Wohnungseigentumsrecht | 12.10.2018

WEG-Verwalter: Wann ist der Ermessensspielraum überschritten?

1. Wird ein WEG-Verwalter bestellt, haben die Wohnungseigentümer einen Ermessensspielraum.

2. Dieser Ermessensspielraum ist – erst – dann überschritten, wenn der bestellte WEG-Verwalter objektiv untragbar ist.

3. Objektiv untragbar ist ein WEG-Verwalter z.B. dann, wenn er nicht über die nötige Neutralität verfügt.

Dies hat das LG Itzehoe, Urteil vom 26.01.2018, Az. 11 S 33/17, entschieden.

DER FALL:

In der streitgegenständlichen WEG wurde ein WEG-Verwalter durch Mehrheitsbeschluss bestellt.

Die Kläger, tunesischer Abstammung, waren mit der Verwalterbestellung nicht einverstanden, weshalb sie Beschlussanfechtungsklage erhoben.

Begründung:

Der WEG-Verwalter verfüge nicht über die nötige Neutralität, z. B. habe er einige Wohnungseigentümer, auch die Kläger, als minderwertig bezeichnet.

Außerdem  habe er geäußert, er wolle nicht, dass Türken oder Ausländer in die WEG eintreten.

Die Beklagten meinten, ihnen stünde bei der Verwalterbestellung ein Ermessensspielraum zu, der insbesondere nicht überschritten sei.

DIE ENTSCHEIDUNG:

Das Landgericht gibt der Beschlussanfechtungsklage statt bzw. bestätigt die Entscheidung des Amtsgerichts insoweit.

1.

Zwar sei richtig, dass den Wohnungseigentümern auch bei der Beantwortung der Frage, welcher WEG-Verwalter bestellt werde, grundsätzlich ein Ermessensspielraum einzuräumen sei.

Dieser Ermessensspielraum ermögliche es den Wohnungseigentümern grundsätzlich auch, einen WEG-Verwalter auch dann zu bestellen, wenn hiergegen sachliche Gründe sprächen.

Werde allerdings ein WEG-Verwalter unter Überschreitung dieses Ermessensspielraums bestellt, verstoße die Verwalterbestellung gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung.

Dies sei dann anzunehmen, wenn der WEG-Verwalter objektiv untragbar sei.

2.

Bei der Entscheidung über die Frage nach den Grenzen des Ermessensspielraums müsse das Gericht einerseits die Entscheidung der Mehrheit im vertretbaren Rahmen respektieren, andererseits aber auch den Minderheitenschutzberücksichtigen.

Zu einer Ungültigkeitserklärung eines mehrheitlich gefassten Bestellungsbeschlusses könne es vor diesem Hintergrund etwa dann kommen, wenn der WEG-Verwalter offensichtlich die für die Amtsführung erforderliche Neutralität vermissen lasse.

Die sei hier der Fall.

Der WEG-Verwalter habe hier deutlich und mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass er insbesondere die Kläger nicht als gleichberechtigte Wohnungseigentümer ansehe, deren Interessen er als Verwalter aber ebenfalls zu vertreten verpflichtet sei.

Außerdem habe er schriftlich geäußert, dass er auf keinen Fall wolle, dass die Wohnungen an „Türken oder andere Ausländer“ verkauft würden.

Die vorzunehmende Gesamtabwägung lasse den bestellten WEG-Verwalter als untragbar erscheinen, woraus die Überschreitung des Ermessensspielraums folge.

PRAXISHINWEIS:

Das LG Itzehoe „kippt“ den Bestellungsbeschluss zu Recht. Das zu erreichen ist allerdings in der Praxis schwierig und zwar aus folgenden Gründen, die sich auch in der Entscheidung des LG Itzehoe finden lassen: 

1.

Grundsätzlich gilt: Die Bestellung eines Verwalters ist am Maßstab einer ordnungsmäßigen Verwaltung zu messen. Denn die Wohnungseigentümer haben nicht nur einen Anspruch darauf, dass die Tätigkeit der Verwaltung diesen Grundsätzen entspricht, sondern auch darauf, dass der WEG-Verwalter selbst diesen Anforderungen genügt.  Daran fehlt es, wenn ein wichtiger Grund gegen die Bestellung spricht. Wann ein solch wichtiger Grund vorliegt, bestimmt sich nach den für die Abberufung des Verwalters geltenden Grundsätzen.

Ein wichtiger Grund für eine vorzeitige Abberufung des Verwalters liegt vor, wenn den Wohnungseigentümern unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter, Umstände nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Verwalter nicht mehr zugemutet werden kann, insbesondere weil das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört ist. 

2.

Das Problem in der Praxis ist nun die Entscheidung des BGH, Urteil vom 10.12.2012, V ZR 205/11. 

Denn nach dieser Entscheidung reicht das Vorliegen eines wichtigen Grunds alleine nicht aus. 

Vielmehr haben die Wohnungseigentümer einen Ermessensspielraum, der insbesondere gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. 

Dieser Ermessensspielraum kann auch die Bestellung oder Wiederwahl eines Verwalters decken, in dessen Tätigkeit oder Person ein wichtiger Grund dagegen vorliegt. 

Insbesondere können also die Wohnungseigentümer dem Verwalter verzeihen. 

Nur dann, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist, also der Verwalter objektiv und schlichtweg untragbar ist, wird man Erfolg bei der Anfechtung der Verwalterbestellung oder der Abberufung haben. 

Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls und eine vorzunehmende Gesamtabwägung der Interessen.

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