Arbeitsrecht | 19.07.2018

Ausgleichsquittung: Gefährlich, aber oft unwirksam!

Am Ende des Arbeitsverhältnisses legen Arbeitgeber häufig eine so genannte Ausgleichsquittung vor. Sie bergen erhebliche Risiken für den Arbeitnehmer. Viele Klauseln in Ausgleichsquittungen benachteiligen den Arbeitnehmer so sehr, dass sie unwirksam sind.

Was ist eine Ausgleichsquittung?

Die Ausgleichsquittung sollen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer klare Verhältnisse zu schaffen und Streit in der Zukunft vermeiden. Mit der Ausgleichsquittung erklärt der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber, dass ihm keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mehr zustehen. Dabei ist die Bezeichnung „Quittung“ irreführend. Es handelt es sich nämlich nicht um eine Quittung im Sinne von § 368 BGB. Meist handelt es sich um einen Erlassvertrag gemäß § 397 Absatz 1 BGB oder um ein negatives Schuldanerkenntnis gemäß § 397 Absatz 2 BGB. In jedem Fall besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer auf Rechte oder Ansprüche verzichtet, ohne das zu beabsichtigen.

Die unwirksame Ausgleichsquittung

Ausgleichsquittungen sind seit jeher Gegenstand gerichtlicher Verfahren. Sie werden so gut wie immer vom Arbeitgeber im Voraus formuliert und dem Arbeitnehmer zur Unterschrift vorgelegt. Aus diesem Grund ist ihre Wirksamkeit nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305ff. BGB) zu prüfen. Sie dürfen deshalb nicht überraschend und müssen klar und verständlich formuliert sein. Überdies dürfen sie den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen.

Überraschende Ausgleichsquittung unter Überschrift Arbeitspapiere 

2014 hat das Bundesarbeitsgericht im Verfahren 2 AZR 788/13 über einen Fall zu entscheiden, in dem der Arbeitgeber ein Schriftstück mit folgendem Inhalt vorgelegt hatte.

Arbeitspapiere

Hiermit bestätige ich, folgende Papiere ordnungsgemäß von der Firma zurückerhalten zu haben.

  • Lohnsteuerkarte + Lohnsteuerbescheinigung
  • Sozialversicherungsabmeldung
  • Lohnzettel
  • Lohnrestzahlung (Scheck)
  • Urlaubsnachweis
  • Kurzauswertung Entfernungs-km …

Ich (Arbeitnehmer) bestätige, dass ich weitergehende Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung nicht mehr gegen die Firma F habe. Eine Kündigungsschutzklage werde ich nicht erheben; eine bereits erhobene Kündigungsschutzklage werde ich unverzüglich zurücknehmen.

Die vorstehende Ausgleichsquittung habe ich sorgfältig gelesen und zur Kenntnis genommen.

Es war bereits fraglich, ob der Arbeitnehmer das Schriftstück überhaupt gelesen hat. Im Kündigungsschutzverfahren behauptete er jedenfalls, er habe keine Ausgleichsquittung unterzeichnet.

In letzter Instanz gab ihm das Bundesarbeitsgericht Recht. Der Arbeitnehmer brauche mit einer Ausgleichsquittung unter der Überschrift Arbeitspapiere nicht rechnen. Die Klausel sei überraschend im Sinne von § 305c BGB und deshalb schon nicht Vertragsbestandteil geworden.

Verzicht auf Kündigungsschutzklage: unangemessene Benachteiligung

In dem soeben beschriebenen Fall urteilte das BAG weiter, dass der Kündigungsverzicht im Rahmen der Ausgleichquittung auch unwirksam wäre. Er benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen, weil der Arbeitgeber damit seine Rechtsposition ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeitnehmers verbessere. Er entziehe ihm die Möglichkeit, die Rechtswirksamkeit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies verstoße jedenfalls dann gegen § 307 Absatz 1 BGB, wenn der Arbeitnehmer hierfür keine Kompensation erhielte. Anders liegt die Sache also, wenn der Arbeitnehmer für seinen Klageverzicht eine angemessene Gegenleistung erhält.

Ausgleichsquittung mit wechselseitiger Verzicht „gleich aus welchem Rechtsgrund“

Auch das LAG Schleswig-Holstein hatte sich in der jüngeren Vergangenheit mit dem Thema Ausgleichsquittungen zu beschäftigen. In dem Verfahren 1 Sa 61/13 ging es um einen Arbeitnehmer der folgenden Text unterschrieben hatte:

Der Arbeitnehmer & Arbeitgeber bestätigen mit ihrer Unterschrift, dass alle gegenseitigen Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, aus dem Arbeitsverhältnis, außer die oben genannten Ansprüche, und in Verbindung mit dessen Beendigung erfüllt sind. Der Arbeitnehmer hat auch den ihm zustehenden Urlaub und das gemäß Lohnabrechnung ausstehende Gehalt in natura erhalten bzw. abgegolten bekommen.

Trotzdem zog der Arbeitnehmer vor Gericht, um noch ausstehenden Lohn geltend zu machen. Das Landesarbeitsgericht hatte daher zu klären, ob diese Erklärung zum Verlust der Ansprüche des Arbeitnehmers führt. Es entschied zu Gunsten des Arbeitnehmers, denn die Ausgleichsquittung benachteiligt ihn unangemessen. Sie ist gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam. Weil der Arbeitnehmer gemäß § 614 BGB zur Vorleistung verpflichtet ist, hat der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses typischerweise keine Ansprüche mehr gegen den Arbeitnehmer. Anders ist es beim Arbeitnehmer, der häufig noch Ansprüche gegen den Arbeitgeber hat, beispielswiese auf Urlaubsabgeltung oder Zeugniserteilung. Daher steht der Verzicht des Arbeitnehmers in der Ausgleichsquittung in keinem Verhältnis zum Verzicht des Arbeitgebers.

Niemals blind unterschreiben, was der Chef vorlegt!

Auch wenn wir hier nur unwirksame Ausgleichsquittungen vorgestellt haben, sollten sie nie blind unterzeichnet werden. Die Gefahr, dass man auf Ansprüche verzichtet, die man in dem Moment der Unterschrift nicht präsent hat, ist groß. Die Ausgleichsquittung dient fast immer eher den Wünschen des Arbeitgebers als denen des Arbeitnehmers. Es stellt sich daher in den meisten Fällen die Frage, weshalb der Arbeitnehmer eine solche Unterschrift überhaupt leisten sollte. Und auch wenn die Formulierung unwirksam ist, muss man erst das Arbeitsgericht bemühen, um zu seinem Recht zu kommen.

Ihre Nachricht

Ihre Nachricht wurde gesendet. Vielen Dank!

Sie erreichen und auch telefonisch unter +49 721 / 943114-0.

Bitte beachten Sie folgendes: Durch die Zusendung einer E-Mail kommt noch kein Mandatsverhältnis zustande. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir ohne vorherige Vereinbarung keine Rechtsberatung per E-Mail erteilen können und keine fristgebundenen und Frist wahrenden Erklärungen entgegennehmen. Die Datenübertragung per Internet ist risikobehaftet. Dies sollten Sie insbesondere bei der Übersendung vertraulicher Informationen bedenken. Sollten wir eine E-Mail erhalten, gehen wir davon aus, dass wir zu deren Beantwortung per E-Mail berechtigt sind.