Wohnungseigentumsrecht | 03.02.2017

Modernisierung und bauliche Veränderung nach § 22 WEG – der feine Unterschied!

Eine Modernisierung i. S. v. § 22 Abs. 2 WEG muss sich sich stets auf die gesamte Wohnungseigentumsanlage beziehen. Ist dies nicht der Fall, liegt eine bauliche Veränderung i. S. v. § 22 Abs. 1 WEG vor, der grundsätzlich alle Wohnungseigentümer zustimmen müssen.

 

Dies hat das Landgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 13.01.2017, Az. 2-13 S 186/14, entschieden.

Der Fall:

In dem zu entscheidenden Fall wurde einem Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss die Anbringung eines Klimageräts an der Fassade des Gebäudes genehmigt.

Der Beschluss wurde mit der für eine Modernisierung i. S. v. § 22 Abs. 2 WEG erforderlichen, qualifizierten Mehrheit gefasst. 

Der Kläger war hiermit nicht einverstanden und erhob fristgerecht Beschlussanfechtungsklage.

Es liege keine Modernisierung, sondern eine bauliche Veränderung vor. Deshalb hätten alle Wohnungseigentümer zustimmen müssen, was indes nicht der Fall und auch nicht entbehrlich sei.

Das Amtsgericht Darmstadt wies die Beschlussanfechtungsklage ab.

Zu Recht?

Nein – das LG Frankfurt/Main ändert das Urteil der Vorinstanz ab und gibt der Beschlussanfechtungsklage statt.

1.

Der angefochtene Beschluss habe nicht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden können.

Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage seien nicht gegeben.

Es liege keine Modernisierung entsprechend § 555 b Ziffer 1 bis 5 BGB vor.

Es bestehe keine nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts oder Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse im Sinne dieser Regelungen – andere Varianten kämen erkennbar nicht in Betracht.

Diese müssten sich nämlich nach zutreffender Auffassung auf die gesamte Wohnungseigentumsanlage und nicht nur – wie hier – auf eine einzelne Mit- und Sondereigentumseinheit beziehen.

Anderenfalls geriete § 22 Abs. 1 WEG gegenüber § 22 Abs. 2 WEG in Umkehrung des nach der Systematik dieser Gesetzesregelungen angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses vom Regelfall zum (seltenen) Ausnahmefall.

Denn die meisten baulichen Veränderungen, die gerade (nur) von einem einzelnen Wohnungseigentümer (nur) in Bezug auf seine eigene Mit- und Sondereigentumseinheit vorgenommen werden, eine nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts und/oder eine Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse (nur) für diese bedeuten würden, was gerade der Grund für deren Durchführung sei.

Beispielsweise bedürften – vom Gesetz sicherlich nicht intendiert – hiernach nicht der Zustimmung aller Wohnungseigentümer:

Anbau oder Errichtung eines Balkons, einer Terrasse oder eines Wintergartens an eine einzelne Wohnung; Erweiterung der Balkon-, der Terrassen- oder der Wintergartenfläche einer einzelnen Wohnung; Anbringung einer Markise für eine einzelne Wohnung; Verglasung oder Überdachung des Balkons oder der Terrasse einer einzelnen Wohnung; Errichtung einer Außentreppe für eine einzelne Wohnung; vom Kläger erwähnte Installation einer Parabolantenne für eine einzelne Wohnung.

Dies gehe offensichtlich so nicht an.

Der vom Amtsgericht gegen die hiesige Rechtsauffassung angeführte Fall eines Fahrstuhls bzw. Aufzugs sei mit diesen Beispielen gerade nicht vergleichbar, sondern unterfalle tatsächlich § 22 Abs. 2 WEG, da das Vorhandensein eines Fahrstuhls bzw. Aufzugs im oder am Gebäude einer Wohnungseigentumsanlage in aller Regel für sämtliche sich in diesem befindende Einheiten einschließlich der Erdgeschosswohnung(-en) eine Gebrauchswerterhöhung bedeute und nicht nur für einzelne bzw. für die über dem Erdgeschoss gelegenen Wohnungen.

2.

Hier liege nach alledem eine bauliche Veränderung i. S. v. § 22 Abs. 1 WEG vor.

Der genehmigende Beschluss habe mithin nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer und damit auch des Klägers gefasst werden können, woran es aber fehle.

Einschlägig sei insofern § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG und nicht § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG.

Denn die Installation der Klimaanlage mit den Maßen: Breite 88,7 cm/ Höhe 61,9 cm/ Tiefe 37,0 cm bzw. Breite 87,2 cm/ Höhe 54,2 cm/ Tiefe 28,9 cm an der Außenfassade des Gebäudes mit 10,0 cm Abstand zu dieser sei auch unter Berücksichtigung der Anbringung unterhalb des Dachfirsts und der gegenüber der weißlichen Fassadenfarbe ähnlichen Farbgebung eine ganz erhebliche optische Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums über das gemäß § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß hinaus.

Hierbei komme es im Übrigen ausschließlich darauf an, dass das Gerät für die Wohnungseigentümer sowie Dritte – sehr deutlich, wie sich schon aus den zur Akte gereichten Lichtbildern ergebe, zumal angesichts der betroffenen zur Straße hin gelegenen Fassadenseite des Gebäudes – sichtbar sei, wohingegen die konkrete Lage der Wohnung des Klägers und die Blickrichtung von dieser aus nicht relevant sei.

Fazit:

Die Entscheidung des LG Frankfurt/Main überzeugt.

Bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums sind einer der Dauerbrenner im Wohnungseigentumsrecht schlechthin.

Mehr zum diesem Thema finden Sie hier.

Noch Fragen offen? Dann sprechen Sie bitte unseren Partner Ralf Schulze Steinen, Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht an!

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