Arbeitsrecht | 01.04.2022

BAG: Anfechtung des Aufhebungsvertrags nach Unterschrift ohne Bedenkzeit

Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer plötzlich mit einem Aufhebungsvertrag konfrontiert, ist die Stimmung immer aufgeladen. Der Arbeitgeber ist aber gehalten, mit dem Arbeitnehmer fair zu verhandeln. Verstößt der Arbeitgeber gegen dieses Gebot des fairen Verhandelns, kann der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag anfechten. Doch die Hürden liegen hoch, wie das Bundesarbeitsgericht kürzlich einmal wieder feststellte.

Fristlose Kündigung wegen Nichtigkeit ist meist eine widerrechtliche Drohung

Nach § 123 Absatz 1 BGB kann man eine Willenserklärung anfechten, wenn man zu ihrer Abgabe durch eine widerrechtliche Drohung bestimmt worden ist. Eine Drohung ist, wie die Jurist etwas antiquiert formuliert, die Ankündigung eines künftigen Übels. Wenn der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag vorlegt, droht er oft zugleich mit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung und eventuell sogar mit einer Strafanzeige. Der Arbeitgeber darf das grundsätzlich. Das gilt aber nicht bei kleinen Verfehlungen des Arbeitnehmers, wenn von vornherein klar ist, dass eine Kündigung unwirksam wäre .In solchen Fällen liegt immer eine widerrechtliche Drohung vor, die die Anfechtung des Aufhebungsvertrags begründen kann.

BAG: Anfechtung des Aufhebungsvertrags nach Unterschrift ohne Bedenkzeit

Das hatte der Arbeitgeber in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Februar 2022 aber nicht falsch gemacht. Dort soll die Arbeitnehmerin Daten verändert haben, um ihren persönlichen Arbeitserfolg - und damit vermutlich auch ihre Vergütung - zu steigern. Da hier grundsätzlich der Straftatbestand des Betrugs erfüllt sein kann, liegen fristlose Kündigung und Strafanzeige nicht fern. Das ist beispielsweise auch für den Arbeitszeitbetrug anerkannt. Eine Anfechtung des Arbeitsvertrags kam jedenfalls aus diesem Grund nicht in Betracht.

Aber der Arbeitgeber hatte der Arbeitnehmerin keinerlei Bedenkzeit eingeräumt. Sie wurde unverhofft zum Personalgespräch mit der Geschäftsführung und einem Fachanwalt für Arbeitsrecht gebeten. Dort konfrontierte man sie mit den Vorwürfen und legte ihr den Aufhebungsvertrag zur sofortigen Unterschrift vor. Wenn sie sich weigerte, würde man die fristlose Kündigung aussprechen. Nach einer zehnminütigen Pause, in der niemand etwas sprach, unterzeichnete die Arbeitnehmerin. Später fühlte sich die Arbeitnehmerin zur Unterschrift genötigt. Deshalb erklärte sie die Anfechtung des Aufhebungsvertrags.

Die Klage der Arbeitnehmerin ist am Ende ohne Erfolg

Vor dem Arbeitsgericht Paderborn war die klagende Arbeitnehmerin noch erfolgreich geblieben. Dessen Urteil hatte das Landesarbeitsgericht Hamm im vergangenen Jahr allerdings kassiert. Nun blieb die klagende Arbeitnehmerin mit Ihrer Revision bei dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. In Erfurt vertrat man die Auffassung, die Arbeitgeberin habe nicht unfair verhandelt und gegen ihre Pflichten aus § 311 Absatz 2 Nummer 1 in Verbindung mit § 241 Absatz 2 BGB verstoßen. Das Gericht argumentierte:

Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin wurde nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste.

Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung 08/22 vom 24. Februar 2022

Was also tun, wenn der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag vorlegt?

Für diese Situation gibt es keinen Rat, der in allen Fällen der zutreffende ist. In den allermeisten Fällen zahlt es sich jedoch aus, Ruhe zu bewahren und sich beraten zu lassen. Man muss sich als Arbeitnehmer bewusst sein, dass das Angebot des Aufhebungsvertrags einem Kalkül des Arbeitgebers entspringt. Vielleicht sprechen die Tatsachen ja gar nicht für eine fristlose Kündigung, sondern nur für eine Abmahnung. Oder vielleicht kann der Arbeitgeber nichts beweisen. Im Übrigen ist die Wahrscheinlichkeit, dass man im Rahmen einer Kündigungsschutzklage eine außerordentliche fristlose Kündigung in eine ordentliche Kündigung "umwandelt", meist sehr hoch. Hingegen ist es - wie auch in dem hier besprochenen Fall - nicht leicht, will man den einmal geschlossenen Aufhebungsvertrag anfechten.

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