Immobilienrecht | 22.11.2013

Überhang: Was tun bei überhängenden Ästen?

1. Bei Überhang vom Nachbargründstück – hier: Äste und Zweige – besteht nach § 910 Abs. 1 S. 2 BGB ein Selbstvornahmerecht des Grundstückseigentümers, wenn er durch den Überhang beeinträchtigt wird und dem Nachbarn, von dessen Grundstück der Überhang herrührt, zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung des Überhangs gesetzt hat.

2. In diesem Fall besteht überdies ein Anspruch auf Ersatz der durch die ersatzweise Beseitigung von Überhang entstandenen Kosten.

Dies hat das Oberlandesgericht Koblenz (OLG Koblenz) mit Beschluss vom 08.10.2013, Az. 3 U 631/13 entschieden.

In dem zu entscheidenden Fall verlangte der klagende Grundstückseigentümer von  seiner beklagten Nachbarin Ersatz derjenigen Kosten, die ihm im Zuge der ersatzweisen Beseitigung von Überhang entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze entstanden waren, nachdem er letzterer unter angemessener Fristsetzung die Möglichkeit gegeben hatte, den Überhang selbst zu beseitigen.

Das LG Koblenz gab dem Kläger Recht. Hiergegen wendete sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Zu Recht?

Nein – das OLG Koblenz (aaO) weist die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurück.

1.

Der Kläger habe einen Anspruch auf Ersatz derjenigen Kosten, die im Zuge der ersatzweisen Beseitigung von Überhang entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze erforderlich waren. Dieser Anspruch ergebe sich aus den Vorschriften zur  ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB.

Die Beklagte habe etwas ohne Rechtsgrund durch die Leistung des Klägers und auf dessen Kosten erlangt.

Die Leistung bestehe hier darin, dass der Kläger Arbeiten – Beseitigung von Überhang – habe durchführen lassen, die Sache der Beklagten gewesen seien. Damit habe letztere einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt. Es es sei allein ihre Sache gewesen, die auf ihrem Grundstück befindlichen Bäume derart zurückzuschneiden, dass es nicht zu einem Überhang auf das Grundstück des Klägers komme.

Die Beklagte sei mithin durch Leistung des Klägers von einer  ihr obliegenden Verbindlichkeit befreit worden, ohne das hierfür ein Rechtsgrund bestehe.

2.
Nicht zu beanstanden sei, dass das Landgericht  aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt sei, dass der Überhang von dem Grundstück der Beklagten entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze – bis zu deren Beseitigung –  die Grundstücksnutzung für den Kläger nicht nur unerheblich beeinträchtigt habe.

3.

Nach all dem Vorstehenden habe dem Kläger gemäß § 910 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB – nach erfolgloser, angemessener Fristsetzung – das Recht zugestanden, die von dem Grundstück der Beklagten auf sein Grundstück herüberragenden Zweige, die die Nutzung letzteren erwiesenermaßen beeinträchtigten, abschneiden zu lassen und nach Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung eine Erstattung der ihm hierfür in Rechnung gestellten Kosten von der Beklagten zu verlangen:

Denn § 910 Abs. 1 BGB  bezwecke, nachbarliche Streitigkeiten, die sich aus dem Überschreiten der Grundstücksgrenze durch Wurzeln, Zweige und Äste, also Überhang, ergeben, auf schnelle und möglichst unkomplizierte Art und Weise, d.h. ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe, zu erledigen.

Sie räume daher gestörten Nachbarn ausnahmsweise ein Selbsthilferecht ein.

Fazit:

1.

Richtige Entscheidungen beider Instanzgerichte aus Koblenz, denen nichts hinzuzufügen ist.

2.

Auch wenn das Faustrecht hierzulande – zu Recht – abgeschafft worden ist, man also regelmäßig gerichtlicher, also staatlicher Hilfe bedarf, um seine Recht durchzusetzen, gibt es hiervon Ausnahmen, die sinnvoll sind.

Eine solche Ausnahme regelt § 910 Abs. 1 BGB für das zwischen Grundstücksnachbarn bestehende Rechtsverhältnis in Zusammenhang mit Überhang.

Dabei ist diese Ausnahme weder zu vernachlässigen, noch unterzubewerten.

Denn in dem durch das OLG Koblenz (aaO)  entschiedenen Fall hatte die – vermeintlich – harmlose und erfolglose Forderung des Klägers gegenüber der Beklagten, den Überhang zu beseitigen, nach Fristablauf zur Folge, dass letztere Kosten i. H. v. über 6.000,00 EURO (!!!) zu tragen hatte.

Diese Kosten hätten durch vorbeugende Beratung, etwa durch unseren Partner

Ralf Schulze Steinen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht,

vermieden werden können, ganz zu schweigen von den Prozesskosten in 2 Instanzen, die die Beklagte nebenher zu tragen hat…

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