Arbeitsrecht | 23.08.2018

Videoüberwachung am Arbeitsplatz Teil 2: Beweisverwertungsverbot bei Videoüberwachung?

Die rechtmäßige Videoüberwachung am Arbeitsplatz zwingt den Arbeitgeber nicht zur Vernichtung der Aufnahmen innerhalb einer bestimmten Zeitraums. Sie können auch Monate später noch als Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren verwendet werden. Weder § 6b Absatz 5 BDSG noch die Datenschutz-Grundverordnung führen nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts in jedem Fall zu einem Beweisverwertungsverbot bei Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Entscheidend ist jedoch, ob es sich um eine rechtmäßige Videoüberwachung am Arbeitsplatz gehandelt hat.

Der Fall

Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der beklagte Arbeitgeberin betreibt ein Ladengeschäft mit Bargeldverkehr. Sie beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer, so dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Mit der Klägerin verband die Arbeitgeberin ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis. Sie hat die klagende Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 13. August 2016 fristlos „wegen der begangenen Straftaten“ gekündigt.

Die Arbeitgeberin hatte behauptet, eine rechtmäßige Videoüberwachung am Arbeitsplatz durchgeführt zu haben. Anlässlich eines behaupteten Warenschwundes hat sie Anfang August 2016 die Aufzeichnungen des in der Filiale installierten Videogeräts  ausgewertet. Dabei hat sie festgestellt, dass die Arbeitnehmerin Anfang Februar 2016 vereinnahmte Geldbeträge nicht registriert und in die Kasse eingelegt habe. Aber gibt es da nicht ein Beweisverwertungsverbot bei Videoüberwachung am Arbeitsplatz?

Ausgangslage: Beweisverwertungsverbot bei Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Die Vorinstanzen

Die Arbeitnehmerin hat Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Iserlohn erhoben und in erster Instanz gewonnen. Die Arbeitgeberin ging in Berufung und verlor erneut vor dem Landesarbeitsgericht Hamm. Es vertrat in seinem Urteil vom 20. Dezember 2017 – 2 Sa 192/17 die Auffassung, die Aufzeichnungen aus der Videoüberwachung am Arbeitsplatz seien nicht verwertbar. Aufgrund des Daten- und Persönlichkeitsschutzes der Arbeitnehmerin bestehe ein Beweisverwertungsverbot bei Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Die Aufzeichnungen vom Februar 2016 seien erst sechs Monate später ausgewertet und daher entgegen § 6b Absatz 5 BDSG nicht unverzüglich gelöscht worden. Da die Aufzeichnungen ausgewertet wurden, als sie bereits zu löschen gewesen waren, durfte man sie nicht mehr verwerten.

Frühere Äußerungen des BAG

Die Arbeitgeberin hatte eine gute anwaltliche Beratung. Mit ein wenig Gespür konnte man die heutige Entscheidung erahnen. Das BAG hat nämlich zuletzt mehrfach die Persönlichkeitsrechte von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz den Interessen der Arbeitgeber untergeordnet. Es hat beispielsweise bereits die Meinung vertreten, dass kein dringender, sondern nur ein konkreter Verdacht einer Straftat für eine verdeckte Videoüberwachung am Arbeitsplatz erforderlich ist (Urteil vom 20. Oktober 10.2016 – 2 AZR 395/15). Ebenfalls im Jahr 2016 hat es entschieden, dass der Verdacht einer Straftat überhaupt nicht notwendig sei, es genüge der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung (Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16). Unsere kritische Anmerkung zu dieser Entscheidung finden Sie hier.

Die heutige Entscheidung: War es eine rechtmäßige Videoüberwachung am Arbeitsplatz?

Die heutige Entscheidung zur Beweisverwertungsverbot bei Videoüberwachung am Arbeitsplatz führt die beschriebene Linie des BAG fort. Die Vorinstanzen hatten überhaupt nicht geprüft, ob es sich um eine rechtmäßige Videoüberwachung gehandelt hat. Für sie war dies nicht entscheidungserheblich: Nachdem die Arbeitgeberin die Aufzeichnungen zu lange aufbewahrt hatte, durfte sie diese ja ohnehin nicht mehr verwerten. Das BAG, aus dessen heutiger Pressemitteilung wir im Folgenden zitieren, ist anderer Auffassung:

Sollte es sich … um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt haben, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Absatz 1 Satz 1 BDSG aF zulässig gewesen und hätte dementsprechend nicht das durch Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Der Beklagte musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache zurück verwiesen: Ob es sich um eine rechtmäßige Videoüberwachung gehandelt hat, wird das LAG Hamm nun prüfen müssen, bevor eine endgültige Entscheidung ergehen kann.

Aber wann ist eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz eigentlich rechtmäßig? Hierzu geben wir Ihnen am 12. September 2018 an dieser Stelle einen Überblick.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Videoueberwachung-am-Arbeitsplatz-scaled.jpg

Ihre Nachricht

Ihre Nachricht wurde gesendet. Vielen Dank!

Sie erreichen und auch telefonisch unter +49 721 / 943114-0.

Bitte beachten Sie folgendes: Durch die Zusendung einer E-Mail kommt noch kein Mandatsverhältnis zustande. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir ohne vorherige Vereinbarung keine Rechtsberatung per E-Mail erteilen können und keine fristgebundenen und Frist wahrenden Erklärungen entgegennehmen. Die Datenübertragung per Internet ist risikobehaftet. Dies sollten Sie insbesondere bei der Übersendung vertraulicher Informationen bedenken. Sollten wir eine E-Mail erhalten, gehen wir davon aus, dass wir zu deren Beantwortung per E-Mail berechtigt sind.