Sportrecht | 17.05.2019

Aufnahmeanspruch in Monopolverband und Ein-Platz-Prinzip

Aufnahmeanspruch in Monopolverband und Ein-Platz-Prinzip

WELTWEIT

Das sogenannte Ein-Platz-Prinzip ist eine Besonderheit des organisierten Sportes weltweit.

Das internationale Olympische Komitee (IOC)  und internationale Fachsportverbände geben Ein-Platz-Prinzip vor. Ausnahme: Profiboxen; hier gibt es international vier Fachsportverbände (WBA, WBO, WBC, IBF).

DEUTSCHLAND

In Deutschland ist das Ein-Platz-Prinzip in der Satzung Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), dem Spitzenverband im deutschen Sport, verankert. Danach wird für jedes Bundesland nur ein Landessportbund und für jede Sportart nur ein Spitzenverband in den DOSB aufgenommen (= § 6 Nr. 2 Satzung des DOSB i.V.m. § 4 Nr. 2 Aufnahmeordnung des DOSB).

Der Grund für das Ein-Platz-Prinzip  liegt zwar auf der Hand. Gleichwohl ein unjuristischer Erklärungsversuch: Der Sport will in seinen Wettbewerben die Besten ermitteln. Das geht eigentlich nur unter gleichen Wettkampfbedingungen. Gibt es für eine Sportart verschiedene Sportverbände, gibt es in der Regel unterschiedliche Regeln und damit letztlich unterschiedliche Wettkampfbedingungen. Da wären wir wieder beim Boxen. Wer kennt den besten Boxer der Welt? Wer kennt die beste Boxerin der Welt? Keiner! Bei vier Verbänden und vier verschiedenen Weltranglisten und vier verschiedenen WM-Fights je Gewichtsklasse. Das wird schwierig. Wer einmal die unterschiedlichen Wettkampfregularien der Boxverbände angesehen, weiß, wovon die Rede ist.

Nun stellt dieses Ein-Platz-Prinzip – gehen wir vom deutschen Recht aus – einen Eingriff in das Freizügigkeitsrecht des Art. 9 Grundgesetz derjenigen dar, die einen Sportverband in einer Sportart gründen möchten, für die es bereits einen Verband gibt. Sie mögen ihn gründen können. Aufnahme in den DOSB erhalten sie aber grundsätzlich nicht. Siehe oben.

DAS EIN-PLATZ-PRINZIP VOR GERICHT

Solche Streitigkeiten beschäftigen nun immer wieder mal Gerichte, jüngst nämlich die Münchner Gerichtsbarkeit. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 24. 1. 2019 – Aktenzeichen 29 U 1781/18 Kart (vorhergehend: LG München I, Urt. v. 25. 4. 2018, Az. 37 0 711/17, rechtskräftig) ist in der Fachzeitschrift Sport und Recht (SpuRt) 2019, auf Seiten 81 ff. veröffentlicht. Die Leitsätze der Redaktion lauten wie folgt [Erläuterungen in Klammern vom Verfasser]:

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH [Bundesgerichtshof] kann ein Verein oder ein Verband, der eine Monopolstellung oder ganz allgemein im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat, gemäß §§ 826 BGB [Bürgerliches Gesetzbuch], 20 Abs. 5 GWB [Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen] zur Aufnahme eines Bewerbers verpflichtet sein, wenn ein wesentliches oder grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht.

2. Ob und inwieweit im Einzelfall ein Aufnahmezwang besteht, ist nach dem Grundsatz zu bestimmen, dass die Ablehnung der Aufnahme nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen darf, wobei die beiderseitigen Interessen zu berücksichtigen sind.

3. Hat das sog. „Ein-Platz-Prinzip“ in der Satzung eines Monopolverbandes in einer Form Niederschlag gefunden, die zu einer steten Quelle der Diskriminierung und Benachteiligung mehrfacher Sportverbände werden kann, so ist es Sache des Monopolverbandes, dem Prinzip eine Gestalt zu geben, die die diskriminierenden Folgen ausschließt.

SACHVERHALT

Der Kläger ist ein Taekwondo-Landesverband in Nordrhein- Westfalen, der eine Mitgliedschaft in dem Beklagten anstrebt. Der Beklagte ist die bundesweite Spitzenorganisation der Taekwondo-Landesverbände in Deutschland. Der Beklagte, dem derzeit bundesweit 17 Landesverbände angehören, ist Mitghed des Deutschen Olympischen Sportbunds sowie in der Pyramide des olympischen Taekwondo-Sports Mitghed der europäischen Taekwondo Union, die wiederum Mitglied des Weltverbandes, der World Taekwondo Federation, ist.

