Verkehrsrecht | 05.03.2014

Mietwagenkosten nach Unfall: Was kann erstattet verlangt werden?

Bei der Bestimmung der nach einem Verkehrsunfall in der Regel erstattungsfähigen Mietwagenkosten – sog. Normaltarif – ist das arithmetische Mittel aus den Mietpreisen des sog. „Schwacke-Mietpreisspiegel“ und der sog. „Fraunhofer-Liste“ zu bilden, das dann für die Höhe der zu erstattenden Mietwagenkosten maßgebend ist.

Dies hat das Amtsgericht Villingen-Schwenningen, Urteil vom 25.07.2012, Az. 1 C 58/12 entschieden.

In dem zu entscheidenden Fall stritten die Parteien um die Höhe der nach einem Verkehrsunfall angefallenen und erstattungsfähigen Mietwagenkosten. Die Haftung dem Grunde nach war zwischen den Parteien unstreitig.

Der klagende Geschädigte verlangte vom beklagten Schädiger und dessen ebenfalls beklagter KFZ-Haftpflichtversicherung die Erstattung von außergerichtlich durch letztere nicht vollständig regulierter Mietwagenkosten auf Grundlage des sog. Schwacke-Mietpreisspiegels.

Die Beklagten wendeten hiergegen u. a. ein, der sog. Normaltarif sei zwar in der Regel zu erstatten. Er sei aber allein auf Grundlage der sog. Fraunhofer-Liste  zu ermitteln.

Zu Recht?

Das Amtsgericht Villingen – Schwennigen beschreitet bezüglich der Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten einen Mittelweg. Es gibt der Klage teilweise statt und weist sie im Übrigen ab.

1.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) könne der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten dürfe. Dabei sei durch den Geschädigten der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Dies bedeute, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlichen Markt relevanten und – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Mietwagentarifen – innerhalb eines gewissen Rahmens – grundsätzlich nur die günstigeren Mietwagenkosten erstattet verlangen könne.

Ersatzfähig an Mietwagenkosten sei in Anbetracht dessen in der Regel nur der sog. Normaltarif.

2.

Der Normaltarif könne dabei in Ausübung richterlichen Ermessens nach § 287 ZPO geschätzt werden.

Die Art der Schätzungsgrundlage sei dabei aber nicht vorgegeben. In geeigneten Fällen könnten Listen und Tabellen zur Schadenschätzung herangezogen werden. Im Falle der Schätzung der Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten nach einem Unfall namentlich – und in Einklang mit der Rechtsprechnung des BGH – der sog. „Schwacke-Mietpreisspiegel“ und/oder die sog. „Fraunhofer-Liste“.

a.

Die beiden Markterhebungen miteinander verglichen, würden beide Vor- und Nachteile aufweisen.

aa.

Für den Schwacke-Mietpreisspiegel spreche u.a., dass er Internettarife generell unbeachtet lasse und – verglichen mit der Fraunhofer-Liste – eine bessere örtliche Genauigkeit aufweise. Gegen ihn spreche vor allem, dass es sich um eine nicht anonymisierte Markterhebung handle. Den Mietwagenanbietern seien Sinn und Zweck der Erhebung bekannt gewesen, so dass es möglich sei, dass – aus Eigeninteresse – höhere Mietwagenkosten angegeben wurden, als bei einer anonymen Abfrage.

bb.

Für die Fraunhofer-Liste spreche, dass die Erhebung anonym erfolgt sei. Hierdurch könnten die konkrete Anmietsituation – eines Unfallgeschädigten – besser abgebildet und bewusste Manipulationen vermieden werden. Gegen die Fraunhofer-Liste spreche u.a., dass ihre Auswertung im Wesentlichen auf telefonischen Anfragen und Internetangeboten beruhe. Gerade letztere seien aber in der nachzubildenden Situation eines Unfallgeschädigten mangels – technischer und örtlicher – Verfügbarkeit grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Ferner werde aufgrund großer PLZ-Bereiche keine örtliche Genauigkeit erreicht. 

b.
Das Gericht halte im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens und in Anbetracht obiger Vor- und Nachteile beider Markterhebungen eine Kombination beider Listen zur Ermittlung des Normaltarifs, also der in der Regel erstattungsfähigen Mietwagenkosten, für richtig. Zu bilden sei das aritthmetische Mittel aus der Summe der jeweils einschlägigen Mietpreise beider Listen.

Diese stelle dann den ersatzfähigen Normaltarif dar. 

Fazit:

1.

Eine sehr instruktive, ausführliche und gut vertretbare Entscheidung des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen zu einem Dauerbrenner im Bereich der zivilrechtlichen Unfallschadenregulierung.

In der Rechtsprechnung ist allerdings streitig, wie der Normaltarif im Wege richterlichen Schätzung zu bestimmen ist.

Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen schließt sich einer noch jungen Rechtsprechung an, die der Bundesgerichtshof ausdrücklich gebilligt hat. Andere Gerichte legen ihrer Schätzung entweder nur den Schwacke-Mietpreisspiegel, andere nur die Fraunhofer-Liste zu Grunde.

2.

Zum Thema „Mietwagenkosten“ kann man sich grundsätzlich Folgendes merken, wobei eine rechtliche Beratung im konkreten Einzelfall hierdurch nicht ersetzt werden kann und soll:

a.

Mietwagenkosten können zu dem nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzfähigen Schaden gehören.

b.

Der Schädiger ist aber grundsätzlich nur verpflichtet, den sog. Normaltarif zu erstatten.

Dass sind die Mietwagenkosten, die sich im örtlichen Bereich des Geschädigten und außerhalb des sog. Unfallersatzgeschäfts im üblichen Mietwagentarif bewegen.

Ein sog. Unfallersatztarif ist nur ausnahmsweise erstattungsfähig.

Dies etwa dann, wenn sich der Geschädigte bei der Anmietung in einer Notsituation befand oder Zuschläge zum Normaltarif  dadurch gerechtfertigt werden können, dass sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge dessen erforderlich sind.

3.

Der Normaltarif kann durch die Gerichte nach § 287 ZPO geschätzt werden. Grundlage der Schätzung kann entweder der Schwacke-Mietpreisspiegel oder die Fraunhofer-Liste oder eine Kombination aus beidem sein.

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