Versicherungsrecht | 14.08.2022

Die Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 VVG – Versicherungsrecht Karlsruhe

Versicherungsrecht Karlsruhe

Ein Schadensfall ist eingetreten, aber der Versicherer kürzt Ihren Anspruch wegen Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 VVG? Dies ist - insbesondere bei hohen Schadenssummen - ärgerlich!

Was steckt eigentlich hinter der Anspruchskürzung aufgrund (grob fahrlässiger) Herbeiführung des Versicherungsfalls, beziehungsweise welche Grundsätze gelten hier?

Die Herbeiführung des Versicherungsfalls - Vorsatz

Gemäß § 81 Abs. 1 VVG ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer die Leistung vorsätzlich herbeiführt. Das leuchtet ein, schließlich muss der Versicherer vor missbräuchlichem und betrügerischem Verhalten von Versicherungsnehmern geschützt werden.

Der sogenannte Versicherungsmissbrauch steht im Übrigen nach § 265 StGB unter Strafe!

Die Herbeiführung des Versicherungsfalls - grobe Fahrlässigkeit

Praxisrelevanter ist hingegen die Kürzung der Versicherungsleistung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls gemäß § 81 Abs. 2 VVG. Das Problem für den durschnittlichen Versicherungsnehmer: er weiß mitunter nicht, was unter grober Fahrlässigkeit zu verstehen ist.

Dabei hilft auch das Gesetz nicht wirklich weiter. Denn nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Grob fahrlässig handelt demnach derjenige, der dies ist grober Art und Weise tut. Was wiederum im Einzelfall die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ist, kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer meist nicht beurteilen.

Deswegen haben wir nachfolgend zwei anschauliche Beispiele für Sie zusammengestellt, in denen Gerichte eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls angenommen und somit eine Anspruchskürzung vorgenommen haben:

Kontrolle des Herdes beim Verlassen des Hauses

Ein Versicherungsnehmer hatte vergessen, den - auf höchster Stufe - eingeschalteten Herd vor Verlassen des Hauses auszustellen. Das OLG Bremen hat in diesem Fall jüngst mit Urteil vom 12.05.2022 (Az. 3 U 37/21) entschieden, dass der Versicherer zu einer Leistungskürzung um 25 % berechtigt ist.

Grundsätzlich ist auch subjektiv das Anschalten einer Herdplatte auf höchster Stufe bei gleichzeitigem Verlassen des Hauses für ca. 20 Minuten eine erhebliche Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt. Allerdings glaubte die Kl. subjektiv, sämtliche Herdplatten ausgeschaltet zu haben. Allein auf diesen Eindruck durfte sie sich allerdings nicht verlassen. Offensichtlich hat sie die Drehknöpfe ohne Sichtkontakt verstellt, denn sonst hätte sie nicht den falschen Schalter betätigt. Angesichts der besonderen Gefährlichkeit eines in Betrieb befindlichen Elektroherdes oblag der Kl. die Pflicht, sich durch einen Blickkontakt zu vergewissern, dass der Herd auch tatsächlich – wie von ihr beabsichtigt – ausgeschaltet war. Dies gilt insbesondere deswegen, weil sie beabsichtigte, unmittelbar nach der Betätigung des Herdes das Haus zu verlassen.

OLG Bremen, Urteil vom 12.05.2022 - 3 U 37/21

Kfz-Diebstahl mit steckendem Schlüssel

Sollte Ihr Fahrzeug gestohlen werden, weil Sie den Wagen unverschlossen und mit steckendem Schlüssel verlassen haben, kann der Versicherer die Versicherungsleistung kürzen - in Höhe von 75 %!:

Insoweit hat das LG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend auf die Entscheidung des BGH vom 22. 06. 2011 verwiesen, wonach eine Leistungskürzung des Versicherers auf Null nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt, und dabei im vorliegenden Fall einen solchen Ausnahmefall verneint. Diesbezüglich hat das LG alle maßgeblichen Umstände in die Abwägung einbezogen. Insbesondere hat es auf der einen Seite darauf abgestellt, dass der Kl. keine hinreichenden Vorkehrungen gegen die Entwendung des Fahrzeuges getroffen hat, indem er dieses unverschlossen und mit steckendem Fahrzeugschlüssel abgestellt hat.

Andererseits hat es jedoch zu Recht berücksichtigt, dass der Kl. das Fahrzeug nicht auf der Straße, sondern neben dem Waschsalon, den er lediglich für einige (maximal 10) Minuten besucht hat, in einer Einfahrt abgestellt hat und bei dem Fahrzeug alle Türen und Fenster geschlossen waren, mithin für einen Dritten nicht sofort zu erkennen war, dass das Fahrzeug – insbesondere aufgrund des steckenden Fahrzeugschlüssels – leicht zu entwenden war.

OLG Dresden, Beschluss vom 21.11.2019 - 4 U 2082/19

Aber: das OLG hat angedeutet, eine Kürzung auf Null sei in solchen Fällen durchaus denkbar. Sollte das Fahrzeug also mit erkennbar steckendem Schlüssel an der Straße stehen, wäre der Versicherer folglich zu einer Leistungskürzung in Höhe von 100 % berechtigt.

Leicht auffindbarer Tresorschlüssel

Zugunsten einer Versicherungsnehmerin hat hingegen das Kammergericht Berlin entschieden. Die Hausratversicherung wollte für einen Diebstahl nicht aufkommen, da die Versicherungsnehmerin Wertgegenstände in einem Wandtresor verstaut hatte, den zugehörigen Schlüssel aber leicht auffindbar im Haus aufbewahrt.

Hierzu führt das Kammergericht aus:

Abgesehen davon ist der Vorwurf grober Fahrlässigkeit auch nicht berechtigt. Denn der Vorwurf der grob fahrlässigen Schadensverursachung setzt grundsätzlich voraus, dass das fragliche Verhalten, das zum Schaden geführt hat, den nach dem Vertrag vorausgesetzten Standard an Sicherheit im Hinblick auf die versicherte Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten hat . Das kann hier gerade nicht festgestellt werden. Denn nach den Versicherungsbedingungen gilt für Wertsachen (Schmuck, Münzen o. ä.) bis zu einer Wertgrenze von 20.452 EUR kein spezieller Sicherheitsstandard. Insoweit hat die Bekl. Versicherungsschutz unabhängig von den Verwahrverhältnissen zugesagt (vgl. § 19 VHB 84 und den Nachtrag zum Versicherungsschein). Da die Kl. mit der Verwahrung in dem eingemauerten Tresor sogar einen höheren Sicherheitsstandard als vertraglich vorausgesetzt gewahrt hatte, ist der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens erst Recht nicht begründet.

KG Berlin, Hinweisbeschluss vom 27.07.2018 - 6 U 38/17

Anspruchskürzung durch den Versicherer? Wir helfen!

Unterstellt Ihr Versicherer Ihnen die (grob fahrlässige) Herbeiführung des Versicherungsfalls, ist in jedem Fall die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu empfehlen, der mit Versicherern auf Augenhöhe verhandeln kann!

Versicherungsrecht Karlsruhe Rechtsanwalt Lukas Kielmann

Ihr Ansprechtpartner für Versicherungsrecht bei den schneideranwälten ist Rechtsanwalt und Unternehmensjurist LL.B Lukas Kielmann, weil er bereits im Studium seinen Schwerpunkt auf das Versicherungsrecht setzte.

Wir beraten sowohl Versicherungsnehmer als auch Versicherer in allen versicherungsrechtlichen Angelegenheiten!

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