Arbeitsrecht | 30.08.2018

Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht

Nach langem Streit wollte das Bundesarbeitsgericht heute um 13 Uhr eigentlich eine Entscheidung über die Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht verkünden. Gestern hat das Gericht eine Pressemitteilung dieses Verfahren betreffend veröffentlicht:

Der Termin am 30. August 2018, 13:00 Uhr wurde auf Antrag beider Parteien aufgehoben.

So bleibt der Streit vorerst offen. Dennoch möchten wir Ihnen heute einen kurzen Überblick zur Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht geben:

Verzugszins

Wer sich mit der Zahlung einer Geldschuld in Verzug befindet, ist gemäß § 288 Absatz 1 Satz 1 BGB zur Zahlung von Zinsen verpflichtet. Der Zinssatz beträgt je nachdem, ob ein Verbraucher beteiligt ist oder nicht, fünf oder neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz des § 247 BGB. Derzeit beträgt der Verzugszins 4,12 % beziehungsweise 8,12 %. Dieser Verzugszins ist zunächst eine Pauschale. Hat der Gläubiger einen höheren Zinsschaden, weil er etwa entsprechenden Bankkredit in Anspruch nimmt, muss der Schuldner auch diesen ersetzen.

Verzugskostenpauschale

Dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union war dies im Jahr 2011 nicht genug. Sie vertraten die Auffassung, dass über den Verzugszins hinaus eine gerechte Entschädigung des Gläubigers erforderlich sei, um vor der Überschreitung von Zahlungsfristen abzuschrecken. Der Gläubiger solle eine Beitreibungskosten-Pauschale erhalten, die die entstehenden Verwaltungskosten ersetzt. Am 16. Februar 2011 wurde deshalb die Richtlinie 2011/7/EU zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr erlassen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinie durch sein Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr vom 22. Juli 2014 in das deutsche Recht umgesetzt. Seither lautet § 288 Absatz 5 BGB:

Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht?

In der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur war seither umstritten, ob diese so genannte Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht ebenfalls erhoben werden kann. Relevant ist dies beispielsweise in dem Fall, in dem der Arbeitgeber das Gehalt zu spät bezahlt.

Viele Landesarbeitsgerichte halten die Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht für anwendbar

Für eine Anwendbarkeit der Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht haben sich bisher folgende Landesarbeitsgerichte ausgesprochen:

Zwiegespaltenes LAG Köln: Keine Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht

Demgegenüber hatte sich die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln mit Urteil vom 8. März 2018 – 8 Sa 796/17 der Mindermeinung angeschlossen und der Auffassung ihrer Kollegen aus der 12. Kammer ausdrücklich widersprochen.  Sie zog § 12a Absatz 1 ArbGG heran, um die Anwendbarkeit der Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht abzulehnen. Nach dieser Bestimmung besteht für die in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren obsiegende Partei kein Anspruch wegen Zeitsäumnis (oder Erstattung von Anwaltskosten). Tatsächlich hatte das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 27. Oktober 2005 – 8 AZR 546/03 entschieden, dass ein Verzugsschaden auf Grund dieser Regelung grundsätzlich nicht geltend gemacht werden könne. Allerdings war seinerzeit § 288 Absatz 5 BGB noch nicht in Kraft. Dennoch bezieht sich das LAG Köln in seinen Urteilsgründen ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: 

Die sogenannte Verzugspauschale fällt im Arbeitsrecht nicht an. Der Anwendung von § 288 Absatz 5 BGB auf arbeitsrechtliche Forderungen steht § 12a ArbGG entgegen.

Die Kammer ist zu dieser Annahme gelangt, indem sie von der zu § 12a ArbGG ergangenen ständigen Rechtsprechung des BAG ausgegangen ist. Das BAG nimmt an, dass § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG „jeden denkbaren Schadenersatzanspruch ausschließt“. Die Vorschrift schränke nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch ein, sondern entfalte zugleich materiell-rechtliche Wirkungen . In der Entscheidung vom 27. Oktober 2005 hat der 8. Senat inhaltlich übereinstimmend ausgeführt, § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG schließe einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, der als Schadenersatzanspruch entstanden sei, aus, gleichgültig, worauf er gestützt werde.

Solange das BAG an dieser Rechtsprechung festhält, ergibt sich daraus nach Auffassung der Kammer die Konsequenz, dass im Arbeitsrecht kein Anspruch auf die Verzugspauschale besteht. Dies folgt aus dem Rechtscharakter des Anspruchs aus § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB, der als pauschalisierter Schadenersatzanspruch zu verstehen ist.

Die Frage bleibt vorerst ungeklärt

Wir hatten diesen Blog schon vor einigen Tagen vorbereitet und die – gegebenenfalls anzupassende – Überschrift des letzten Absatzes lautete im Entwurf: „Das Bundesarbeitsgericht schließt sich der herrschenden Meinung an!“ Auch wenn wir davon ausgehen, dass es eines Tages genau so kommen wird: Der Streit bleibt vorerst unentschieden. Das LAG Berlin-Brandenburg hatte in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2017 zwar die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Eine Entscheidung musste das Bundesarbeitsgericht heute jedoch nicht fällen. Wenn es dazu kommt, werden wir berichten.

Update 06.09.18

Auch das Verfahren des LAG Düsseldorf, das wir oben genannt haben, liegt beim Bundesarbeitsgericht. Hier – und in zwei Parallelverfahren – ist nun eine mündliche Verhandlung auf den 25. September 2018, 8.30 Uhr angesetzt. Wir werden berichten.

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