Wohnungseigentumsrecht | 09.08.2022
Bauliche Veränderung ohne Beschluss – Kann man einen Zustimmungsanspruch einwenden?
Die bauliche Veränderung ohne Beschluss ist nach wie vor praxisrelevant.
Maßgeblich ist § 20 WEG, der in Abs. 3 einen Zustimmungsanspruch vorsieht.
Regelmäßig wendet der bauende und auf Beseitigung in Anspruch genommene Wohnungseigentümer zweierlei ein:
1. Es bestünde ein Zustimmungsanspruch aus § 20 Abs. 3 WEG, weshalb das Beseitigungsverlangen rechtsmissbräuchlich sei.
2. Andere Wohnungseigentümer hätten auch gebaut, weshalb § 242 BGB auch deshalb gelte.
Beide Argumente greifen nicht!
Bauliche Veränderung ohne Beschluss - Kein Aushebeln des Genehmigungserfordernisses über § 242 BGB!
In einer aktuellen Entscheidung des
LG Bremen, Urteil vom 08.07.2022 - 4 S 176/21
geht es um einen Klassiker des Wohnungseigentumsrechts: die bauliche Veränderung ohne Genehmigung.
Bauliche Veränderung ohne Beschluss - Der Fall
Die Beklagten hatten der Klägerin beiläufig mitgeteilt, dass sie im Garten der Wohnungseigentumsanlage einen Swimmingpool errichten wollen. Dabei seien die Planungen hierzu bereits abgeschlossen, weshalb der Baubeginn unmittelbar bevorstehe.
Damit war die Klägerin nicht einverstanden und erhob Unterlassungsklage gegen die - geplante - bauliche Veränderung ohne Beschluss.
Das Amtsgericht gab der Klage statt, weshalb die Beklagten in Berufung gingen.
Sie waren der Meinung
- sie hätten einen Anspruch auf Zustimmung gemäß § 20 Abs. 3 WEG, der dem Unterlassungsanspruch über § 242 BGB mit Erfolg entgegengehalten werden können
- die Klägerin selbst habe bauliche Veränderungen vorgenommen, weshalb die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs treuwidrig sei.
Zu Recht?
Bauliche Veränderung ohne Genehmigung - Die Entscheidung
Das LG Bremen bestätigt die Entscheidung des Amtsgerichts und weist die Berufung zurück.
1.
Die Beantwortung der Frage, ob die Beklagten einen Anspruch aus § 20 Abs. 3 WEG haben oder nicht, könne offen bleiben. Denn § 242 BGB komme, wenn eine bauliche Veränderung ohne Beschluss vorgenommen werde, nicht zur Anwendung:
Durch das WEMoG habe der Gesetzgeber klargestellt, dass jede nicht durch Vereinbarung gestattete bauliche Veränderung zu ihrer Legitimierung einer Gestattung durch Beschluss bedarf, selbst wenn auf die Beschlussfassung ein Anspruch gem. § 20 Abs. 3 besteht, weil kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird (sog. Beschlusszwang; BT-Drucks. 19/18791).
Durch den Beschlusszwang werde sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer in der Versammlung über alle baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums informiert werden.
Dieser Wille des Gesetzgebers, der dem hohen Gut des Vorbefassungsgebots der Eigentümerversammlung Rechnung trage, dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Wohnungseigentümer, der die bauliche Veränderung ohne Beschlussfassung vorgenommen habe bzw. vornehmen möchte, dem Rückbau- bzw. Unterlassungsanspruch seinen Anspruch auf Gestattung per Beschluss über § 242 BGB entgegenhalten könne.
2.
Ebenso wenig erscheine die bauliche Veränderung ohne Beschluss deshalb in einem "milderen Licht" oder sei gar zu dulden, weil die Klägerin in der Vergangenheit selbst bauliche Veränderungen vorgenommen habe.
Denn eine "Aufrechnung unzulässiger baulicher Veränderungen" finde nicht statt.
Die Entscheidung des LG Bremen ist vertretbar, aber nicht unumstritten. Die Kammer hat deshalb die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Wir werden an dieser Stelle weiter berichten!