Mietrecht | 07.05.2014

Schlüsselverlust: Wann haftet der Mieter auf Schadensersatz?

Ein Mieter haftet dem Vermieter bei einem Schlüsselverlust nur dann auf Schadensersatz, namentlich auf Ersatz der für den Austausch einer Schließanlage erforderlichen Kosten, wenn die Schließanlage tatsächlich gewechselt wird.

Die bloße Befürchtung, der verlorene Schlüssel könne missbraucht werden, reicht für eine Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz nicht aus.

 

Die hat der Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.03.2014, Az. VIII ZR 205/13 entschieden.

Schlüsselverlust im Mietrecht - Welche Ansprüche bestehen?

In dem zu entscheidenden Fall ging es um einen Schlüsselverlust durch den beklagten Mieter einer Eigentumswohnung.

Bei Mietende hatte er dem klagenden Vermieter nicht alle ihm zu Beginn des Mietverhältnisses überlassenen Schlüssel zur Schließanlage des Wohnhauses zurückgegeben.

Der Mieter wurde deshalb zunächst zur Zahlung der für den Austausch der Schließanlage erforderlichen Kosten aufgefordert. Ihm wurde mitgeteilt, dass die Schließanlage nach Zahlungseingang ausgetauscht werde.

Der Mieter zahlte nicht, der Vermieter erhob Klage auf Zahlung der Nettokosten, da die Schließanlage noch nicht ausgetauscht worden war.

Das Amtsgericht Heidelberg verurteilte den Mieter antragsgemäß.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Mieters wies das  Landgericht Heidelberg zurück.

Insbesondere greife der Einwand des Mieters, Schadensersatz könne bei Schlüsselverlust nur dann verlangt werden, wenn die Schließanlage tatsächlich auch getauscht werde, nicht.

Zu Recht?

Nein – der BGH hebt das Urteil des LG Heidelberg auf und weist die Klage ab.

1.

Zwar sei richtig, dass der Beklagte seine mietvertragliche Nebenpflicht zur Obhut über den nicht mehr auffindbaren Schlüssel durch den Schlüsselverlust verletzt habe und daher dem Kläger gegenüber – grundsätzlich – zum Schadensersatz verpflichtet sei.

Auch habe sich der Mieter vom Verschuldensvorwurf nicht entlasten können.

Richtig sei auch, dass der Schlüsselverlust bei Vorhandensein einer Schließanlage aus Sicherheitsgründen den Austausch der gesamten Schließanlage erforderlich machen könne, falls eine missbräuchliche Verwendung des nicht auffindbaren Schlüssels durch Unbefugte zu befürchten sei.

2.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitere aber daran, dass die Schließanlage tatsächlich nicht ausgetauscht worden sei.

a.

Zwar könne ein Geschädigter den für die Beseitigung eines Sachschadens erforderlichen Aufwand im Hinblick auf § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich auch fiktiv abrechnen.

Dies setze aber voraus, dass ein erstattungsfähiger Vermögensschaden entstanden sei.

Hieran fehle es im Streitfall.

b.

Eine Sache oder Sachgesamtheit sei nur dann beschädigt, wenn ihre Sachsubstanz verletzt sei.

Der Schlüsselverlust führe bei der gebotenen wertenden Betrachtung aber nicht zu einer – über die hier nicht streitgegenständliche Einbuße des verlorenen Schlüssels an sich hinausgehende – Beeinträchtigung der Sachsubstanz der Schließanlage.

aa.

Dass die Schließanlage in ihrer Sicherungsfunktion beeinträchtigt sei, wenn sich Unbefugte mit dem verloren gegangenen Schlüssel Zutritt verschaffen könnten, sei keine unmittelbare Folge eines Substanzeingriffs.

Dies zeige sich schon daran, dass diese Funktionsbeeinträchtigung durch einen neu angefertigten Schlüssel und die damit verbundene Kompensation der eingebüßten Sachsubstanz nicht beseitigt werden könne.

bb.

Soweit das LG Heidelberg die durch den Verlust des Schlüssels bedingte Funktionsbeeinträchtigung als Eingriff in die „substantielle Funktionalität“ der Sachgesamtheit „Schließanlage“ werte, vermenge es die Verletzung der Sachsubstanz und die Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion der Schließanlage.

Während im ersten Fall schon aufgrund der schadensrechtlichen Differenzhypothese vom Vorliegen eines Sachschadens auszugehen sei, bedürfe es bei der beschriebenen Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion einer wertenden Betrachtung unter Einbeziehung der Verkehrsauffassung, ob sich das wegen einer Missbrauchsgefahr bestehende Sicherheitsrisiko zu einem Vermögensschaden verfestigt habe.

Dies sei nicht der Fall.

Das rein abstrakte Gefährdungspotential stelle regelmäßig keinen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar.

Ein ersatzfähiger Schaden entstehe vielmehr erst dann, wenn sich der Geschädigte aus objektiver Sicht unter den konkret gegebenen Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen dürfe, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornehme.

In einem solchen Fall habe sich das Gefährdungspotential in einer Vermögenseinbuße realisiert.

An diesen Voraussetzungen fehle es hier.

Fazit:

Der BGH entscheidet eine bis dahin in der mietrechtlichen Literatur und Instanzrechtsprechung heftig umstrittene Frage.

Nach der gegenläufigen Ansicht sollte der Verlust eines einzelnen, zu einer Schließanlage gehörenden Schlüssels zu einem Sachschaden an der Schließanlage führen.

Denn die Sachgesamtheit „Schließanlage“ sei durch den Schlüsselverlust und die damit verbundene Missbrauchsgefahr in ihrer Funktion beeinträchtigt.

Der Eigentümer könne deshalb seinen Schaden abstrakt berechnen und die (fiktiven) Kosten eines Austausches der Schließanlage als den gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Die Sorge aber, es könne mit dem verloren gegangenen Schlüssel Missbrauch getrieben werden, ist nach Auffassung des BGH nicht kommerzialisierbar.

Vielmehr stellt der Austausch der Schließanlage eine Maßnahme der Schadensverhütung dar, für die Schadensersatz erst nach deren Durchführung verlangt werden kann.

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