Verkehrsrecht | 05.10.2024
Auffahrunfall an Ampel – Wer ist schuld?
Einer der häufigsten Gründe für Verkehrsunfälle ist das Auffahren von hinten.
In der Regel ist davon auszugehen, dass der Auffahrende voll verantwortlich ist:
Denn entweder er war unaufmerksam, zu schnell unterwegs oder hat den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten.
Ob hiervon immer ausgegangen werden kann, kann aber im Einzelfall fraglich sein, insbesondere dann, wenn der Vorausfahrende plötzlich und grundlos abbremst.
Auffahrunfall an Ampel - Was gilt, wenn der Vorausfahrende trotz grüner Ampel plötzlich abbremst?
Wer Auto fährt, der kennt den "Spruch":
Wer auffährt ist schuld!
Aber ist das wirklich immer so? Die Antwort lautet: Nein - es kommt auf den jeweiligen Einzelfall an - siehe z. B. hier!
Auch in einem jüngst durch das OLG Schleswig entschiedenen Fall stellte sich die Frage nach der Haftung für einen Auffahrunfall.
Auffahrunfall an Ampel - Der Fall
Am Unfalltag musste das Fahrzeug der Klägerin an einer "rot" zeigenden Ampel zunächst angehalten werden. Nachdem die Ampel auf "grün" gesprungen war, fuhr das Klägerfahrzeug zwar zunächst an, bremste aber nach Überfahren der Haltelinie - plötzlich - wieder vollständig ab.
Der Beklagte fuhr von hinten auf, wobei zwischen den Parteien im Einzelnen streitig war, wie genau es zum Auffahrunfall gekommen war.
Das Landgericht ging von einer Haftungsquote 50 - 50 aus.
Zu Recht?
Auffahrunfall an Ampel - Die Entscheidung
Nein - das
OLG Schleswig - Urteil vom 19.03.2024 -7 U 82/23
ändert die Haftungsquote auf 80 - 20 zu Lasten des Auffahrenden / Beklagten ab. Denn gegen ihn spreche der Beweis des ersten Anscheins dahingehend, den Unfall - allein - durch verkehrsordnungswidriges Verhalten verursacht zu haben:
Entweder habe er den gem. § 4 I StVO erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, sei nicht gem. § 1 StVO aufmerksam gewesen oder aber sei nicht gem. § 3 I StVO mit einer angepassten Geschwindigkeit gefahren.
Der Anscheinsbeweis sei hier auch nicht erschüttert.
Insbesondere liege kein grundloses "starkes Abbremsen" vor, das für den Auffahrunfall (mit-) ursächlich gewesen sein könne. Denn da das Klägerfahrzeug gerade erst angefahren war, könne es schon gar keine Geschwindigkeit aufgenommen haben, in der ein starkes Abbremsen überhaupt möglich gewesen wäre.
Allerdings sei die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs in die Abwägung der Verursachungsanteile mit 20 % einzustellen. Denn ein greifbarer Grund für dessen Abbremsen sei nicht ersichtlich.
Im Ergebnis sei mithin eine Haftungsquote für den Auffahrunfall von 80 - 20 angemessen.