Mietrecht | 02.04.2015

Widerrufsrecht und Maklervertrag – eine Branche wartet auf den Bundesgerichtshof

Bereits vor knapp zwei Jahren haben wir mit diesem Blog auf die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung beim Thema Maklervertrag und Widerrufsrecht hingewiesen. Konkret geht es darum, ob ein über das Internet vor dem 14. Juni 2014 abgeschlossener Maklervertrag als Fernabsatzvertrag widerruflich ist. Die Frage ist bis heute nicht höchstrichterlich geklärt und wann der Bundesgerichtshof hierzu entscheiden wird, ist offen. Aber eigentlich ist das auch eher eine Frage für den Gerichtshof der Europäischen Union.

OLG Bamberg verletzte bei der Frage Maklervertrag und Widerrufsrecht die Verfassung!

Am 17. Juni 2013 hatte sich in diesem Zusammenhang Ungewöhnliches ereignet: Das Bundesverfassungsgericht attestierte dem Oberlandesgericht Bamberg mit Beschluss vom 17. Juni 2013 – 1 BvR 2246/11 nichts weniger als Verfassungsbruch. Dass eine Partei durch ein gerichtliches Urteil in seinen Grundrechten verletzt wird, ist mehr ein theoretischer Fall aus dem Jura-Studium. Dass ein solches Urteil dann auch wirklich bis nach Karlsruhe getragen wird, ist eine große Ausnahme. Und dass es ein Oberlandesgericht getroffen hat, ist eine kleine Sensation.

Eine Immobilienmaklerin hatte vor dem Landgericht Aschaffenburg Ihren Mäklerlohn eingeklagt. Der Vertrag war online geschlossen worden. Die Maklerin hatte dann zwar erfolgreich eine Immobilie vermittelt, aber den Kunden nicht über sein Widerrufsrecht belehrt. Weil der Kunde den Vertrag widerrufen hatte, wies das Gericht die Klage ab.

Die Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung

Die Immobilienmaklerin ließ das nicht auf sich sitzen und legte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein. Doch das OLG Bamberg war der Auffassung, über diese Berufung müsse nicht einmal verhandelt werden. Mit einstimmigem Beschluss vom 8. Juni 2011 – 1 U 28/11 wurde die Berufung gegen dieses Urteil kurzerhand zurückgewiesen. Das Gericht meinte, dass die Rechtsfrage zu Maklervertrag und Widerrufsrecht keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 522 Absatz 2 Nummer 2 ZPO habe. Das sah man hier in Karlsruhe aber ganz anders. Die oberfränkischen Richter hatten nach Auffassung der Verfassungshüter das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt:

Die Frage der Anwendbarkeit des § 312b BGB auf Maklerverträge stellt zweifelsfrei eine klärungsfähige Rechtsfrage dar. Sie ist entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts auch klärungsbedürftig, denn sie ist höchstrichterlich nicht entschieden und in der Literatur umstritten.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. Juni 2013 - 1 BvR 2246/11

Maklervertrag und Widerrufsrecht: Auch OLG Düsseldorf und OLG Schleswig uneinig

Wie Recht das Bundesverfassungsgericht damit hat, zeigen die letzten beiden obergerichtlichen Entscheidungen zu dieser Frage:

Der Maklervertrag kam als Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312 b Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. zustande. Die Beklagte handelte bei Abschluss des Maklervertrages als Verbraucher und der Kläger als Unternehmer. Der Vertragsschluss erfolgte zwischen den Parteien unter ausschließlicher Verwendung von Telekommunikationsmitteln ... . Die Argumentation des Landgerichts, ein Vertriebs- oder Dienstleistungssystem, das für den Fernabsatz organisiert sei, liege nicht vor, überzeugt nicht. Denn aufwendige Maßnahmen sind für eine solche Organisation gar nicht erforderlich. Es wird als ausreichend angesehen, wenn wie hier eine Webseite im Internet unterhalten wird mit Bestellmöglichkeiten per Telefon, Telefax oder Email.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2014 - I-7 U 37/13:

Ein solcher Schutz ist beim Immobilienmaklervertrag nicht angebracht. Es gibt hier keinerlei Zahlungsverpflichtung allein aufgrund der fernmündlichen „Bestellung“. Die Entscheidung für den Abschluss des Hauptvertrages, in dessen Folge denn auch der Provisionsanspruch erst zur Entstehung kommt, beruht stets darauf, dass sich der Käufer ... ein genaues Bild von der Ware gemacht hat, die er erwerben möchte, und sich daraufhin in voller Kenntnis des dadurch ausgelösten Provisionsanspruchs ... entscheidet.

OLG Schleswig, Urteil vom 22. Januar 2015 - 16 U 89/14

Sowohl das Oberlandesgericht Düsseldorf wie auch das Oberlandesgericht Schleswig haben die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Sie wurde im Düsseldorfer Fall nicht eingelegt. Ob sich der dortige Beklagte gegen das Urteil aus Schleswig wendet und die Verfahrensakte inzwischen beim Bundesgerichtshof liegt, ist noch nicht bekannt.

Unsere Meinung: Widerrufsrecht besteht!

Wir haben zum Thema Maklervertrag und Widerrufsrecht eine klare Auffassung: Es spricht wirklich alles dafür, dass es sich beim Online-Maklervertrag um einen Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312b BGB handelt. Die Richter aus Schleswig haben es nämlich offenkundig versäumt, die europarechliche Herkunft der Reglung zu prüfen. Auf die hatte man in Düsseldorf vollkommen zu Recht hingewiesen. Streng genommen wäre es die Verpflichtung der genannten Oberlandesgerichte gewesen, die zu entscheidende Rechtsfrage dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Artikel 267 AEUV vorzulegen. Immerhin beruhen die einschlägigen Bestimmungen des BGB auf der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011. In dem dortigen Erwägungsgrund Nr. 26 heißt es am Ende ausdrücklich:

Dienstleistungsverträge … wie auch Verträge über Dienstleistungen von Immobilienmaklern und über die Vermietung von Räumen für andere als Wohnzwecke sollten unter diese Richtlinie fallen.

und nach Art. 83 Art. 2 Nr. 6 dieser Richtlinie ist

Dienstleistungsvertrag jeder Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt.

Vor diesem Hintergrund gibt es nur eine Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung des § 312b BGB a. F.

Update 8. Juli 2016

Das Thema Maklervertrag und Widerrufsrecht in Altverträgen ist gestern vom Bundesgerichtshof entschieden worden: Das Widerrufsrecht besteht. Wer das ausführliche Urteil lesen möchte, findet es hier.

Ihre Nachricht

Ihre Nachricht wurde gesendet. Vielen Dank!

Sie erreichen und auch telefonisch unter +49 721 / 943114-0.

Bitte beachten Sie folgendes: Durch die Zusendung einer E-Mail kommt noch kein Mandatsverhältnis zustande. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir ohne vorherige Vereinbarung keine Rechtsberatung per E-Mail erteilen können und keine fristgebundenen und Frist wahrenden Erklärungen entgegennehmen. Die Datenübertragung per Internet ist risikobehaftet. Dies sollten Sie insbesondere bei der Übersendung vertraulicher Informationen bedenken. Sollten wir eine E-Mail erhalten, gehen wir davon aus, dass wir zu deren Beantwortung per E-Mail berechtigt sind.