Wohnungseigentumsrecht | 17.02.2017

Entziehung des Wohneigentums: Ehemaliger Wohnungseigentümer muss definitiv ausziehen!

Nach der Entziehung des Wohneigentums nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG stellt die Überlassung der Wohnung an den ehemaligen Wohnungseigentümer durch den neuen Wohnungseigentümer eine Pflichtverletzung i. S. v. § 14 Nr. 1 WEG letzteren dar, die die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht hinnehmen muss

 

Dies hat der Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.11.2016, Az. V ZR 221/15, entschieden.

Der Fall:

In dem zu entscheidenden Fall hatten die ehemaligen Wohnungseigentümer erheblich gegen ihre Verhaltens- und Rücksichtnahmepflichten verstoßen, andere Wohnungseigentümer wiederholt und massiv beleidigt sowie bedroht.

Deshalb war in einem Vorprozess die Entziehung des Wohneigentums nach § 18 WEG für gerechtfertigt erachtet worden.

Die jetzige Beklagte erwarb die Wohnung  in der Zwangsversteigerung anlässlich der Entziehung des Wohneigentums. Die Wohnung überließ sie nach Zuschlag den ehemaligen Wohnungseigentümern zur weiteren Nutzung.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft, die zuvor die Entziehung des Wohnungseigentums betrieben hatte, war hiermit nicht einverstanden.

Klageweise verlangte sie von der neuen Wohnungseigentümerin, das Nutzungsverhältnis mit den ehemaligen Wohnungseigentümern unverzüglich zu beenden und diesen den Besitz zu entziehen.

Zu Recht?

Ja – der Bundesgerichtshof bestätigt die Entscheidung der Vorinstanz, die der Klage stattgegeben hatte.

Rechtsfehlerfrei habe das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG gegen die Beklagte bejaht.

1.

Rechtlicher Maßstab für die zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Gebrauchs des Sondereigentums bestehenden Pflichten sei § 14 Nr. 1 WEG.

Danach sei jeder Wohnungseigentümer u.a. dazu verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwachse.

Ein in diesem Sinne nachteilig betroffener Wohnungseigentümer könne nach § 15 Abs. 3 WEG die Unterlassung oder Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.

2.

Es stelle einen Verstoß gegen die in § 14  Nr. 1 WEG geregelten Pflichten dar, wenn die Beklagte den ehemaligen Wohnungseigentümern den Besitz an dem Sondereigentum nach Entziehung des Wohneigentums weiter überlasse.

a.

Zunächst sei festzustellen, dass das Urteil aus dem Vorprozess, dessen Gegenstand die Entziehung des Wohneigentums zu Lasten der ehemaligen Wohnungseigentümer gewesen sei, die Beklagte auch ohne Eintragung in das Grundbuch binde.

Dies ergebe sich aus § 10 Abs. 4 Satz 1 WEG, wonach gerichtliche Entscheidungen in einem Rechtsstreit gemäß § 43 WEG zu ihrer Wirksamkeit gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nicht der Eintragung in das Grundbuch bedürften.

Sondernachfolger im Sinne dieser Bestimmung sei auch derjenige, der das Wohnungseigentum im Wege der Zwangsversteigerung erwerbe. 

b.

Zwar verpflichte das Entziehungsurteil an sich nur den verurteilten Wohnungseigentümer.

Aus dem Urteil, durch das  die Entziehung des Wohnungseigentums für gerechtfertigt erachtet worden sei, ergebe sich aber, dass sich der frühere Wohnungseigentümer gemeinschaftsschädigend verhalten und den Gemeinschaftsfrieden gestört habe. 

Aus seinem Handeln in der Vergangenheit könne die Prognose abgeleitet werden, dass er auch künftig nicht von seinem gemeinschaftsschädigenden Verhalten Abstand nehmen werde.

Sei bezüglich eines Wohnungseigentümers die Entziehung des Wohneigentums nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG für gerechtfertigt erachtet worden, weil er trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen ihm nach § 14 WEG obliegende Pflichten verstoßen habe, stehe durch das Entziehungsurteil fest, dass sein Verbleib in der Wohnung den übrigen Wohnungseigentümern unzumutbar ist.

c.

Die Folge sei, dass der Ersteher einer Eigentumswohnung seine Pflichten nach § 14 Nr. 1 WEG verletze, wenn er die Nutzung durch den früheren Wohnungseigentümer, dem das Wohnungseigentum nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entzogen worden sei, nicht beende, sondern ihm den Besitz an dem Sondereigentum weiter überlasse.

Dadurch würden die übrigen Wohnungseigentümer gezwungen, die Hausgemeinschaft mit dem früheren Wohnungseigentümer fortzusetzen, obwohl ihnen das gerade nicht zugemutet werden könne.

Die Wirkungen der Entziehung des Wohneigentums würden unterlaufen, was mit dem Sinn und Zweck des Entziehungsverfahrens nicht vereinbar.

Denn dieser bestehe gerade darin, den Gemeinschaftsfrieden gegenüber einem „Störenfried“ wieder herzustellen.

Fazit:

Der V. Zivilsenat entscheidet praxisnah und zutreffend.

Er schützt die Wohnungseigentümergemeinschaft zu Recht vor den Störenfrieden aus der Vergangenheit.

1.

Ob es zeitlich nach der Entziehung des Wohneigentums zu weiteren Störungen des Hausfriedens durch den früheren Wohnungseigentümer gekommen ist oder nicht, ist unerheblich.

Denn der pflichtwidrige Gebrauch des Erstehers im Sinne des § 15 Abs. 3 WEG besteht nicht darin, dass er neue Störungen des früheren Wohnungseigentümers nicht unterbindet, § 14 Nr. 2 WEG.

Er besteht darin, dass er dem früheren Eigentümer, dem das Wohnungseigentum nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entzogen worden sei, den Besitz weiter überlässt.

Nachträgliches Wohlverhalten des ehemaligen Wohnungseigentümers hilft also nicht.

2.

Anders wird die Sach- und Rechtslage in der Regel zu beurteilen sein, wenn das Wohnungseigentum nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG entzogen worden ist, weil der (ehemalige) Wohnungseigentümer mit seinen Beitragszahlungen  – § 16 WEG – in Rückstand geraten ist.

Denn dann wird den übrigen Wohnungseigentümern meist sein Verbleib in der Wohnung nicht unzumutbar sein, da mit dem Zuschlag die Verpflichtung zur Kosten- und Lastentragung auf den neuen Wohnungseigentümer übergeht – § 56 Satz 2 ZVG.

Noch Fragen offen? Dann sprechen Sie bitte unseren Partner Ralf Schulze Steinen, Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht an!

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