Immobilienrecht | 22.03.2015

Widerrufsjoker und dann? Die Rückabwicklung des Darlehensvertrags

Zeitungen, das Fernsehen und eine nicht überschaubare Anzahl von Angeboten im Internet berichten seit Jahren über die Voraussetzungen, unter denen Verbraucher unter Umständen auch viele Jahre nach Abschluss eines Kreditvertrags denselben noch widerrufen kann. Doch was passiert eigentlich nach einem erfolgreichen Widerruf? Was muss die Bank konkret erstatten? Und was muss der Kunde noch an die Bank bezahlen? Wie vollzieht sich also die Rückabwicklung des Darlehensvertrags?

Im Streit mit Banken um den „späten“ Widerruf eines Darlehensvertrags durch den Verbraucher bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung stehen zunächst die Fragen, ob die Widerrufsbelehrung tatsächlich fehlerhaft gewesen ist und ob die Bank sich trotz Fehlerhaftigkeit der Belehrung entsprechend des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 15. August 2012 – VIII ZR 378/11 auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen kann, weil sie das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet hat, im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Sodann ist recht bekannt, dass die Banken dem Rückabwicklungsbegehren des Kunden regelmäßig den Einwand der Verwirkung gegenhalten. Weniger zahlreich sind die jedoch die allgemein zugänglichen Informationen zur Rückabwicklung des Darlehensvertrags, obschon hierzu durchaus verschiedene Auffassungen vertreten werden, die erhebliche finanzielle Auswirkungen für den Verbraucher haben können.

Für Verbraucherdarlehen, die vor Inkrafttreten des § 357a BGB am 13. Juni 2014 geschlossen wurden, gilt § 357 Abs. 1 BGB, der auf die gesetzlichen Bestimmungen über den Rücktritt verweist. Die zentrale Vorschrift des Rücktritts ist § 346 BGB, nach der bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrags die jeweils empfangenen Leistungen wechselseitig zurückzugewähren und möglicherweise gezogene Nutzungen an den früheren Vertragspartner herauszugeben sind.

1. Pflichten des Verbrauchers

Der Darlehensnehmer hat bei der Rückabwicklung des Darlehens zunächst den erhaltenen Darlehensbetrag an die Bank zu erstatten, das ist offenkundig.

Da die durch den Erhalt des Darlehensvertrags gezogenen Nutzungen vom Verbraucher nicht an die Bank herausgegeben werden können, hat der Verbraucher darüber hinaus jedoch nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB Wertersatz hierfür zu leisten. Doch wie berechnet sich dieser Wertersatz?

Grundsätzlich bestimmt § 346 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BGB, dass die im Vertrag bestimmte Gegenleistung bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen ist. Das ist nichts anderes als der vertraglich vereinbarte Zins. Bliebe es hierbei, so könnte die Bank trotz Rückabwicklung des Darlehensvertrags über einen Umweg letztlich die bis zum Zeitpunkt des Widerrufs entstanden Vertragszinsen behalten. Allerdings sieht § 346 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BGB für den Fall des Wertersatzes für den Gebrauchsvorteil eines Kredites vor, dass der Verbraucher bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrags nur den tatsächlichen Gebrauchsvorteil erstatten muss, wenn er nachweisen kann, dass dieser geringer als der vertraglich vereinbarte Zins gewesen ist.

Im Anschluss daran stellt sich jedoch die Frage, um was es sich bei diesem tatsächlichen Gebrauchsvorteil handelt. In aller Regel hat der Verbraucher das erlangte Geld nicht gewinnbringend angelegt, sondern zur Finanzierung eines anderen Rechtsgeschäfts, beispielsweise eines Immobilienkaufs genutzt. Ohne das widerrufene Darlehen hätte er anderweitig finanzieren und Zinsen bezahlen müssen; das hat er sich also erspart. Der Wert des Gebrauchsvorteils bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrags lässt sich daher mit dem Betrag der Zinsen gleichsetzen, die der Verbraucher üblicherweise am Markt zu bezahlen gehabt hätte.

Die Bank beruft sich in aller Regel darauf, dass der vertraglich vereinbarte Zins dem marktüblichen Zins jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags entsprochen habe. Dies zu widerlegen gelingt dem Verbraucher nur im Ausnahmefall, denn im Allgemeinen wird diese Behauptung der Bank zutreffend sein. Weshalb hätte der Verbraucher auch zu einem nicht marktüblichen Zins kreditieren sollen?

