Versicherungsrecht | 20.01.2023

Betriebsschließung wegen Corona – BGH zur Frage, wann die Versicherung zahlen muss!

Seit Beginn der Corona-Pandemie streiten Versicherer und Versicherungsnehmer um die Einstandspflicht der Versicherung im Fall der coronabedingten Betriebsschließung. Hierzu sich hat der Bundesgerichtshof am 18.01.2023 nun erneut geäußert. Aber zunächst einmal auf Anfang:

Corona und Betriebsschließung - Grundsatz

Gaststätten, Restaurant - und Hotelbetreiber schließen oftmals sogenannte Betriebsschließungsversicherung ab. Damit sollen die finanziellen Verluste im Fall einer behördliche angeordneten Betriebsschließung abgefangen werden. Aufgrund der mit der Betriebsschließung einhergehenden finanziellen Einbußen geht es um nicht weniger als die Existenz der betroffenen Betriebe. Gleichwohl geht es für die Versicherungen selbst oft um erhebliche Geldbeträge.

Ob im Fall von Corona die Betriebsschließungsversicherung eingreift, richtet sich nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen. Diese sind von Versicherung zu Versicherung unterschiedlich.

Betriebsschließung und Corona - bisherige Rechtsprechung

Rechtsprechung der Amts- Land- und Oberlandesgerichte zur verschiedenen Versicherungsbedingungen existieren noch und nöcher. Jedoch zählt am Ende in der Regel, was der Bundesgerichtshof urteilt. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 26.01.2022 - IV ZR 144/21 getan. Dort lagen der Entscheidung die "Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) - 2008 (ZBSV 08)" zugrunde, die auszugsweise lauteten:

"§ 2 Versicherte Gefahren

Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

Krankheiten: …

Krankheitserreger: …

…"

https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/2022012.html?nn=10690868

Der Bundesgerichtshof wies die Klage mit der - verkürzt dargestellten - Begründung ab, Corona sei in dem Katalog von Krankheitserregern nicht aufgeführt. Desweiteren sei nicht davon auszugehen, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannte Krankheiten und Krankheitserreger versichert sein sollen. Dies sei schließlich mit der Prämienkalkulation der Versicherung nicht vereinbar.

Das heißt vereinfacht: solange Corona nicht wörtlich in den Versicherungsbedingungen aufgeführt ist, besteht keine Einstandspflicht.

Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Durch das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.01.2023 - IV ZR 465/21 gibt es jedoch Hoffnung für Versicherungsnehmer im Fall der Betriebsschließung wegen Corona. Diesmal lagen der Entscheidung des BGH die "Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 19)" zugrunde. Diese lauteten:

"3 Versicherte Gefahren und Schäden

3.1 Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten

Der Versicherer leistet … Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Ziffer 3.4)

3.1.1 den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Ziffer 3.4 ganz oder teilweise schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebs oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt (Schließung); …

3.4 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) IfSG."

https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/2023012.html

Vorliegend ging es um die Einstandspflicht der Versicherung für die Betriebsschließung zum 1. Lockdown, sowie um die Einstandspflicht für die Betriebsschließung zum 2. Lockdown (ab. 02.11.2020). Für den 1. Lockdown verneinte der BGH die Einstandspflicht, da zu diesem Zeitpunkt der SARS-CoV-2-Erreger noch nicht in §§ 6 und 7 IfSG aufgenommen war. Nachdem der Erreger am 23.05.2020 jedoch in §§ 6 und 7 IfSG aufgenommen wurde, muss die beklagte Versicherung nunmehr den versicherten Betrag für den 2. Lockdown bezahlen.

Der Unterschied der Entscheidungen

Vielleicht fragen Sie sich: inwiefern unterscheiden sich die Versicherungsbedingungen? Beide Versicherungsbedingungen nehmen schließlich Bezug auf §§ 6 und 7 IfSG. Der Unterschied liegt in der Formulierung der ersten Versicherungsbedingungen (ZBSV 08) in einem einzigen Wort und der Aufzählung der Krankheiten:

"Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: ..."

"Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ..."

Die ZBSV 08 nehmen zwar auf §§ 6 und 7 IfSG bezug, schränken dieses mit einer nachfolgenden Aufzählung an Krankheiten ein. Die BBSG 19 halten sich jedoch stur an §§ 6 und 7 IfSG. Wieder einmal zeig sicht, dass es - wie im juristischen Alltag üblich - auf jede noch so kleine Formulierung ankommt. Daher sollten Sie sich in (Versicherungs-)rechtlichen Streitigkeiten stets an einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin wenden, der/die sich auf Versicherungsrecht spezialisiert ist.

Bei rechtlichen Fragen rund um das Versicherungsrecht stehen wir Ihnen mit unserer Kompetenz und Erfahrung gerne zur Verfügung!

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