Arbeitsrecht | 21.12.2021

Kündigung wegen Führerscheinentzug kann unwirksam sein

Wenn ein Arbeitnehmer den Führerschein verliert, hat das oft Auswirkungen auf sein Arbeitsverhältnis. Viele Arbeitnehmer müssen zur Verrichtung ihrer Arbeit nämlich ein KFZ führen. Eine personenbedingte Kündigung (§ 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG) kann dann wirksam sein. Das Bundesarbeitsgericht hat vor Jahren sogar eine fristlose Kündigung wegen Führerscheinentzug als wirksam erachtet. Einem Arbeitnehmer aus Ludwigshafen ist es jedoch in diesem Herbst gelungen, eine Kündigung wegen Führerscheinentzug mit einer Kündigungsschutzklage erfolgreich abzuwenden.

Trunkenheitsfahrt im Dienstwagen mit 1,8 ‰

Die Vorgeschichte des Prozesses ist schnell erzählt: Es handelte sich um den Mitarbeiter eines Chemieunternehmens, der im gesamten Bundesgebiet Kunden zu betreuen hatte. Vertraglich hatte man den Besitz eines Führerscheins vereinbart. Der Mitarbeiter war etwa 20 Jahre bei seinem Arbeitgeber beschäftigt, als er am 13. Oktober 2019 in seinen Dienstwagen stieg, obschon er zuvor nicht wenig Alkohol getrunken hatte. Die Trunkenheitsfahrt endete mit einem Sachschaden in Höhe von etwa 18.000 € an einem Baum. Das Amtsgericht Ludwigshafen sorgte in dem anschließenden Strafverfahren dafür, dass der Arbeitnehmer rund 14 Monate ohne Führerschein war.

Dass der Arbeitnehmer nun auch im Hinblick auf seinen Arbeitsvertrag ein Problem haben würde, war offenkundig. Er versuchte, es zu lösen, indem er schon kurz nach der Tat das Gespräch mit seinem Arbeitgeber suchte. Er bot an, auf eigene Kosten einen Fahrer anzustellen, der ihn in der Zeit des Führerscheinentzugs zu den Kunden bringen würde. Der Arbeitgeber jedoch wollte sich darauf nicht einlassen. Nachdem er den Betriebsrat angehört hatte, sprach er am 21. Oktober 2019 die fristlose Kündigung wegen Führerscheinentzug aus.

LAG Rheinland-Pfalz: Kündigung wegen Führerscheinentzug kann Grund für fristlose Kündigung sein

Im September 2020 war bereits das Arbeitsgericht Ludwigshafen zu dem Ergebnis gekommen, dass die fragliche Kündigung wegen Führerscheinentzug unwirksam gewesen war. Der Arbeitnehmer hatte seine Kündigungsschutzklage gewonnen. Das jedoch wollte der Arbeitgeber nicht auf sich sitzen lassen und griff das Urteil mit der Berufung an.

Erfolglos! Zwar stellte das LAG Rheinland-Pfalz fest, dass der Verlust des Führerscheins einen Kündigungsgrund darstellen kann:

Die Entziehung der Fahrerlaubnis stellt einen Umstand dar, der an sich geeignet sein kann, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung aus personenbedingten Gründen abzugeben.

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. September 2020 - 1 Sa 299/20

Anders als bei einem Berufskraftfahrer sei die geschuldete Haupttätigkeit jedoch die Betreuung von Kunden. Und deshalb sei vor allem zu prüfen, ob der Arbeitnehmer diese Haupttätigkeit ohne Firmenfahrzeug ausüben kann. Und hier deutete das Landesarbeitsgericht schon an, dass man dem Arbeitnehmer nicht versagen könne, seine Reisen vorübergehend mit dem ÖPNV zu bewerkstelligen. Entscheidend sei jedoch in jedem Fall, dass der Arbeitgeber das Angebot seines Arbeitnehmers, selbst einen Fahrer zu beschäftigen, nicht weiter geprüft habe:

Hiermit verkennt die Beklagte die ihr in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes obliegende Pflicht zur Prüfung einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen. Nachdem der Kläger die Bereitschaft erklärt hatte, das Mobilitätsproblem durch Anstellung eines Fahrers auf eigene Kosten zu lösen, wäre es Sache der Beklagten gewesen, diese Möglichkeit im Hinblick auf die von ihr aufgeworfenen Fragen zu prüfen und den Kläger ggfs. aufzufordern, ergänzende Informationen beizubringen bzw. ihrerseits ein konkretes Angebot zur Ausgestaltung dieser Möglichkeit zu unterbreiten. In diesem Zusammenhang hätte neben der Nutzung eines Firmenwagens auch die Nutzung eines eigenen Fahrzeugs des Klägers oder des von ihm angestellten Fahrers geregelt werden können.

Auswirkungen auf die Praxis

Dem Urteil liegt sicher ein besonderer Sachverhalt zu Grunde. Es kann sicher nicht auf Berufskraftfahrer übertragen werden. Und die wenigsten Gehälter lassen es zu, dass der Arbeitnehmer einen eigenen Fahrer beschäftigt. Dennoch lässt sich der Entscheidung Grundsätzliches entnehmen: Wenn es nämlich nicht um einen Berufskraftfahrer geht, muss der Arbeitgeber vor der Kündigung wegen Führererscheinentzug immer prüfen, ob es ein milderes Mittel gibt, mit dem Problem des Arbeitnehmers umzugehen. Diesen eigentlich nicht gerade neuen Gedanken des Kündigungsschutzrechts ruft uns das Urteil in Erinnerung.

Wer betrunken im Auto von der Polizei erwischt wird, riskiert eine Kündigung wegen Führerscheinentzug

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