In § 5 der Satzung des Beklagten ist ein sog. Ein-Platz-Prinzip verankert, wonach für den Bereich eines Landessportbundes nicht mehr als ein Landesverband Mitghed des Beklagten sein kann. Dieses Prinzip wurde durchbrochen, nachdem das Landgericht München I den Beklagten mit Urteil vom 9. September 2008, Az. 33 O 12062/07, zur Aufnahme eines zweiten Landesverbandes für den Bereich Rheinland-Pfalz verurteilt hat.

Der Kläger hat am 3. 1. 2017 einen schriftlichen Antrag auf Aufnahme bei dem Beklagten gestellt. Für die Mitgliederversammlung am 11. 3. 2018 setzte der Beklagte die Entscheidung über den Aufnahmeantrag des Klägers auf die Tagesordnung. Die Mitglieder stimmten mehrheitlich gegen die Aufnahme des Klägers. Der Kläger hatte zuvor am 6. 2. 2018 für den Fall seiner Aufnahme vorsorglich bereits seinen Austritt aus dem Beklagten erklärt, falls die Nichtigkeit seiner Mitgliedschaft beim Budo-Dachverband im Verfahren vor dem Landgericht Duisburg rechtskräftig festgestellt werden sollte. Dort betreibt der andere Landesverband Nordrhein-Westfalens eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Aufnahme des Klägers in den Budo-Dachverband. Die Mitgliedschaft ist jedoch mittelbare Voraussetzungen, um Mitglied im Beklagten zu werden.

Mit der Klage verfolgt er sein Aufnahmebegehren weiter. Das Landgericht hat den Beklagten zur Aufnahme des Klägers verurteilt. Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Das OLG München hat die Berufung zurückgewiesen.

AUS DEN GRÜNDEN

… Das Interesse des Klägers (Kl) an der Mitgliedschaft überwiegt das Interesse des Beklagten (B) , den Kl aus dem Verband fernzuhalten. Der B kann sich – wie ausgeführt – hinsichtlich der Nichtaufnahme des Kl nicht mit Erfolg auf Vorschriften in seiner Satzung oder seiner Aufnahmeordnung berufen, die der Kl nicht erfüllt. Der Kl hat durch die Nichtaufnahme, wie auch vom B nicht in Frage gestellt wird, erhebliche Nachteile, insbesondere hinsichtlich der Fördergelder sowie hinsichtlich der Teilnahme der Sportler seiner Mitglieder an internationalen Wettkämpfen. Der organisatorische Mehraufwand, der die Mitgliedschaft des Kl gegenüber nur einem Mitglied aus Nordrhein-Westfalen mit sich bringt, wiegt die Nachteile des Kl nicht auf.

Dass die Mitgliedschaft des Kl im Budo-Dachverband gerichtlich angegriffen wurde, rechtfertigt es nicht, den Kl jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens nicht aufzunehmen, denn dies kann, wie schon der Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem LG Duisburg zeigt, zu einer jahrelangen Verzögerung führen, die dem Kl nicht zuzumuten ist. Die Durchbrechung des Ein-Platz-Prinzips kann, da es nicht diskriminierungsfrei ausgestaltet wurde, nicht zu Lasten des Kl berücksichtigt werden. Soweit der B meint, bei einer Verpflichtung zur Aufnahme des Kl würde seiner Verbandautonomie nicht hinreichend Rechnung getragen, übersieht er, dass die Verbandsautonomie, was die Aufnahme neuer Mitglieder angeht, bei einem Verband, der eine Monopolstellung innehat, gerade entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen eingeschränkt ist.

STELLUNGNAHME

Monopolverbände – und das sind die Sportverbände gerade durch das Ein-Platz-Prinzip geworden – neigen dazu, Ihre Monopolstellung zu missbrauchen. Das gilt es zu verhindern. Der Sport darf nicht besser oder anders beurteilt werden als andere Bereiche in der Gesellschaft. Die Münchner Gerichte haben dem in einem Einzelfall zu Recht den Riegel vorgeschoben. Das Ein-Platz-Prinzip ist grundsätzlich sinnvoll. Allerdings müssen sich die Sportverbände im Einzelfall auch mit den Voraussetzungen nachvollziehbar auseinandersetzen und dürfen sich nicht lapidar auf ein „Das war schon immer so“ berufen. Die Autonomie der Sportverbände ist ein Geschenk, mit dem die Sportverbände sorgsam umgehen müssen. Das ist nicht immer so. Die Entscheidungen des LG München und des OLG München sind zu begrüßen.

Bei Fragen im Sportrecht oder im Vereinsrecht wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Schneider unter + 49 721 943 114 15 (Sekretariat Frau Zwer) oder über unser Kontaktformular. Hier geht es zum Profil von Dr. Markus H. Schneider.

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