Einen hinreichenden Anhaltspunkt für diesen Nachweis kann nach übereinstimmender Rechtsprechung diverser Land- und Oberlandesgerichte jedoch die Bezugnahme auf die Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank sein. So hat beispielsweise das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 17. Januar 2013 – I-6 U 64/12 entschieden, dass einem Verbraucher dieser Nachweis gelungen ist:

Denn der Beklagte hat durch die Bezugnahme auf die allgemein zugängliche und von der Klägerin auch in ihrem Wahrheitsgehalt nicht angegriffene Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank … dargelegt, dass Konsumentenkredite an Privatpersonen im Januar 2005 … mit einer … vergleichbaren Laufzeit von Deutschen Banken üblicherweise zu einem durchschnittlichen Effektivzinssatz von nur 9,05 % p.a. anstelle des von der Klägerin in Rechnung gestellten Tageszinses von 9,55 % p.a. vergeben worden sind. Selbst wenn der in der Zinsstatistik ausgewiesene Effektivzins mit dem vertraglich vereinbarten Tageszins aus dem Darlehensvertrag der Parteien nicht in allen Einzelheiten vergleichbar sein dürfte, kann der Senat auf dieser Grundlage zumindest gemäß § 287 Abs. 2 ZPOschätzen, dass auch ein in jeder Hinsicht dem hier maßgeblichen Zinssatz vergleichbarer Tageszins im Januar 2005 allenfalls in der von dem Beklagten behaupteten Höhe von 9,05 % marktüblich gewesen ist.

So erfreulich dieses Urteil aus Sicht des betroffenen Verbrauchers auch ist, so kritikwürdig ist es auch: Denn ihm liegt die Illusion zu Grunde, es gebe überhaupt den einen marktüblichen Zins für einen bestimmten Kredit und dieser sei Gegenstand der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank. Es gibt ihn aber gerade nicht, den der Zinssatz eines Kreditvertrags hängt selbstverständlich von Faktoren (Bonität des Kunden, langjährige Geschäftsbeziehung, zur Verfügung stehende Sicherheiten, Höhe des anlässlich eines Immobilienkaufs eingebrachten Eigenkapitals) ab, die einer individuellen Bewertung der Bank unterliegen und nicht generalisierbar sind. Es kann dem Verbraucher bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrags die Darlegung, dass der tatsächliche Gebrauchsvorteil, den er durch die Überlassung des Darlehensbetrags erlangt hat, weniger Wert als die vom ihm bezahlten Zinsen ist, nur dann gelingen, wenn er zufälligerweise etwas teurer als der Durchschnitt kreditiert hat. Dass das aber eine völlig willkürliche Betrachtung ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass der überdurchschnittliche Zins auf einer miserablen Bonität des Verbrauchers beruhen kann und er anderswo deshalb eventuell gar keinen Kredit erhalten hätte.

Eine andere und derzeit wohl als vollkommen offen zu bezeichnende Frage ist, ob bei der Berechnung des Gebrauchsvorteils im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrags die spätere Wertentwicklung des Darlehens zu berücksichtigen ist oder nicht. Der Unterschied ist enorm: Wer heute einen Darlehensvertrag widerruft, profitiert für den Zeitraum bis zum Zeitpunkt des Widerrufs nur dann von den in den letzten Jahren gesunkenen Darlehenszinsen, wenn deren Entwicklung im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrags zu berücksichtigen ist. Andernfalls muss er – wie beschrieben – Gebrauchsvorteile in Höhe der vertraglich vereinbarten Zinsen oder wenigstens die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses marktüblichen Zinsen bezahlen.

Das Landgericht Hannover hat mit dem uns vorliegenden Urteil vom 21. November 2013 – 8 O 85/13 mit knapper Begründung entschieden, dass die Entwicklung der marktüblichen Zinsen bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrags zu berücksichtigen ist:

Im Gegenzug dazu hat die Beklagte einen Anspruch auf marktübliche Verzinsung des Nettokreditbetrages. Im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten ist dabei ebenfalls – wie auch bei der Verzinsung des klägerischen Kapitals – auf einen durchschnittlichen Zins abzustellen. Dieser beträgt ausweislich der seitens der Kläger vorgelegten Statistik der Interhyp 3,74%. Bezogen auf 10 Jahre und das eingesetzte Kapital von 104.000,00 € ergibt sich somit eine Gesamtsumme von 148.698,77 €.

