Arbeitsrecht | 07.04.2015

BAG: Klageverzicht im Aufhebungsvertrag oft unwirksam!

Arbeitnehmer werden mitunter von ihrem Arbeitgeber zur Aufhebung des Arbeitsvertrags gedrängt, um eine Kündigung zu vermeiden. Regelmäßig unterliegen solche Aufhebungsverträge einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass der Klageverzicht im Aufhebungsvertrag unter bestimmten Umständen unwirksam ist.

Klageverzicht im Aufhebungsvertrag, der Fall beim BAG

Vor dem Bundesarbeitsgericht stritten Arbeitgeber und Arbeitnehmer um die Wirksamkeit eines Klageverzichts im Aufhebungsvertrag. Mit Urteil vom 12. März 2015 – 6 AZR 82/14 hat das Gericht das Verfahren an das Landesarbeitsgericht Hamm zurückverwiesen. Es ging um folgenden Sachverhalt:

Der Kläger war seit 2001 bei der Beklagten beschäftigt. Am 28. Dezember 2012 schlossen die Parteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Zahlung einer Abfindung mit dem 28. Dezember 2012 endete. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger mit einer außerordentlichen Kündigung und Strafanzeige gedroht, weil er aus ihrem Lagerbestand zwei Fertigsuppen ohne Bezahlung entnommen und verzehrt habe. Der Vertrag enthielt unter anderem einen Widerrufs- und Klageverzicht. Der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findende Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2008 beinhaltet in § 11 Absatz 10 bei Aufhebungsverträgen ein Widerrufsrecht innerhalb von drei Werktagen, auf das allerdings schriftlich verzichtet werden kann. Noch am 28. Dezember 2012 focht der Kläger den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an und begehrt im vorliegenden Rechtsstreit die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Die Androhung einer außerordentlichen Kündigung sei angesichts des langjährigen, unbelasteten Bestands des Arbeitsverhältnisses nicht vertretbar gewesen.

Pressemitteilung des BAG Nummer 11/15

ArbG Gelsenkirchen: Klageverzicht unwirksam, Widerrufsverzicht nicht.

Mit Urteil vom 28. Mai 2013 hatte das Arbeitsgericht Gelsenkirchen die Klage des Arbeitnehmers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zunächst abgewiesen. Allerdings nicht wegen seines Klageverzichts im Aufhebungsvertrag, denn dieser war nach Auffassung des Gerichts nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam. Deshalb war die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers wirksam.

Doch darauf es kam es den Gelsenkirchener Richtern nicht an: Wirksam sei nämlich der vereinbarte Verzicht auf den Widerruf  nach § 11 Absatz 10 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen. Dieser entspreche nämlich der der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Auch sei die Anfechtung des Arbeitnehmers unwirksam, denn die Drohung des Arbeitgebers mit einer fristlosen Kündigung sei nicht widerrechtlich erfolgt. Der Arbeitnehmer sei schließlich dringend verdächtig gewesen, eine gegen das Eigentum der Arbeitgeberin gerichtete Straftat begangen zu haben.

LAG Hamm: Widerrufsverzicht intransparent und auch unwirksam!

Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte der ersten Instanz Recht gegeben, soweit es geurteilt hatte, der Klageverzicht im Aufhebungsvertrag sei unwirksam gewesen:

Der formularmäßige Verzicht auf die Erhebung einer Klage ist nach § 307 Absatz 3 Satz 1 BGB kontrollfähig. Er stellt im vorliegenden Fall nicht die Hauptleistung der Aufhebungsvereinbarung dar. Dies ist vielmehr die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Dezember 2012. Hierzu sei der Klageverzicht lediglich eine Nebenabrede.

Aus den Gründen des Landesarbeitsgerichts:

Wie das Arbeitsgericht ... richtig herausgestellt hat, ist der reine Klageverzicht ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation unangemessen. Eine Kompensation ist dem Aufhebungsvertrag nicht zu entnehmen. So endet das Arbeitsverhältnis am Tag des Vertragsabschlusses, dem 28. Dezember 2012, ... . Die Beklagte hat sich nicht einmal bereitgefunden, das Arbeitsverhältnis um wenige Tage, bis zum 31. Dezember 2012 zu verlängern... . Auch im Übrigen enthält die Vereinbarung keine für den Kläger günstigen Regelungen. Vor allem aber im Hinblick darauf, dass die durch die Beklagte veranlasste Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Grundrechtsschutz des Klägers aus Artikel 12 Absatz 1 GG berührt, ist das Interesse des Klägers daran, die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsvereinbarung gerichtlich überprüfen zu lassen, hoch zu veranschlagen. Aus diesem Grunde gelten die für den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage entwickelten Grundsätze ebenso für eine durch den Arbeitgeber veranlasste einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ... .

Das Bundesarbeitsgericht vertritt nun die Auffassung, der Arbeitnehmer habe den Aufhebungsvertrags gar nicht nach § 11 Absatz 10 MTV widerrufen. Deshalb komme es auf die Wirksamkeit des entsprechenden Verzichts im Aufhebungsvertrags nicht an. Jedoch nehme der Klageverzicht im Aufhebungsvertrag dem Arbeitnehmer im Ergebnis die Möglichkeit, den Vertrag rechtlich durchsetzbar anzufechten. Dies wiederum sei mit nur dann nicht nach § 307 BGB unwirksam, wenn die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung tatsächlih nicht widerrechtlich war. Das hätten die Vorinstanzen bislang nicht aufgeklärt, so dass das Verfahren zurückzuverweisen war.

Der Klageverzicht im Aufhebungsvertrag ist oft unwirksam. Lassen Sie sich also beraten, wenn Sie das Gefühl haben, bei Vertragsschluss unter Druck gesetzt worden zu sein.

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