Verkehrsrecht | 05.03.2019

Motorradunfall – Kein Mitverschulden wegen fehlender Schutzkleidung!

Bei einem Motorradunfall kommt ein Mitverschulden des Motorradfahrers wegen fehlender Schutzkleidung nur dann in Betracht, wenn ein Verkehrsbewusstsein zum Tragen von Schutzkleidung bei den betroffenen Verkehrsteilnehmern besteht.

Bei Harley Davidson – Fahrern kann ein solches Verkehrsbewusstsein nicht festgestellt werden.

Dies hat das Landgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 07.06.2018 – 2-01 S 118/17, entschieden.

DER FALL:

In dem zu entscheidenden Fall ging es um einen Motorradunfall.

Verwickelt in den Motorradunfall waren ein Pkw sowie ein Motorrad der Marke Harley Davidson.

Der Motorradfahrer, der an den Beinen keine Schutzkleidung trug, erlitt dort erhebliche Verletzungen.

Er begehrte klagweise u. a. die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes.

Zwar war die volle Haftung der beklagten Autofahrerin für den Motorradunfall grundsätzlich unstreitig.

Die Autofahrerin meinte aber, den Motorradfahrer treffe an den Verletzungen an den Beinen ein Mitverschulden, weil er dort keine Schutzkleidung getragen habe.

Zu Recht?

DIE ENTSCHEIDUNG:

Nein  – das LG Frankfurt/Main kann kein Mitverschulden des Motorradfahrers am Motorradunfall bzw. den Verletzungen an den Beinen feststellen.

1.

Vorauszuschicken sei zunächst, dass gemäß § 21 a Absatz 2 StVO lediglich das Tragen eines Schutzhelms für Motorradfahrer gesetzlich vorgeschrieben sei, hingegen das Tragen von Schutzbekleidung an den Beinen nicht.

Mit einem Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften könne mithin ein Mitverschulden am Motorradunfall bzw. den Verletzungen an den Beinen nicht begründet werden.

2.

Dennoch könne ein Mitverschulden des Motorradfahrers in Betracht bekommen, wenn der Verletzte diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen habe, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflege.

Grundsätzlich maßgeblich bei der Beantwortung dieser Frage sei, ob und inwieweit ein allgemeines Verkehrsbewusstsein bestehe, zum eigenen Schutz bestimmte Schutzkleidung zu tragen.

Das Bestehen eines solchen, allgemeinen Verkehrsbewusstseins sei anhand von allgemein zugänglichen Erkenntnissen über die tatsächlichen Gepflogenheiten der konkreten Gruppe der Verkehrsteilnehmer positiv festzustellen.

3.

Darlegungs- und beweisbelastet für die Voraussetzungen eines Mitverschuldens des Motorradfahrers an dem Motorradunfall  sei die Beklagte.

Diese sie beweisfällig geblieben.

Im vorliegenden Fall habe das Gericht ein allgemeines Verkehrsbewusstsein zum Tragen von Motoradschutzkleidung – etwa Lederhosen mit Protektoren – an Beinen beim Fahren einer Harley Davidson nicht festzustellen vermocht.

Zwar habe die Beklagte eine E-Mail der Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch Gladbach zum Beweis für ein allgemeines Verkehrsbewusstsein vorgelegt.

Aus dieser E-Mail gehe hervor, dass im Jahr 2014, dem des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls, 43 % der befragten 2091 Fahrer eine schützende Beinkleidung trügen.

Es seien aber 43 % schon nicht ausreichend, um ein allgemeines Verkehrsbewusstsein festzustellen.

Hinzu komme, dass  Motorräder der Marke Harley Davidson typischerweise weniger zum schnellen Fahren, sondern zum „Cruisen“, also einem moderateren Fahrstil, genutzt würden, bei dem die Gefahr von Verletzungen deutlich geringer sei.

PRAXISHINWEIS:

Die Beantwortung der auch durch das LG Frankfurt/Main thematisierten Frage nach einem Mitverschulden des Motorradfahrers ist streitig.

1.

Wie das LG Frankfurt/Main entschieden in ähnlichen Fällen u. a. das

OLG München, Urteil vom 19.05.2017 – 10 U 4256/16

LG Heidelberg, Urteil vom 13.03.2014 –2 O 203/13 

Anders entschied das

OLG Brandenburg, Urteil vom 23.07.2009 – 12 U 29/09.

Das OLG Brandenburg stützt seine Auffassung nicht auf eine positive Erkenntnis über ein allgemeines Verkehrsbewusstsein.

Es gelangt allein aufgrund der Feststellung, dass das Tragen von Motoradschutzkleidung das Verletzungsrisiko bekanntermaßen reduziere, zu der Annahme,

…die meisten Motorradfahrer empfänden es heutzutage als eine persönliche Verpflichtung, mit Schutzkleidung zu fahren und jeder wisse, dass das Fahren ohne Schutzkleidung ein um vielfach höheres Verletzungsrisiko in sich berge.

2.

Der

BGH, Urteil vom 17.06.2014 – VI ZR 281/13

hat sich mit der Frage nach einem Mitverschulden infolge Nichtbeachtung eines allgemeinen Verkehrsbewusstseins ebenfalls bereits befasst. In der Entscheidung ging es um die Frage nach einem Mitverschulden infolge Nichttragens eines Fahrradhelms.

Was man aus dieser Entscheidung für einen Motorradunfall ohne Schutzbekleidung ableiten kann erfahren Sie von unserem Partner Ralf Schutze Steinen, Fachanwalt für Verkehrsrecht

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