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 nachvollzogen.

... und die Hinweispflicht des Arbeitgebers

Nun hat sich das EuGH im November 2018 erneut mit einer Entscheidung beglückt. Sie haben mit der nach einem ehemaligen Rechtsreferendar benannten "Kreuziger-Entscheidung" erkannt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufklären muss. Und zwar muss der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter darauf hinweisen, dass sein Urlaubsanspruch unter den oben genannten Umständen verfällt, wenn er ihn nicht nimmt. Das ist für einigermaßen überraschend gewesen, denn von einer solchen Aufklärungspflicht ist im Gesetz kein Wort zu lesen. Aber es hilft nichts, damit müssen wir nun alle leben und vielleicht schon die Arbeitsverträge entsprechend gestalten.

Aufklärungspflicht auch bei dauerkranken Arbeitnehmern?

Zweifelsohne werden wir Arbeitsrechtler uns in den kommenden Jahren immer wieder damit beschäftigen, wie der Arbeitgeber gesetzeskonform auf den Urlaubsverfall hinweist. Schließlich muss er das einerseits im Streitfall auch noch beweisen, andererseits muss das Ganze ja auch noch praktikabel bleiben. Besonders heikel schien die Lage beim Urlaub von langzeitkranken Arbeitnehmern. Da kommt es vor, dass der Arbeitgeber die jahrelang nicht gesehen hat. Muss der Arbeitgeber denen also einen eingeschriebenen Brief schicken, womöglich noch jedes Jahr aufs Neue? Das Bundesarbeitsgericht war sich nicht sicher und legte dem EuGH die entsprechende Frage zur Vorabentscheidung vor. Diese Entscheidung fiel zu Gunsten der Arbeitgeber aus, so dass das BAG am 7. September 2021 entscheiden konnte, dass der Urlaubsanspruch des dauerkranken Arbeitnehmers auch dann 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt, wenn ihn der Arbeitgeber darauf nicht hingewiesen hat.

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