Verkehrsrecht | 02.07.2014

Linksabbieger im Straßenverkehr: Anscheinsbeweis greift!

Gegen den Linksabbieger spricht im Falle eines Verkehrsunfalls mit einem ihn Überholenden der Beweis des ersten Anscheins, dass er den Verkehrsunfall allein verschuldet hat.

 

Dies hat das Landgericht Lübeck, Urteil vom 05.02.2014 – Az. 17 O 255/12 entschieden.

Linksabbieger im Straßenverkehr - In dem zu entscheidenden Fall befuhr der Beklagte mit seinem Traktor samt angehängtem Güllewagen eine Bundesstraße.

Die ihm folgende Klägerin fuhr in gleicher Richtung hinter ihm und setzte zu einem Überholvorgang an.

Kurz bevor die Klägerin den Beklagten vollständig überholt hatte, bog letzterer nach links in die Einfahrt eines Bauernhofes ein, weshalb es zu einem Verkehrsunfall zwischen Linksabbieger und Überholender kam.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin die ihr anlässlich des Verkehrsunfalls entstandenen Schäden von dem Beklagten ersetzt.

Zu Recht?

Ja – das LG Lübeck gibt der Klage weitestgehend statt.

1.

Der Beklagte habe als Linksabbieger gegen § 9 Abs. 1 StVO, insbesondere auch gegen § 9 Abs. 1 S. 4 StVO und § 9 Abs. 5 StVO, verstoßen.

Der Beklagte als Linksabbieger sei seiner doppelten Rückschaupflicht nicht nachgekommen, als er in die Einfahrt des Bauernhofes eingefahren sei.

Deshalb sei er mit dem Fahrzeug der Klägerin kollidiert, die nach Beginn ihres Überholvorgangs den Beklagten beinahe vollständig überholt und sich bereits neben dem Beklagten befunden habe.

2.

Dabei spreche gegen den Beklagten als Linksabbieger der Beweis des ersten Anscheins, dass dieser den Verkehrsunfall allein verschuldet habe.

Dies ergebe sich aus § 9 Abs. 5 StVO, wonach beim Abbiegen in ein Grundstück eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen sei.

Der Beklagte als Linksabbieger habe die Klägerin jedenfalls bei der zweiten Rückschau wahrnehmen müssen und den Abbiegevorgang nicht beginnen dürfen, um einen Verstoß gegen § 9 StVO zu vermeiden.

Diesen Anscheinsbeweis habe der Beklagte nicht erschüttern können.

Im Gegenteil:

Nach der persönlichen Anhörung des Beklagten stehe fest, dass er nach links abgebogen sei, wiewohl die Sichtverhältnisse nach hinten erschwert waren.

Denn die Sicht im Rückspiegel sei durch den angehängten Güllewagen erheblich eingeschränkt gewesen.

Auch habe der Beklagte nicht bewiesen, dass der Abbiegevorgang für die Klägerin erkennbar war, als diese zum ihrem Überholvorgang angesetzt habe.

Insbesondere die Behauptung, dass der Fahrtrichtungsanzeiger (rechtzeitig) gesetzt worden sei, habe der Beklagte nicht nachgewiesen.

3.

Ob der Klägerin ein mitverursachender Verstoß gegen das sich aus § 5 Abs. 3 StVOergebende Überholverbot anzulasten sei, könne dahinstehen.

Denn aufgrund der erhöhten Betriebsgefahr des Traktors und des groben Verschuldens des Beklagten sei ein möglicher Verursachungsbeitrag der Klägerin derart gering, dass dieser zurücktrete.

Fazit:

1.

Die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO lautet wie folgt:

„Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss  man sich einweisen lassen.“

Entsprechendes, also den Ausschluss einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, sieht § 9 Abs. 1 S. 4 StVO für das „normale“ Linksabbiegen vor.

2.

Immer dann, wenn die Straßenverkehrsordnung (StVO) verlangt, dass bei einem bestimmten Verkehrsmanöver eine „Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist“, werden an den Adressaten der jeweiligen Vorschrift – hier den Linksabbieger – höchstmögliche Sorgfaltsanforderungen gestellt.

Kommt es in Zusammenhang mit einem Verkehrsmanöver, dass diesen strengen Sorgfaltsanforderungen unterliegt, zu einem Verkehrsunfall, dann nimmt die Rechtsprechung einen Anscheinsbeweis gegen den Adressaten der Vorschrift an, d.h.:

Es wird zunächst vermutet, dass die hohen Sorgfaltsanforderungen nicht erfüllt worden sind. Dieser Anscheinsbeweis muss dann erschüttert werden.

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