Arbeitsrecht | 07.01.2022

Kopftuch am Arbeitsplatz – nicht im evangelischen Krankenhaus

Das Kopftuch am Arbeitsplatz beschäftigt die Arbeitsgerichte seit vielen Jahren. Denn immer wieder stören sich Arbeitgeber aus verschiedensten Gründen an dem entsprechenden Anblick ihrer Arbeitnehmerinnen. Sie versuchen dann regelmäßig, das Tragen des Kopftuchs während der Arbeitszeit zu unterbinden. Geschieht das Tragen des Kopftuchs jedoch in Erfüllung einer religiösen Pflicht, ist das Grundrecht der Arbeitnehmerin auf ungestörte Religionsausübung gemäß § 4 Absatz 2 GG betroffen. Und nicht immer ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers geeignet, der Arbeitnehmerin das Kopftuch am Arbeitsplatz zu verbieten.

Fristlose Kündigung nach wiederholtem Kopftuchtragen

Im März dieses Jahres hatte sich das LAG Hamm über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung zu entscheiden. Die betroffene Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren als Krankenschwester in einem Krankenhaus der evangelischen Kirche beschäftigt. Sie hatte mit ihrer Arbeitgeberin seit Ende 2017 die unbezahlte Freistellung vereinbart. Bis zu dieser Zeit hatte sie kein Kopftuch am Arbeitsplatz getragen. Bevor Sie Anfang November 2019 an Ihren Arbeitsplatz zurückkehrte, hatte sie der Arbeitgeberin jedoch mitgeteilt, das künftig zu wollen. Dem widersprach die Arbeitgeberin und wies in mehreren Gesprächen auf die vertraglichen Pflichten der Arbeitnehmerin hin. Auf ihren Arbeitsvertrag fände nämlich eine tarifliche Bestimmung Anwendung, die sie zu einem wenigstens religionsneutralen Verhalten während der Arbeitszeit verpflichte. Dieser Pflicht widerspräche das Kopftuch am Arbeitsplatz.

Die Arbeitnehmerin blieb jedoch unbeirrt und erschien mit Kopftuch zur Arbeit. Wenig überraschend erteilt die Arbeitgeberin ihr unverzüglich eine Abmahnung und als sie nach kurzer Abwesenheit erneut mit Kopftuch zum Dienst erscheint, eine zweite. Als auch das keine Verhaltensänderung bei der Arbeitsnehmerin auslöst, spricht die Arbeitgeberin eine fristlose Kündigung aus. Die Arbeitnehmerin wollte das nicht hinnehmen und erhob eine Kündigungsschutzklage.

LAG Hamm: Rechtfertigt das Kopftuch am Arbeitsplatz eine fristlose Kündigung?

Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen wies die Klage ab, die dagegen gerichtete  Berufung wies das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 25. März 2021 zurück. Dabei konnte sich das LAG auf eine recht klare Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Bundesverfassungsgericht stützen. Das Urteil war also alles andere als ein überraschendes. Letztlich geht es um die Abwägung des Grundrechts auf freie Religionsausübung der Klägerin gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht aus Artikel 140 GG, 137 WRV. Denn dass die Klägerin mit dem Kopftuch am Arbeitsplatz gegen ihre Pflicht, sich gegenüber der Evangelischen Kirche neutral zu verhalten, ist leicht nachvollziehbar. Die entscheidende Frage ist, ob man diese Neutralitätspflicht der Klägerin zuzumuten ist oder nicht. Dabei sieht das Gericht durchaus die Motivation der Arbeitnehmerin:

Eine Verpflichtung, während der Arbeitszeit auf das Tragen des Kopftuchs zu verzichten, führt für die Klägerin zu einem ernsthaften Glaubenskonflikt. Denn die Klägerin wird vor die Wahl stellt, entweder ihre Tätigkeit bei der Beklagten auszuüben oder dem von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten. Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift vorgebracht, sie trage das Kopftuch „aufgrund ihres Glaubens“ und betrachte dies als „Pflicht“.

LAG Hamm, Urteil vom 25. März 2021 - 18 Sa 1197/20

Die Abwägung fällt jedoch zu Gunsten der Kirche aus

Das Landesarbeitsgericht wägt jedoch die Belange des Krankenhauses schwerer. Einerseits kannte die Arbeitnehmerin bei Abschluss des Arbeitsvertrags die Erwartungen der Arbeitgeberin hinsichtlich der Neutralitätspflicht und dem Kopftuch am Arbeitsplatz. Sie hat diesen Erwartungen bei Vertragsschluss zugestimmt und sich ihnen in diesem Sinne freiwillig unterworfen.  Andererseits müsste die Arbeitgeberin

würde sie Glaubensbekundungen der Klägerin tolerieren, zudem damit rechnen, dass andere nichtchristliche Mitarbeiter ebenso während der Arbeitszeit Glaubensbekundungen zugunsten der Religionsgemeinschaft, der sie jeweils angehören, tätigen würden. Der Verkündigungsauftrag der Kirche und deren Glaubwürdigkeit könnten hierdurch ernsthaft gefährdet werden. Außenstehende könnten den Eindruck gewinnen, die Kirche halte Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Zwänge man der Beklagten auf, dies innerhalb ihrer Einrichtung hinzunehmen, wäre das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Kernbereich beeinträchtigt.

Man mag dem zustimmen oder man mag eine andere Abwägung für zutreffend halten. Allerdings ist das im Moment der Stand der Rechtsprechung und Tendenzen, die auf eine Veränderung hinweisen gibt es nicht. Es ist also davon auszugehen, dass die Arbeitnehmerin, die sich bereits nach der ersten Abmahnung anwaltlich beraten ließ, um das Risiko, das sie mit dem Kopftuch am Arbeitsplatz einging, wusste.

Ihre Nachricht

Ihre Nachricht wurde gesendet. Vielen Dank!

Sie erreichen und auch telefonisch unter +49 721 / 943114-0.

Bitte beachten Sie folgendes: Durch die Zusendung einer E-Mail kommt noch kein Mandatsverhältnis zustande. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir ohne vorherige Vereinbarung keine Rechtsberatung per E-Mail erteilen können und keine fristgebundenen und Frist wahrenden Erklärungen entgegennehmen. Die Datenübertragung per Internet ist risikobehaftet. Dies sollten Sie insbesondere bei der Übersendung vertraulicher Informationen bedenken. Sollten wir eine E-Mail erhalten, gehen wir davon aus, dass wir zu deren Beantwortung per E-Mail berechtigt sind.