Mietrecht | 03.12.2014

Verlängerungsoption vorbehaltlos ausgeübt: Kein Rechtsverlust!

Die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter trotz des Vorhandenseins von Mietmängeln führt nicht dazu, dass der Mieter für die Zukunft mit seinen Rechten aus §§ 536, 536 a BGB ausgeschlossen ist.

Dies hat der Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.2014, Az. XII ZR 15/12, entschieden.

Der Fall:

In dem zu entscheidenden Fall bestand zwischen den klagenden Mietern und den beklagten Vermietern ein Geschäftsraummietvertrag.

Dieser sah für die Mieter eine Verlängerungsoption vor.

Die Mietsache war mangelhaft, u. a. wegen undichter Fenster.

Trotz des Vorhandenseins der Mietmängel übten die Kläger die Verlängerungsoption aus und zwar ohne sich ihre Rechte wegen der Mietmängel vorzubehalten.

Die auf Rückzahlung der wegen der Mietmängel überzahlten Mieten gerichtete Klage der Mieter wies das Oberlandesgericht Zweibrücken  ab.

Argument:

Durch die vorbehaltlose Ausübung der Verlängerungsoption sei entsprechend § 536 b BGB auf Seiten der Mieter ein Rechtsverlust eingetreten.

Zu Recht?

Nein – der BGH hebt das Urteil des OLG Zweibrücken auf.

Die auf §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 536 Abs. 1 Satz 1 und 2, 536 a Abs. 1 und 2 BGB gestützten  Ansprüche der Kläger seien nicht gemäß § 536 b BGB ausgeschlossen, weil die Mieter trotz Kenntnis der Mietmängel die Verlängerungsoption ausgeübt hätten.

1.

Zwar sei richtig, dass gemäß § 536 b BGB dem Mieter die Rechte aus den §§ 536, 536 a BGB nicht zustünden, wenn er den Mangel der Mietsache bei Vertragsschluss kenne oder – ohne dass der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen habe – infolge grober Fahrlässigkeit nicht kenne oder wenn er die mangelhafte Sache trotz Mangelkenntnis annehme, ohne sich seine Rechte bei der Annahme vorzubehalten.

2.

Die Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter stelle aber weder einen Vertragsschluss i.S.d. § 536 b Satz 1 BGB dar, noch führe sie zu einer entsprechenden Anwendung des § 536 b BGB.

a.

Es sei aber dem OLG zuzugestehen, dass die in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend vertretene Auffassung davon ausgehe, dass § 536 b BGB auch dann eingreife, wenn der Mieter in Kenntnis des Mietmangels eine Verlängerungsoption ausübe, ohne sich seine Rechte vorzubehalten.

Argumente seien, dass einerseits die Ausübung einer Verlängerungsoption eine Zäsur in der Vertragsgestaltung darstelle, andererseits der Rechtsverlust dem Gesetzeszweck des § 536 b BGB entspreche.

b.

Die Gegenmeinung verweise himgegen darauf, dass § 536 b BGB im laufenden Mietverhältnis nicht analog anzuwenden sei.

Durch die Realisierung der im Vertrag geregelten Verlängerungsoption werde nur das bisherige Mietverhältnis fortgesetzt, nicht aber ein neues begründet.

3.

Die zuletzt genannte Auffassung sei zutreffend.

a.

§ 536 b BGB finde auf die Ausübung einer Verlängerungsoption keine unmittelbare Anwendung, weil es sich dabei nicht um einen Vertragsschluss im Sinn dieser Vorschrift handle.

Durch ihre Ausübung komme kein neuer Vertrag zustande.

Vielmehr wirke sie unmittelbar auf das bestehende Mietverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungswirkung lediglich die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit ändere und ihr einen neuen Zeitabschnitt hinzufüge.

Der ursprüngliche Mietvertrag werde aufgrund eines Verlängerungsmechanismus mit demselben Vertragsinhalt fortgesetzt und die Identität des Vertrags bleibe erhalten.

b.

Aber auch eine entsprechende Anwendung des §  536 b komme bei vorbehaltloser Ausübung einer Verlängerungsoption nicht in Betracht.

Zwar habe der Bundesgerichtshof zur alten Rechtslage entschieden, dass die Ausübung einer Verlängerungsoption eine entsprechende Anwendung von § 539 BGB a.F. rechtfertige.

Aufgrund der seit dem Inkrafttreten der §§ 536 b, 536 c  BGB bestehenden neuen Rechtslage, sei dem damals gezogenen Erst-Recht-Schluss aber die Grundlage entzogen.

Es fehle nämlich seit der Neuregelung durch das am 1. September 2001 in Kraft getretene Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 an einer für eine Analogie erforderlichen, planwidrigen Regelungslücke.

Denn der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, eine Regelung für den Fall zu treffen, dass der Mieter den Mangel erst nach Vertragsschluss erkennt und trotz Kenntnis des Mangels die Miete über einen längeren Zeitraum hinweg vorbehaltlos in voller Höhe weiterzahlt.

Vielmehr habe er klargestellt, dass es sich bei § 536 c BGB um die abschließende Regelung für nachträglich sich zeigende Mängel handeln solle.

Fazit:

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs erteilt der bis dahin herrschenden Auffassung in der (gewerberaum-) mietrechtlichen Rechtsprechung und Literatur eine klare Absage und zwar mit ausführlicher und überzeugender Begründung.

Dabei ist die Entscheidung nicht überraschend.

Denn der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte bereits im Jahr 2003 zu der Frage, ob die vorbehaltlose Mietzahlung trotz Mietmängeln zu einem Rechtsverlust entsprechend § 536 b BGB führt, entschieden, dass dies nicht der Fall ist.

In Anbetracht dessen ist eher überraschend, dass sich bis zur vorliegend besprochenen Entscheidung überhaupt eine zur Entscheidung aus dem Jahr 2003 diametral gegenüberstehende „herrschende Meinung“ bilden konnte.

Wie schon im Jahr 2003 zeigt der BGH allerdings auch  auf, dass dem Verhalten des Mieters im Einzelfall dennoch eine für ihn nachteilige Wirkung zukommen kann, nämlich über den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, und – im Falle vorbehaltloser Mietzahlung – über § 814 BGB.

Trotz der vorliegenden Entscheidung ist also der Mieter gut beraten, wenn er sich seine Rechte wegen der vorhandenen Mietmängel vorbehält und nicht zu lange mit deren Geltendmachung zuwartet…

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