Mit ebenso knapper Begründung hat sich das Landgericht Ulm mit Urteil vom 25. April 2014 – 4 O 343/13 dagegen ausgesprochen, die Entwicklung der marktüblichen Zinsen bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrags zu berücksichtigen:

Außerdem schulden sie Verzinsung des ihnen überlassenen Darlehenskapitals zu dem nach den Bedingungen des Darlehensvertrags vereinbarten Sollzinssatz, wobei ihnen allerdings gemäß § 346 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BGB der Nachweis offensteht, dass der marktübliche Zinssatz für ein vergleichbares Darlehen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geringer gewesen wäre. Da grundsätzlich das vertragliche Äquivalenzverhältnis gewahrt werden soll, bleiben spätere Wertentwicklungen unberücksichtigt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes des Gebrauchsvorteils im Sinne des § 346 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BGB ist daher der Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Darlehensauszahlung.

2. Pflichten der Bank

Die Bank hat bei der Rückabwicklung des Darlehens zunächst sämtliche erhaltenen Zins- und Tilgungsleistungen an den Kunden zu erstatten, das ist offenkundig.

Darüber unterliegt die Bank selbstverständlich auch der Verpflichtung, nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB Wertersatz für die Gebrauchsvorteile, die sie aus den seitens des Verbrauchers gezahlten Beträgen erlangt hatte, zu leisten.

Die Berechnung dieser Gebrauchsvorteile scheint jedoch geklärt. Hierzu besteht eine langjährige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs:

Was bei der Berechnung des Verzugsschadens zugunsten von Banken gilt, muss bei der Schätzung von Nutzungszinsen … auch zu ihren Lasten gelten; in beiden Fällen geht es um die Höhe der Wiederanlagezinsen. Dass der Zinsertrag der Bank durch Aufwendungen und Zinsausfälle gemindert wird, ist ohne substantiiertes Vorbringen im Rahmen der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Erfahrungsgemäß liegt ein Zinssatz von 5% über dem jeweiligen Diskontsatz nicht unerheblich unter den Zinssätzen, die Banken üblicherweise für Kontokorrentkredite oder gar für Ratenkredite berechnen. Wenn eine Bank die Forderung von Nutzungszinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Diskontsatz durch ihren Kunden nicht akzeptieren will, steht es ihr frei, zur geringeren Höhe von ihr gezogener Nutzungen unter Darlegung ihres Zinsgewinnaufwands und ihrer Zinsausfälle substantiiert vorzutragen. (Urteil vom 12. Mai 1998 – XI ZR 79–97 (KG)).

Im Rahmen eines Rechtsstreits betreffend den Rückruf eines Verbraucherdarlehens, den wir derzeit für einen Mandanten vor dem Landgericht Potsdam führen, hat die DKB AG, dieser Rechtsprechung unter Hinweis auf eine angebliche Auffassung des Landgerichts Berlin widersprochen. Die Gebrauchsvorteile der Bank seien im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehens in Anlehnung an § 503 Abs. 2 BGB, der eine „abschließende Regelung“ darstelle, mit 2,5% über dem Basiszinssatz zu berechnen. Diese Auffassung überzeugt ganz und gar nicht:

Der Schutz des Verbrauchers durch § 503 Abs. 2 BGB vor dem pauschalierten Verzugsschaden des § 497 Abs. 1 S. 1 BGB, ist durch die besondere Sicherung des Darlehensgebers bei Immobiliardarlehensverträgen gerechtfertigt:

Absatz 1 Satz 2 bestimmt nunmehr auch für die in § 491 Abs. 3 Nr. 1 RE genannten Hypothekenkredite einen pauschalierten variablen Verzugszinssatz in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. … Auf der anderen Seite kam eine entsprechende Anwendung des pauschalierten Zinssatzes für nicht grundpfandrechtlich gesicherte Standarddarlehen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht in Betracht, da dieser weit über dem tatsächlichen Verzugsschaden bei Hypothekenkrediten gelegen hätte, bei welchen die Refinanzierungskosten erheblich geringer sind. Ein Vergleich zwischen den Durchschnitts-Refinanzierungssätzen bei Standardkredite und Hypothekenkrediten verdeutlicht, dass diese bei Realkrediten um ca. 2 bis 3 % geringer sind. Dem trägt die in § 497 Abs. 1 Satz 2 bestimmte Zinspauschale von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Rechnung. (BT-Drucksache 14/6040 vom 14. Mai 2001, S. 256)

Da dieser Gesetzeszweck inhaltlich nicht mit der mit der Höhe von Gebrauchsvorteilen nach § 346 Abs. 2 BGB in Verbindung zu bringen ist, verbietet es sich in diesem Kontext – wie die DKB AG – von der Schaffung einer „abschließenden Regelung“ zu sprechen. Ob das Landgericht Berlin diese Auffassung überhaupt nachhaltig vertritt, bleibt abzuwarten, eine entsprechende Entscheidung liegt uns nicht vor.

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