Urheber- und Medienrecht | 08.09.2023

Verdachtsberichterstattung: Wann ist sie zulässig?

Die Berichterstattung über Verdachtsfälle (sogenannte Verdachtsberichterstattung) wandelt auf dem schmalen Grat zwischen Pressefreiheit und den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen. In einer Zeit, in der Nachrichten in sekundenschnelle verbreitet werden, ist es unumgänglich, die Verantwortung und Rechte der Medien sowie die Rechte der Betroffenen in Einklang zu bringen.

Verdachtsberichterstattung: Was ist das?

Die Presse berichtet regelmäßig über identifizierbare und noch nicht verurteilte Personen, die im Verdacht stehen, Straftaten begangen zu haben - sogenannte Verdachtsberichterstattung. Die - zulässige - Verdachtsberichterstattung bedient das legitime Interesse der Öffentlichkeit, über Verfehlungen und Missstände auch in einem Stadium informiert zu werden, in dem lediglich ein Verdacht besteht. Allerdings schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auch vor einer mit der Verdachtsberichtserstattung einhergehenden Rufschädigung. Denn auch wenn sich der Verdacht nicht bestätigt - irgendwas bleibt in den Köpfen der Bevölkerung hängen.

Zulässige Verdachtsberichterstattung: Voraussetzungen

Die Rechtsprechung hat die Voraussetzungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung über die Jahre entwickelt. Zuletzt hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 20.06.2023 - VI ZR 262/21) diese erneut - lehrbuchartig - zusammengefasst. Der BGH führt aus:

Für eine identifizierende Verdachtsberichterstattung ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen, erforderlich. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.

Zusammengefasst:

  • Mindestbestand an Beweisen
  • keine Vorverurteilung (Verdachtsstadium muss deutlich werden)
  • Stellungnahme muss eingeholt werden
  • Vorgang mit gravierendem Gewicht (Abwägung Öffentlichkeitsinteresse vs. Persönlichkeitsrecht)

BGH - Entscheidung

In dem zugrundliegenden Fall veröffentlichte der SPIEGEL einen Artikel über einen armenischen Diplomaten und schrieb unter anderem, dieser "stand bereits vor 10 Jahren in Verdacht, in internationale Schleuseraktivitäten verwickelt zu sein". Zudem schrieb der ebenfalls beklagte MDR unter anderem: "Denn der Botschafter stand selber im Fokus von Geldwäscheermittlungen durch deutsche Fahnder [...] Doch einer anderen Behörde liegen noch weitere brisante Informationen zu S. vor."

Der BGH nahm indes eine unzulässige Verdachtsberichterstattung an. Denn sowohl SPIEGEL als auch MDR berichteten über den Fall, ohne dass diesen ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorlag. Somit verstießen beide gegen ihre publizistischen Sorgfaltspflichten. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens allein sei schließlich für die Annahme eines Mindestmaßes an Beweistatsachen noch nicht ausreichend.

Daher stand dem Betroffenen ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Absatz 1 S. 2 BGB analog, § 823 Absatz 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Absatz 1, Art. 2 Absatz 1 GG und damit auch ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten zu.

Unzulässige Verdachtsberichtersattung - wir helfen!

Sollte eine Verdachtsberichterstattung zu Ihren Lasten erfolgt sein, prüfen wir zunächst, ob diese nach den Grundsätzen des BGH zulässig ist. Sodann beraten wir Sie, in welchem Umfang Sie hiergegen vorgehen können. Hierbei stehen nämlich verschiedene Möglichkeiten - mit unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen - zur Verfügung:

  • Unterlassungsansprüche
  • Gegendarstellungen / Richtigstellung
  • Löschung
  • Schadensersatz

Denn wir sind Ihre kompetenten Ansprechpartner für das Presserecht in Karlsruhe!

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