Wohnungseigentumsrecht | 10.11.2016

WEG-Versammlung: Darf sie unterbrochen werden?

1. Eine WEG-Versammlung darf grundsätzlich nur dann unterbrochen werden, wenn dies durch besondere Umstände gerechtfertigt ist.

2. Die Unterbrechung und währenddessen erfolgte Erörterungen sind nicht Teil der WEG-Versammlung an sich.

 

Dies hat der Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.07.2016, V ZR 261/15 entschieden.

Der Fall:

In dem zu entscheidenden Fall fand eine WEG-Versammlung statt.

In dieser sollte auch über das weitere Vorgehen in einem rechtshängigen Beschlussanfechtungsklageverfahren gesprochen werden. Auch der dortige Beschlussanfechtungskläger nahm an der Versammlung teil.

Nachdem der Verwalter über den Stand des gerichtlichen Verfahrens berichtet hatte, rief er den Rechtsanwalt, der die beklagten Wohnungseigentümer in dem Beschlussanfechtungsklageverfahren vertrat, in den Versammlungsraum, damit dieser ein Mandantengespräch mit den anwesenden Eigentümern führen könne.

Der Rechtsanwalt forderte den Beschlussanfechtungskläger dazu auf, den Versammlungsraum zu verlassen.

Daraufhin wurde die WEG-Versammlung unterbrochen.

Die danach gefassten Beschlüsse focht der Kläger an mit der Begründung, er sei zu Unrecht von der Unterredung mit dem Rechtsanwalt und damit der Versammlung ausgeschlossen worden.

Zu Recht?

Nein – der BGH bestätigt die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen.

1.

Die während der Dauer der Unterbrechung einer WEG-Versammlung geführte Unterredung sei nicht als Teil der Eigentümerversammlung zu qualifizieren.

Deshalb sei der Kläger durch den Ausschluss von dieser Unterredung auch nicht in seinem Recht auf Teilnahme an der WEG-Versammlung verletzt.

a.

Werde eine Versammlung der Wohnungseigentümer vom Versammlungsleiter unterbrochen, seien die während der Unterbrechung geführten Unterredungen zwischen den Eigentümern untereinander oder mit einem externen Dritten nicht Bestandteil der WEG-Versammlung.

Ein Ausschluss einzelner Wohnungseigentümer von einem während der Unterbrechung geführten Gespräch einer Gruppe von Wohnungseigentümern stelle daher keinen Ausschluss von der Wohnungseigentümerversammlung dar.

b.

Unterredungen der Wohnungseigentümer während einer Unterbrechung seien auch dann nicht als Fortsetzung der Eigentümerversammlung zu qualifizieren, wenn kein sachlicher Grund für eine Unterbrechung bestanden habe.

Das Fehlen eines sachlichen Grundes für die Vornahme einer Unterbrechung könne zwar dazu führen, dass die Entscheidung über die Unterbrechung an sich ermessensfehlerhaft ist, ändere aber nichts daran, dass während der Unterbrechung gerade keine Eigentümerversammlung stattfinde.

Ebenso wenig würden während der Unterbrechung geführte Gespräche der Wohnungseigentümer dadurch zu solchen der Eigentümerversammlung, wenn sie einen sachlichen Bezug zu den Themen der Eigentümerversammlung aufweisen, was nicht selten bei einer Unterbrechung der Fall sei.

2.

Allerdings sei die Entscheidung des Versammlungsleiters über die Unterbrechung der WEG-Versammlung ermessensfehlerhaft gewesen.

a.

Zwar habe der Versammlungsleiter die Befugnis, die WEG-Versammlung zu unterbrechen, wenn dies ordnungsmäßiger Durchführung der Versammlung entspreche.

Über die – auf ein angemessenes zeitliches Maß beschränkte – Unterbrechung habe er aber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

b.

Die Unterbrechung einer WEG-Versammlung zu dem Zweck, den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümern ein Informationsgespräch mit ihrem Prozessbevollmächtigten zu ermöglichen, entspreche regelmäßig nicht einer ordnungsmäßigen Durchführung der Versammlung.

Zwar liege es im Interesse der Wohnungseigentümer, sich durch ihren Prozessbevollmächtigten über ein laufendes Beschlussanfechtungsklageverfahren, dessen Ausgang, mögliche Konsequenzen und die weitere Vorgehensweise zu informieren und rechtlich beraten zu lassen.

Eine sachgerechte Beratung hierzu erfordere es aber nicht, das Mandantengespräch auf den Zeitpunkt einer bereits laufenden WEG-Versammlung  zu legen.

Vielmehr sei es den Wohnungseigentümern zumutbar, Informationsgespräche mit ihrem Prozessbevollmächtigten zeitlich so zu legen, dass die WEG-Versammlung hiervon unberührt bleibe.

c.

Nur bei Vorliegen besonderer Umstände, etwa wenn ein Beratungsbedarf erst aufgrund der in der Eigentümerversammlung geführten Diskussion zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt entstehe, könne eine Unterbrechung zum Zwecke eines Mandantengesprächs in Betracht kommen.

3.

Da aber der Kläger die ermessensfehlerhafte Unterbrechung der WEG-Versammlung nicht binnen der sich aus § 46 Abs. 1 S. 2 WEG ergebenden Beschlussanfechtungsklagebegründungsfrist gerügt habe, könne im Ergebnis dahinstehen, ob die Unterbrechung zur erfolgreichen Anfechtbarkeit der Beschlüsse führen würde.

Fazit:

1.

Nach der Entscheidung des BGH ist die Unterbrechung einer WEG-Versammlung die auf besondere Umstände zurückzuführende Ausnahme. 

Dass ein Mandantengespräch mit einzelnen Wohnungseigentümern hierzu nicht gehört, drängt sich geradezu auf.

Ob die ermessensfehlerhafte Unterbrechung der WEG-Versammlung zur erfolgreichen Anfechtbarkeit der in selbiger gefassten Beschlüsse führt, bleibt aber ausdrücklich offen.

2.

Die Entscheidung des BGH zeigt erneut auf, wie sorgfältig ein Beschlussanfechtungsklageverfahren vorbereitet und darin vorgetragen werden muss.

Denn der Beschlussanfechtungskläger muss innerhalb der – sehr kurzen – Beschlussanfechtungsklagebegründungsfrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG diejenigen formellen und materiellen Beschlussmängel jedenfalls im Kern vortragen, die seiner Ansicht nach zur gerichtlichen Ungültigerklärung der seinerseits angefochtenen Beschlüsse führen.

Nach Ablauf dieser Frist ist der Beschlussanfechtungskläger mit (weiteren) Beschlussmängeln präkludiert.

D.h.:

Diese werden, auch wenn sie tatsächlich vorliegen, durch das Gericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt.

Noch Fragen?

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